Die Tage sieht er nur noch verschwommen. Was Donnerstag oder Samstag war – komplett unwichtig.
Lukas Müller ist mit fünf Kumpels einmal durch Deutschland gelaufen. Von Aventoft an den Tegernsee. Nicht irgendwie, sondern als Staffel so schnell wie möglich. Mit einer Enduro von Garmin als Staffelstab-Smartwatch. Das Erlebnis? Ein Fiebertraum. Der Tag wurde nicht mehr in Stunden gezählt, sondern in Läufen.
Wie geht es den Beinen dabei – und dem Kopf? Und wie fühlt man sich im Ziel? Lukas nimmt dich im ersten Interview mit und gewährt Einblick in sein Innenleben.
Beat Yesterday: Lukas, du bist mit fünf anderen Verrückten einmal durch Deutschland gelaufen. Von Nord nach Süd. 1.085 Kilometer. Wie fühlt man sich danach?
Lukas Müller: Vor allem müde. Ich habe in der ersten Nacht danach 12 Stunden geschlafen. Wollte eigentlich noch mit meiner Freundin einen Film gucken. Zwei Minuten habe ich davon geschafft.
Beat Yesterday: Also hast du in der ersten Nacht danach mehr geschlafen als in den dreien davor?
Lukas Müller: Ja, absolut. Ich hatte vielleicht zwei Stunden normalen Schlaf in den Nächten.

Beat Yesterday: Definiere „normalen Schlaf“?
Lukas Müller: Der Schlaf, bei dem man sich ins Bett legt und wirklich entspannt die Augen zumacht. Ansonsten bin ich häufiger zwischendurch weggenickt. Mal für eine Sekunde, mal aber auch für zehn Minuten. Der Körper war einfach nur erschöpft.
Beat Yesterday: Smartwatches von Garmin messen ja nicht nur deine Schlafzeit inklusive aller relevanten Schlafphasen. Sie berechnen auch die Erholungszeit nach einer Aktivität. Was hat dein Forerunner ausgegeben?
Lukas Müller: 65 Stunden Erholungszeit. Eigentlich überraschend wenig. Dafür ist meine Trainingsbereitschaft ganz unten im tiefroten Keller. Zu wenig Schlaf. Zu viel Stress. Und 190 Kilometer in den Beinen.
Beat Yesterday: Über die Beine haben wir noch gar nicht gesprochen. Wie geht’s denen?
Lukas Müller: Überraschend gut. Ich brauchte auch nur drei Ibuprofen mit 400 Milligramm, weil der Fuß etwas wehtat. Ansonsten bin ich ohne größere Blessuren durch das Rennen gekommen.
Beat Yesterday: Nimm uns mit auf die Strecke. Wann war es richtig finster?
Lukas Müller: Mental betrachtet: Immer nach dem Aufstehen. Der Körper ist erschöpft, er schläft sofort ein, er denkt wirklich: Okay, das war es, jetzt habe ich Pause. Und dann muss man ihn wieder zwingen, weiterzumachen. Das war extrem schwierig. Besonders nach der zweiten Nacht war ich richtig im Tief. Ich habe nur gezittert, weil es so kalt war. Da fragt man sich bei minus 10 Grad Celsius schon, was man da eigentlich tut.

Beat Yesterday: Was war das High?
Lukas Müller: Ganz klar, als wir Nürnberg erreicht hatten. Da bekam das Ziel eine Kontur, man konnte seine verbliebenen Läufe bis ins Ziel runterzählen. Auch komme ich aus der Ingolstädter Ecke. Es gab endlich vertraute Kennzeichen, meine Freunde waren an der Strecke. Meine Freundin stieg im Van dazu. Das hat alles einen riesigen Push gegeben.
Beat Yesterday: Ihr seid vor allem nachts gelaufen, die Tage waren nur etwas mehr als acht Stunden „lang“. Hattet ihr auch die eine oder andere unerwünschte Begegnung? Ich denke an Wildtiere.
Lukas Müller: Da gab es keine Probleme, es war eher der Straßenverkehr. Wir sind gerade nachts auch über Bundesstraßen gelaufen, ohne Radweg. Da dürfen die Autos 100 km/h fahren. Klar, nachts war weniger los, aber trotzdem schoss einem so manches Mal ein Auto entgegen. Wir hatten bunte Leuchtwesten an, liefen entgegen der Fahrtrichtung auf der linken Seite. Und trotzdem hatte man manchmal ein flaues Gefühl.

Beat Yesterday: Noch eine andere Herausforderung: Sechs Jungs auf wenig Raum. Dauermüde. Dauerstress. Da kann es zwischenmenschlich knatschen.
Lukas Müller: Wir hatten nur gute Vibes. Das war alles super, haben uns unterstützt. Gab kein einziges Mal Ärger. Das Erlebnis hat uns noch näher zusammengebracht.
Beat Yesterday: Hat dich jemand aus dem Team besonders beeindruckt?
Lukas Müller: Alle haben performt. Keine Schicht fiel aus. Alle waren da, wann immer sie da sein mussten. Wer aber besonders krass war: Max Rahm. Der ist auch bei Kilometer 1.081 noch unter vier Minuten pro Kilometer gelaufen. Der hat da eine Drei-Komma-irgendwas-Pace hingelegt. Eine Maschine, der Kerl.

Beat Yesterday: Was war die beste Verpflegung der Reise?
Lukas Müller: Eine Salami-Pizza. Nicht besonders gut, aber warm, mit viel Käse. Die hat mich ins Leben zurückgeholt. Die hat nicht nur durch Kalorien Energie gegeben. Und in der letzten Nacht habe ich bestimmt zehn Red Bull getrunken. Der Körper verlangte förmlich nach jedem kleinen Wachkick.
Beat Yesterday: Wenn man mehr als 1.000 Kilometer durch Deutschland rennt – was fällt einem da auf?
Lukas Müller: Wie groß dieses Land ist. Und wie unterschiedlich, vor allem architektonisch. Schade, dass es so oft dunkel war. Wir haben nicht alles gesehen.

Beat Yesterday: Was auch verrückt ist: Oft kann man so ein Highlight gar nicht genießen, weil im Moment des Zieleinlaufs das ganze Adrenalin weg ist. Auch das Dopamin war schon ordentlich rausgeballert. Wie war es bei dir?
Lukas Müller: Ich kam im Ziel an und dachte: Boah, bin ich leer. Ich konnte gar keine Emotionen entwickeln. Der Körper war vier Tage im Fluchtmodus. Jetzt, wo er ankam, hatte er anderes zu tun, als sich groß zu freuen. Ich realisiere erst jetzt, was wir da eigentlich geschafft haben.
Beat Yesterday: Zum Abschluss: Was nimmst du dir als Nächstes vor?
Lukas Müller: Ich muss das Projekt erst mal verarbeiten. Gestern Abend im Hotel bin ich nachts aufgewacht und wollte laufen. Also nicht im Sinne von Wollen, aber ich dachte, ich muss ja. Ich muss jetzt aufpassen, dass da kein Trauma entsteht.









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