Ich habe mir noch nie ein anderes Leben gewünscht. Im Alter von fünf Jahren verlor ich durch einen Hirntumor über meinem Sehnerv meine Sehkraft auf dem rechten Auge. Durch die Narbenbildung nach unzähligen Operationen erblindete ich als Teenager vollkommen. Das Einzige, was ich noch wahrnehme, ist ein kleines Lichtfeld vor meinem linken Auge – meine Hand am Ende des Arms sehe ich nicht.
Den Umständen anpassen
Als ich kleiner war, wurde mir immer eingeredet, dass alles, was ich mache und wofür ich mich entscheide, von meiner Behinderung abhängig ist.
Egal, ob in der Schule oder beim Sport, es hieß immer gleich: „Das ist doch eh nichts für dich!“
Patricia Walsh
Aber ich war selbst blind noch immer der gleiche Mensch wie zuvor, und schon mein ganzes Leben lang fühlte ich irgendwie Potenzial in mir. Ich war schon von Geburt an sehr ehrgeizig. Drinnen fühlte ich mich eingeengt. Ich wollte raus. Ich wollte herausfinden, was in mir steckte. Und ich wusste: Dafür würde ich mich an meine Umgebung anpassen müssen – die Welt würde nicht nach meiner Nase tanzen.
Als ich beschloss, aufs College zu gehen, glaubte niemand, dass ich das schaffen könnte. Aber ich war mir sicher, dass eine gute Ausbildung der Schlüssel zur Selbstständigkeit sein würde. Also vertraute ich meinem Gefühl und schrieb mich an der Oregon State University ein. Es war eine unglaublich harte Zeit. Ich wurde in keinster Weise bevorzugt oder besonders behandelt. Im Universitätsalltag und darüber hinaus lernte ich aber sehr viel über mich selbst und meine Fähigkeit, Herausforderungen anzunehmen.
Aller Anfang ist schwer
Während der Zeit auf dem College fing ich an zu laufen, und das veränderte mein Leben entscheidend. Das erste Mal hatte ich noch keine Ahnung, wie ich das schaffen sollte. Ich fand eine Laufstrecke in der Nähe meines Hauses und lief los: ein Fuß auf dem Asphalt, der andere auf Schotter. Ich schaffte einen Kilometer, aber wusste im Anschluss nicht mehr, wie ich nach Hause kommen sollte, also bat ich einen anderen Läufer um Hilfe. Am nächsten Tag legte ich einen Stein an den Rand der Strecke und lief los. Nach einem halben Kilometer drehte ich wieder um. Als ich auf dem Rückweg über den Stein stolperte, stürzte ich. So wusste ich: Ich bin wieder zu Hause.
Neues Selbstbewusstsein durch Sport
Erst später erfuhr ich dann von sogenannten Lauf-Guides. Verbunden mit ihnen durch eine Leine ermöglichten sie mir schließlich die Teilnahme an 12 Marathons, 2 Langstrecken-Triathlons und 2 Ultramarathons. Ich wurde fünfmal Landesmeisterin in den USA und 2012 sogar zur Triathlon-Athletin des Jahres gewählt. Ich holte dreimal die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften und knackte 2016 den paralympischen Weltrekord über die Triathlon-Langstrecke für Blinde und Sehbehinderte.
Sport veränderte mein Selbstbild. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Grund, an mich zu glauben. Ich war nicht mehr das blinde Mädchen, ich war Leistungssportlerin. Sobald ich mich außerhalb meiner Komfortzone bewegte, konnte ich auf einmal viel mehr erreichen. Früher stellte ich mir vor jeder Entscheidung die Frage: „Ist das machbar für mich?“ Die Antwort war jedes Mal: „Nein.“ Aber seit ich diesen ersten Kilometer gelaufen bin, schaue ich mit ganz anderen Augen auf die Dinge: Vielleicht weiß ich noch nicht, wie ich es schaffen kann, aber ich finde einen Weg.

Mit Ehrgeiz ans Ziel
2006 schloss ich an der Oregon State University mit Diplom in Elektrotechnik und Informatik ab. Direkt im Anschluss bekam ich einen Job bei Microsoft. Seitdem arbeite ich hart an meiner Karriere als Ingenieurin. Zurzeit bin ich Technical Product Manager für Dow Jones & Company.
In meinem Job und beim Sport gebe ich immer alles. Wenn ich mich zu wohl fühle, dann fordere ich mich wahrscheinlich nicht genug. Vom Laufen kam ich in den letzten Jahren über Triathlon letztlich zum Rudern.
Ich musste lernen, dass es sehr demütigend sein kann, eine neue Sportart anzufangen.
Patricia Walsh
Als Außenseiterin schaffte ich es zunächst ins Auswahlcamp der Nationalmannschaft. Außenseiterin zu sein fühlte sich für mich wie Scheitern an, obwohl es natürlich ein Erfolg war, als Newcomerin überhaupt wahrgenommen zu werden. In solchen Momenten ermahne ich mich, dass ich nur auf diesem Weg als Sportlerin wachsen kann. Ich habe auf dem Wasser und beim Rudern zwar absolut keine Erfahrung, aber ich kann meinen Fortschritt jeden Tag aufs Neue unter Beweis stellen. Ich kann anpassungsfähig sein. Und ich kann mein Team unterstützen.
Ich erinnere mich daran, warum ich hier bin. Ich hoffe darauf, andere Menschen darin zu inspirieren, sich von Einschränkungen freizumachen, die ihnen bloß eingeredet werden. Mein nächstes großes Ziel? Ich will bei den Paralympischen Spielen 2020 für mein Land antreten. Ich denke, das ist eine große Chance, andere Menschen zu ermutigen.
Ich würde gerne jedem Einzelnen von euch helfen seine Ziele zu erreichen. In meinem Buch „Blind Ambition: How to Envision Your Limitless Potential and Achieve the Success You Want“ könnt ihr meine ganze Geschichte lesen.
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