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Footballer-Fitness: Die Wagenheber

Wie fit muss ich sein, um in Europa halbwegs professionell Football zu spielen? Diese Frage stellen sich viele Footballfans vor dem Draft Day in der NFL. Ich habe die Antwort gesucht.

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Auf einmal ist es still. Das metallene Klirren ist verstummt. Es ächzt nur noch ein Mann auf der Hantelbank.

Dann wird es wieder laut. Es wird gebrüllt und geklatscht. Bis es wieder klirrt. Lippen zählen mit, jedes Mal, wenn die mit schweren Ringen beladene Eisenstange (100 Kilo) emporgestreckt wird: 31, 32, 33, 34, 35. Und 36! Ein letztes, kräftiges Stöhnen, das sich schnell im Getümmel verliert.

Mario Baierl, 45 Jahre alt, ist der Mann auf der Hantelbank. Ein körperliches Quadrat, das sich aus Muskeln und Sehnen aufspannt. Manche nennen ihn den „Wagenheber”. Baierl ist womöglich der Mann, der in Norddeutschland am längsten Football spielt. Er geht dieses Jahr in seine 28. Saison. In dieser Zeit riss er sich beide Bizeps, die Achillessehne und das Kreuzband. Der Rücken schmerzt morgens nach dem Aufstehen. Doch steht Baierl da, die Muskeln aufgepumpt, den Nacken leicht geneigt. „Ich liebe dieses Spiel. Es füllt mich aus, mit den Jungs draußen auf dem Spielfeld zu fighten”, sagt er.

Mein persönlicher Draft Day

Ich besuche die Footballer der Rostock Griffins in einer alten Leichtathletikhalle. Der Putz an den Wänden ist an manchen Stellen abgeplatzt, es riecht nach altem und nach neuem Schweiß. Ich bin hier, weil ich herausfinden will, wie fit ich sein muss, um bei den großen Jungs in Europa auf akzeptablem Amateur-Niveau mitzuspielen.

Football wird immer beliebter. Viele Millionen schauen mittlerweile die Spiele im Fernsehen. Der Super Bowl erreicht sogar Sportmuffel. Viele stellen sich die gleiche Frage: Kann ich das auch, zumindest ein bisschen?

Dieser Sonntag, Ende März, ist ein guter Tag, um Antworten zu finden. Er ist die erste Etappe meines persönlichen Football-Draft-Days. Die Griffins, ein ambitioniertes Team in der GFL 2 (zweite deutsche Liga), halten ihr internes Combine ab. Bei diesem Event werden wichtige Fitnesswerte gemessen. In fünf Disziplinen testet der Sportwissenschaftler und Chefcoach Christopher Kuhlfeldt die athletischen Grundlagen seiner Athleten.

Die fünf Übungen beim Griffins-Combine

Der 40-Yards-Dash: Ein ein kurzer, knackiger Sprint. Die Zeitmessung beginnt, wenn der Sportler lossprintet; es braucht keinen Startschuss. Beim 40-Yards-Dash wird die Beschleunigung der Sportler gemessen. Sie ist auf fast allen Positionen im Football wichtig. Die besten Athleten erreichen in den USA eine Zeit von 4,3 Sekunden. Jede Zeit unter 4,5 Sekunden ist für Spieler mit Sprintaufgaben gut.

Standweitsprung: Wie weit können Athleten ohne Anlauf springen. Die Sprungkraft wird in den USA horizontal und vertikal gemessen. Der beste Weitspringer in Rostock: Cameron Fuller. Er erreichte 3 Meter.

Benchpress: Wie oft kann ein Athlet gut 100 Kilo in die Luft stemmen? Das Bankdrücken offenbart die Kraftausdauer der Athleten. Der Rekord liegt bei 51 Wiederholungen, insgesamt knackten seit Anbeginn der Tryouts nur 18 Athleten die 40er-Marke. Das Bankdrücken verrät auch, wie fleißig die Talente im Kraftraum waren.

