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Radfahren mit Handicap: Viel harte Arbeit

Mit der Teilnahme an den Paralympischen Spielen erfüllte sich Yvonne Marzinke ihren Lebenstraum. Die Österreicherin wollte in Tokio nicht nur Medaillen nachjagen, sondern eine wichtige Botschaft vermitteln.

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4.300 Plätze blieben leer. Obwohl die Athlet*innen auf der 250 Meter langen Holzbahn aus sibirischer Fichte Weltrekorde pulverisierten, Freudentränen vergossen und einzigartige Geschichten schrieben, war es fast still.

Für Yvonne war das fehlende Publikum nur ein kleiner Wermutstropfen. Allein schon auf der Olympiabahn im Velodrome wetteifern zu dürfen, war ein „sensationelles Gefühl“, wie die Österreicherin erklärt. Ein alles andere als selbstverständliches Gefühl.

Seit ihrer Geburt trotzt Yvonne einigen Beeinträchtigungen. Durch eine sogenannte Erb’sche Lähmung hat sie im linken Arm weniger Kraft. Dazu kommen ein verkürztes rechtes Bein, ein steifes Sprunggelenk und eine Fehlstellung des Fußes. Wenn Yvonne auf dem Rad sitzt, fallen diese Dinge kaum auf. Blitzschnell rast die Top-Athletin über die Bahn.

Ihr Ehrgeiz und die Liebe zum Fahrrad verhalfen ihr zu ihrem Debüt bei den Paralympischen Spielen 2021 in Tokio. Mit ihrer Teilnahme wollte Yvonne eine wichtige Botschaft vermitteln. Welche das ist – das verrät sie im #BeatYesterday-Interview.

Yvonne Marzinke beim Telefonieren bei den Paralympics
Yvonne Marzinke ist Werbeträgerin für den paralympischen Sport in Österreich. © GEPA pictures

#BeatYesterday.org: Du hast eine angeborene Behinderung, die deine Kraft in den Armen und Beinen stark beeinträchtigt. Auch dein Gleichgewichtssinn leidet darunter. War das als Kind ein Problem für dich?

Yvonne Marzinke: Ich war auf ganz normalen Schulen und ein Kind wie alle anderen. Mich hat das alles nicht so sehr beeinflusst. Natürlich gab es Momente, in denen die anderen Kinder gemein waren. Es kamen Fragen wie: „Warum geht die so komisch?“ oder „Was ist mit ihrem Arm?“ Meine Eltern haben mir aber immer vorgelebt, was wichtiger ist. Am Leben teilnehmen, zur Schule gehen. Vor allem: Kind sein. Das gelang mir am besten auf dem Fahrrad.

#BeatYesterday.org: Erinnerst du dich an dein erstes Fahrrad?

Yvonne: Es war eines mit Stützrädern. Damals, als ich aufwuchs, gab es noch keine Laufräder für Kinder. Deshalb ging es direkt aufs Fahrrad. Irgendwann montierten wir die Stützräder ab. Dann wird es für ein Kind erst richtig spannend. Ich hatte aber immer Spaß. Auch neben dem Berufsleben blieb das Radfahren mein intensivstes und liebstes Hobby.

#BeatYesterday.org: Aus einem Hobby in der Kindheit wuchs eine Leidenschaft, die dich bis in den Leistungssport führte. Wie verlief dein Weg bis zum ersten Profi-Wettkampf?

Yvonne: Das war ein Zufall und gar nicht geplant. Für mich war das Fahrrad ein Fortbewegungsmittel und meine Freizeitbeschäftigung. Dann nahm ich an den „World Games of Mountainbiking“ in Saalbach-Hinterglemm in der Handicap-Wertung teil. Ein Hobbyrennen. Dabei fiel ich Sportler*innen aus dem Bayerischen Landeskader für Behindertensport auf. Nach dem Rennen sprachen sie mich an und weckten mein Interesse. Ich wusste vorher nicht, dass es solche Kader überhaupt gibt. Ich sah mir die Trainingsbedingungen, den Aufbau und das Konzept an und sagte zu. Der Landeskader förderte mich und ermöglichte mir die Teilnahme an der Paracycling-WM 2007 in Bordeaux.

#BeatYesterday.org: Viele weitere Wettkämpfe folgten. Was gibt dir der Sport und das Wettkampfgefühl?

Yvonne: Der Sport war immer meine Möglichkeit, an der frischen Luft zu sein, mich zu bewegen. Wenn ich durch die Natur radle, kann ich abschalten. Und ich habe durch den Sport viele tolle Menschen kennengelernt, die wie eine Familie für mich sind. Wir kommen aus den verschiedensten Ländern und freuen uns jedes Mal, wenn wir uns bei Wettkämpfen treffen. Alle ticken gleich. Über sehr viele Grenzen hinaus ist eine tolle Gemeinschaft entstanden.

