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Christoph Strasser: Gegen die Müdigkeit

Kaum jemand fährt länger schneller Rad als Christoph Strasser. Sechsmal hat der Österreicher das härteste Ultra-Radrennen der Welt gewonnen. Was ihn beim Streakbiking herausfordert, wie er damit umgeht – ein Gastbeitrag.

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Einmal quer durch Amerika. Bei Tag und bei Nacht. Und dann ist da das Ziel. Ein erhabener Moment, diese Ziellinie zu überfahren, vor allem, wenn man das als erste*r Fahrer*in schafft. Das muss ein unglaubliches Glück sein, denken die meisten.

Doch ich muss enttäuschen. Diese augenscheinliche Freude ist oft nicht mehr als eine Fata Morgana. In mir sieht es ganz anders aus. Ich bin enttäuscht, weil das Abenteuer vorbei ist. Und ich bin gereizt, weil ich nur fünf Stunden geschlafen habe. Nicht in der letzten Nacht, sondern in den vergangenen acht bis neun Tagen des Rennens. Mein Lächeln für die Fans und die Fotografen zwinge ich mir ab.

Die finalen 20 Kilometer sind beim Race-Across-America (RAAM) die härtesten, zumindest mental. Der „reguläre” Zielstrich ist da schon überfahren. Für die letzten “Zwanzig” ins offizielle Ziel bekommen alle Fahrer*innen die gleiche Zeit zugesprochen. Ob du 30 Minuten brauchst oder zwei Stunden – vollkommen egal, am Ende ist es für jeden die gleiche Zeit. 40 Minuten. Nicht mehr, nicht weniger.

Noch viel schlimmer: Es geht für die Zieleinfahrt in die Großstadt. Der Verkehr und besonders die roten Ampeln strapazieren die Nerven. Es rollt nicht mehr.

Race Across America

Knapp 5.000 Kilometer in einer Woche. Das Race Across America gilt als eine der härtesten Prüfungen für Ultra-Radfahrer*innen. Gefahren wird von der West- an die Ostküste. Und zwar am Stück. Heißt: Es gibt keine klassischen Etappen. Die Fahrer*innen entscheiden, wie viele Stunden und Kilometer sie pro Tag fahren möchten.

Das offizielle Ziel, also dort, wo die Endzeit der Fahrer*innen gemessen wird, liegt in der Regel 20 Kilometer vor dem tatsächlichen Zielstrich. Der Großstadtverkehr ist für überhastige Fahrradfahrer*innen gefährlich. Außerdem verzerren Ampelphasen und andere Behinderungen stark die Fahrzeit.

Wahre Glücksmomente während des Rennens

Die wahren Glücksmomente erlebe ich nicht auf der Zielgeraden. Ich spüre sie vielmehr während des Rennens, bei unfassbar schönen Sonnenauf- oder -untergängen. Und in den Momenten, wenn ich gemeinsam mit meinem Team, die immer wiederkehrenden Tiefs überwinde und zurück in ein körperliches und mentales Hoch finde. In den Tagen nach der Zieleinfahrt kann ich die bestandene Herausforderung dagegen nicht richtig genießen.

Christoph Strasser beim Ultra Radrennen RAAM auf dem Fahrrad
Die Stadt als willkommene Abwechslung nach der Einöde der Prärie? Mitnichten. In der City erhöhen der Verkehr und die Ampeln das Stresslevel der Extrem-Radfahrer*innen. ©Lupi Spuma

Radwechsel schonen den Rücken

Körperlich überstehe ich die Strapazen mittlerweile ganz gut. Dadurch, dass ich mich bis zu zehn Monate und über 1.000 Trainingsstunden auf dem Fahrrad auf ein solches Event vorbereite, sind meine Muskeln trainiert. Auch meine Haut am Hintern ist sehr widerstandsfest, sie wird durch die vielen Stunden im Sattel robust und zäh. Fast wie Leder. Und da ich bei Rennen wie dem RAAM das Fahrrad so oft wechseln darf, wie ich möchte, ist die Belastung für Knie, Gesäß und Lendenbereich nicht so intensiv. Jeder Wechsel von Straßen- auf Zeitfahrrad verändert die Sitzhaltung – und das ist gut für die Muskulatur.

Während mein Gesäß und der Rücken die Strapazen gut überstehen, sind meine Finger das größere Problem. Nach der ganzen Zeit, in der ich den Lenker umfasse, sind sie starr und taub geworden. Und diese Taubheit bekommt man nur schwer gelöst. Manchmal bleibt das Gefühl noch zwei Monate nach dem Rennen bestehen.

Meine Ernährung: 12.000 Kalorien – pro Tag

Die physischen Schmerzen sind also nicht das größte Problem. Schon schwieriger ist das Thema Ernährung. Während des Rennens ernähre ich mich mit Flüssignahrung. Mein normaler Tagesbedarf liegt bei mindestens 12.000 Kalorien. Ohne die Zufuhr von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen kann ich diese Energie nicht in Watt umwandeln.

Und wenn man fast acht Tage durchgehend auf dem Rad sitzen muss, muss ich sehr darauf achten, dass mein Magen das, was ich zu mir nehme, auch verträgt. Auch deshalb gehe ich sehr vorsichtig mit den erlaubten Schmerzmedikamenten um. Sie haben immer Nebenwirkungen, können auf den Magen schlagen. Ich nehme keine entzündungshemmenden Gele oder Schmerztabletten prophylaktisch, sondern nur dann, wenn ich sie wirklich brauche. Und das meist erst am allerletzten Tag des Rennens.

Den Verzicht auf Schmerzmittel empfehle ich auch allen Hobbysportler*innen. Der Schmerz ist ein Signal des Körpers, das wahrgenommen werden will. Um keine größeren Probleme zu bekommen, sollte man ihn nicht ignorieren. Normalerweise komme ich mit einer einzigen Schmerztablette durch das komplette RAAM.