3-Cone-Drill: Ist ein sogenannter L-Lauf, der die Agilität und die koordinativen Fähigkeiten schult.

Shuttle-Run-Drill: 20 Yards werden maximal mühsam erlaufen. Zweimal muss der Athlet nämlich in die Knie gehen und stoppen, dann sofort wieder starten. Dieser Test zeigt, wie schnell Spieler abbremsen und wieder durchstarten können.

Im US-Sport ist das Combine wichtig, um die Leistungsstärke der Nachwuchsspieler zu evaluieren. Bei diesem Event, das mehrere Wochen vor dem sogenannten NFL-Draft (hier dürfen die Profiteams die besten Nachwuchsspieler der Reihe nach verpflichten) stattfindet, begann so manche Karriere. Andere Träume zerschellten hingegen auf der Hantelbank. Gerade beim Bankdrücken schauen Scouts, die Talentsucher und Beobachter, besonders hin. Es zeigt, wie fleißig die Nachwuchssportler im Fitnessraum waren. Football spielen, das werde ich heute lernen, ist vor allem eines: Fleiß und harte Arbeit.

5 Mal die Woche Training

Mario Baierl trainiert bis zu fünf Mal die Woche. Zweimal fährt er aus Neubrandenburg nach Rostock, gut zwei Stunden sitzt er nach Feierabend im Auto. Pro Strecke. Dazu kommen Einheiten im Fitnessstudio, wo er sich die Kraft für die Saison holt. Und in der Saison sind da noch die Spiele an den Wochenenden. Manchmal geht es auswärts bis nach Nordrhein-Westfalen. „Ohne meine Familie ginge das alles nicht. Sie ist meine Insel. Dort bekomme ich die Kraft und die Unterstützung, die ich für den Sport brauche”, sagt Baierl.

Mario Baierl
Seine Teamkollegen nennen ihn „Vati” und „Papi”. Mario Baierl (Vordergrund) ist ein Führungsspieler im Griffins Kader. Er kümmert sich um die jungen Athleten. ©Thomas Klütsch/ Rostock Griffins

„Als ob die Brust platzt”

Baierl ist bei den Griffins ein wichtiges Mitglied der Football-Familie. Sie nennen ihn „Vati” oder „Papi”. Nicht nur, weil er der älteste Spieler ist. Sondern, weil er sich kümmert. Während die anderen großen schweren Jungs aus der Offensive- und der Defensive-Line die Gewichte stemmen, steht Baierl als Absicherung daneben. Er pusht seine Jungs. Scheitern sie mit rausgedrückten Adern an ihrem Ziel, am Gewicht, tröstet er mit einer bärigen Umarmung. Denen, die erfolgreich sind, kneift er anerkennend in die Wange. Zum Beispiel Philipp Weltzien, ein Student. 2,05 Meter groß. „Bam Bam”, wie sie ihn nennen, reckt die 100 Kilo ganze 23 mal nach oben. Vor zwei Jahren lag sein Bestwert bei fünf Wiederholungen. Wie sich der 23. Stoß anfühlte? „So, als ob gerade meine Brust platzt”, sagt Weltzien.

Dieser Fitnesstest beugt vor, damit genau das nicht passiert. Verletzungen. Er zeigt, wie sich die Spieler und ihre Leistungsfähigkeiten entwickeln, für welche Belastungen ihre Körper gemacht sind. „Seitdem Coach Kuhlfeldt trainiert, haben wir schwerwiegende Verletzungen um über 30 Prozent reduziert”, sagt Jens Putzier, der Manager.

Putzier war früher selbst Spieler. Seitdem er aufgehört hat, kümmert er sich um den gesamten Verein. Er wirbt an Schulen um Nachwuchs für das kontaktlose Flagfootball, den Einstiegssport in den American Football. Er trommelt Sponsoren zusammen, scoutet und verpflichtet Spieler, erörtert Kooperationen mit anderen Vereinen und Bildungseinrichtungen. An diesem Nachmittag verteilt er die Mitgliederpässe an die Spieler. Doch eigentlich ist Putzier Polizist. Die Griffins sind auf dem Papier nur sein Hobby. Glauben kann das niemand.