Wettkämpfe motivieren mich noch zusätzlich. Mich reizt es, zu sehen, was ich leisten und wie ich mich – trotz meiner Behinderung – sportlich entwickeln kann. Dazu braucht es zwar viel Zeit und Geduld, aber all das, was ich seit meinem Einstieg in den Profisport erreichen konnte, macht mich stolz. Das betrifft nicht nur das Radfahren, sondern auch, wie ich im Alltag mit manchen Hindernissen zurechtkomme.

#BeatYesterday.org: Gab es in dieser Entwicklung einen Moment, in dem du dich selbst überrascht hast?

Yvonne: Die gibt es immer wieder. Es ist spannend, was ich durch regelmäßiges Training erreichen kann. Daraus schöpfe ich neue Motivation. Das gebe ich gern an andere weiter. Ich möchte zeigen, wie viel möglich ist. Bei mir sind es die kleinen Erfolge, die Außenstehende meist gar nicht wahrnehmen. Aber ich spüre sie und das ist das Wichtigste.

#BeatYesterday.org: Wie sehen diese kleinen Erfolge aus?

Yvonne: Wenn ich nach monatelangen Athletik- und Gleichgewichtstrainings ein paar Sekunden mehr allein auf meinem kaputten Bein stehen kann. Das sind große Glücksgefühle.

#BeatYesterday.org: Anderes Thema: Warum trittst du für Österreich an?

Yvonne: Ich lebe seit 2005 am schönen Mondsee und bekam 2017 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Das lockerte meine innerliche Zerrissenheit zwischen Deutschland und Österreich. Im selben Jahr stellte mich das Bundesheer als Heeresportlerin an. Eine Überraschung für mich. Seitdem kann ich mich voll auf das Training fokussieren. Ich weiß diese Chance sehr zu schätzen.

#BeatYesterday.org: Wie angesehen ist der Behindertensport in Österreich?

Yvonne: Die Situation ähnelt der in Deutschland. Der Behindertensport ist lange nicht so präsent wie die Sportarten für Sportler*innen ohne Beeinträchtigungen. Die Entwicklung nimmt aber eine gute Richtung. Das ist viel Arbeit für uns. Wir wollen verdeutlichen, wie viel wir investieren, eben weil es Behindertensport ist. Bei uns funktioniert nicht alles problemlos. Wir brauchen Sonderanfertigungen, neue Materialien und vor allem Zeit.

Natürlich sind die Paralympischen Spiele immer ein Highlight, aber sie finden eben nur alle vier Jahre statt. Die Anzahl der Berichte über die anderen Wettkämpfe ist gering. Damit sich das ändert, leisten wir alle unseren Beitrag. Ich nutze dafür meine Webseite und Social-Media-Plattformen. Dort zeige ich, dass ich genau wie andere Leistungsportler*innen bei Regen trainiere, unzählige Stunden im Kraftraum schwitze oder mein Material sorgfältig pflegen muss. Zu unserem Sport gehören so viele Dinge, die Außenstehende nicht sehen. Wir leisten dasselbe – und manchmal noch mehr – wie andere Profis. Diese Botschaft will ich verbreiten.

#BeatYesterday.org: Ein großer Teil deines Alltags ist dein Training. Woran musst du neben dem Radfahren arbeiten?

Yvonne: Es kommt vieles zusammen. Ich trainiere häufig meine Kraft, damit meine Muskeln im Wettkampf durchhalten. Hinzu kommen Athletiktrainings, Gleichgewichts- und Stabilisationsübungen und ganz wichtig ist das Dehnen. Dadurch bleibe ich beweglich. Auch Massagen und Physiotherapie gehören zum ambitionierten Sport.

#BeatYesterday.org: Bei deinen Workouts und in Wettkämpfen nutzt du Geräte von Garmin. Wie profitierst du von ihnen?

Yvonne: Sie ermöglichen meinem Trainer und mir eine optimale Trainingssteuerung. Nach jedem Training oder Wettkampf analysieren wir die Daten. Wir achten auf meine Wattzahl in Relation zum Puls, betrachten meine Trittfrequenz und beobachten die Entwicklung meiner Leistungsdaten. Ich könnte mir keinen besseren Support vorstellen. Die Werte, die mein Garmin Edge anzeigt, motivieren mich bei jeder Einheit.

#BeatYesterday.org: Was sind deine sportlichen Pläne für die Zukunft?

Yvonne: Ich möchte 2022 wieder beim „King of the Lake“ am Attersee starten und mit meinem Team eine optimale Vorbereitung absolvieren. Dieses Jahr entstand alles sehr spontan. Der Wettkampf reizt mich, weil ich im Team und zusammen mit Sportler*innen ohne Beeinträchtigung fahren kann. Und natürlich sind die Paralympischen Spiele 2024 in Paris ein großes Ziel von mir, genauso wie die kommenden Weltmeisterschaften.

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Über diesen Artikel

Kevin Berg © Redaktion

Autor:

Kevin Berg

Kevin Berg ist seit 2019 #BeatYesterday-Redakteur mit vielen Interessen. Als Journalist wurde Kevin an einer …

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