Christoph Strasser wird beim Ultra Radrennen RAAM auf dem Fahrrad von seinen Begleitern angefeuert
Die Kommunikation mit seinen Begleiter*innen ist für Ultra-Radfahrer Christoph Strasser besonders wichtig. Sie macht wacher als Koffein. ©Lupi Spuma

Der Magen wird kleiner

Trotz der vielen Kalorien, die ich mir zuführe, ist das Hungergefühl in den ersten Tagen, in denen ich auf Flüssignahrung umsteige, immer lästig. Doch ich kann mich gut darauf vorbereiten, dass es während des RAAMs keine feste Nahrung gibt. Etwa drei Tage vor dem Rennen starte ich mit dem Verzicht auf normale Lebensmittel. In dieser Zeit meldet sich der Magen, er murrt und knurrt. Hat er sich an die flüssigen Kalorien gewöhnt, beruhigt er sich – und das sollte schon vor dem Start geschehen.

Ein Highlight eines jeden Rennens ist die erste Mahlzeit danach. Die Tage zuvor gab es nur süßliche Getränke, sie schmecken nach Vanille oder Schokolade. Zur Belohnung darf es also herzhaft sein. Ich esse nach dem Rennen meistens Steak und Salat. Doch nach so einem Rennen ist der Appetit viel größer als der Hunger. Mein Magen ist kleiner geworden, nach ein paar Stücken bin ich satt. Das große Essen beginnt erst einige Tage nach der Zieleinfahrt.

Durchhalten mit Powernaps

Bleibt die härteste Gegnerin: die Müdigkeit. Sie kann lebensbedrohlich sein, dann nämlich, wenn ich bei voller Fahrt einschlafe. In einer Abfahrt zum Beispiel.

Anders als beim Hunger ist die Vorbereitung hier schwieriger. Es gibt keine adäquate Möglichkeit, Schlafentzug zu trainieren. Es gibt nur Möglichkeiten, besser damit umzugehen.

Was mir besonders hilft sind kurze, intensive Powernaps. Zwanzig Minuten, nicht mehr. Diese kurzen Schlafzeiten geben mir das Durchhaltevermögen für den ganzen Renntag, also gut 23 Stunden. Auch Koffein ist ein probates Mittel. Vor einem langen Rennen setze ich mich zwei Monate auf Koffeinentzug. Ich trinke keinen Kaffee mehr und keine Cola. Durch den Verzicht entfaltet das Koffein während der Belastung wieder seine volle Wirkung.

Christoph Strasser wird beim Ultra Radrennen RAAM von seinen Begleiter*innen angefeuert.
Acht Tage am Stück fast 24 Stunden auf dem Rad. Immer mit dabei: Strassers Team, das sich an der Strecke und im Begleitfahrzeug abwechselt. ©Lupi Spuma

Kommunikation ist alles

Nicht nur die Menge der Koffeinzunahme ist wichtig, sondern auch das Timing. Während eines Anstiegs, in dem ich körperlich sehr viel Kraft investiere, bin ich voller Adrenalin. Ich bin wach, körperlich und mental. Problematisch ist die Abfahrt, wenn die Anstrengung schlagartig nachlässt, die Muskeln sich entspannen. Deshalb konsumiere ich Koffein unmittelbar vor den Abfahrten, genau dann, wenn es mein Körper wirklich braucht.

Das beste Mittel gegen die Müdigkeit ist Kommunikation. Nichts muntert mich mehr auf als ein guter Witz, den mir meine Begleiter*innen erzählen. Auch kurze Gespräche helfen enorm. Die Betreuer*innen, die mich seit Jahren unterstützen, wissen ganz genau, wann sie mit mir wie sprechen müssen. Wann ich welche Art der Kommunikation brauche, egal ob im direkten Gespräch oder über Funk. Kommunikation ist nicht ersetzbar.

Manchmal spielen mir meine Begleiter*innen über Lautsprecher auch nur Musik vor. Ich mag Coldplay und die Foo Fighters, auch andere Musik, je nach Stimmungslage. Sie pusht mich. Manchmal wiegt sie mich in eine Trance. Ich höre die Musik und sehe nur noch die Straße vor mir. Das Treten in die Pedale fällt gar nicht mehr schwer.

Die RAAM-Playlist von Christoph Strasser

Christoph Strasser winkt beim Ultra Radrennen RAAM auf dem Fahrrad in die Kamera.
Fünfmal an Christoph Strasser das Race Across America bereits gewonnen. In diesem Jahr soll der sechste Triumph folgen. Dann wäre er Rekordhalter. ©Lupi Spuma

Extreme Erholung für extrem gute Leistung

Was mich motiviert und antreibt, immer wieder an die eigenen Grenzen zu gehen? Ich könnte in diesem Jahr zum sechsten Mal das RAAM gewinnen. Ich wäre der erste Sportler, dem das gelingt. Dafür trainiere ich jeden Tag – und erhole mich mindestens einmal im Jahr einen ganzen Monat.

Bei all den Vorbereitungen, all den Trainingsstunden darf man als Sportler*in eines nie vergessen: Erholung und Entspannung sind wichtig. Wenn ich pausiere, dann mache ich nur zwei-, dreimal die Woche eine Ausfahrt mit dem Fahrrad. Zum Spaß, wenn das Wetter gut ist. Ich feiere in der Zeit ein paar Partys und esse, wonach mir ist, und davon soviel ich mag.

Ich erhole mich in meinem Zuhause. Das spendet extrem viel Kraft – und gehört damit zu meinem Sportlerleben dazu. Extreme Erholung für extreme Leistung.

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