Jens Putzier auf dem Platz
Manager, Marketer, Macher – und Polizist. Jens Putzier ist ein wichtiger Kopf im norddeutschen Football. ©Thomas Klütsch/ Rostock Griffins

Der Explosivitätstest

Putzier nimmt mich mit in die Laufhalle. Dort dehnen und strecken sich die Modellathleten. Wer schlechte Witze mag, könnte sagen: Hier stehen mehr Sixpacks als in der nächsten Tanke.

Das Besondere an American Football ist nicht nur das Verschmelzen der strategischen Finesse eines Schachspiels mit brachialer Athletik. Es ist auch die ungewöhnliche Zusammensetzung der Mannschaft. Spielen in der D-Line und O-Line die bulligen Spieler (zwischen 100 und 140 Kilo), sind andere im Team beinahe Leichtgewichte.

In der Laufhalle absolvieren die Athleten den berühmten 40-Yard-Dash, das sind knapp 40 Meter Vollsprint. Im Football kommt es auf beinahe jeder Position auf den Antritt, die Explosivität an. Und genau die wird hier gemessen.

Davin Inzinyon beim Sprint
Auf der Position des Middle Linebackers braucht es Kraft und Schnelligkeit. Davin Inzinyon (vorne) vereint beide Elemente in atemberaubende Energie. ©Thomas Klütsch/ Rostock Griffins

Eine Mannschaft voller Sprinter

Einer der spektakulärsten Sprinter ist David Inzinyon. Ein Brite mit nigerianischen Wurzeln, sie nennen ihn den „Löwen”. Und wie ein afrikanisches Raubtier stolziert der Linebacker auf der Tartanbahn zum Sprintstart. Die Schultern breit, der Oberkörper aufgepumpt. Trotzdem spurtet der Defensivspieler diese 40 Yards in einem atemberaubenden Tempo.

Fast ein Drittel der Griffins läuft die 40 Yards in weniger als 4,8 Sekunden. Das ist ein guter Wert. Eine Mannschaft voller Sprinter. Der schnellste ist Patrick Piel, ein junger Student mit weichen Gesichtszügen. Piel braucht nur 4,5 Sekunden. Er ist sogar schneller als die sogenannten Importspieler aus den USA. Sie reisen nur für die Saison nach Deutschland, arbeiten im Verein oft nebenbei als Trainer. So sammeln sie wichtige Referenzen für eine Karriere als College- oder Highschool-Trainer in ihrer Heimat. In den Staaten sind das gut bezahlte Jobs.

Sprinter David Piel steht auf einem Siegertreppchen
Der Schnellste unter den Schnellen: Sprinter David Piel (Mitte). Eigentlich ist er Student. ©Thomas Klütsch/ Rostock Griffins

Zwei Jahre Training für den Kader

Piel kann mit den Jungs aus Übersee mithalten. Nur ein Vergleich: Die beste Zeit bei den NFL-Talenten stellte im März 2019 Parris Campbell von der Ohio State University auf. Er brauchte nur 4,31 Sekunden. Piels Zeit hat Top-Niveau.

Manager Putzier freut das besonders. Er sagt: „Jede Zweitligamannschaft hat gute Importspieler. Den Unterschied machen deshalb die einheimischen, die lokalen Spieler. Ihre Leistungsstärke bestimmt, wie gut oder schlecht eine Mannschaft in der Saison abschneidet.”

Die meisten der Footballer, die hier mit der Zeit und der Schwerkraft kämpfen, kennt Putzier seit Jahren. Entweder, weil sie alte Teamkollegen sind oder weil er sie als junge Talente an Schulen für das Flagfootball-Programm gewann. Einige müssen im Männerbereich zwei, drei Jahre warten und hart trainieren, ehe sie es überhaupt in den Kader schaffen. Der Weg von den Tryouts, den Bewerbungstraininigs für Laien, hin zum Zweitliga-Football ist lang. Putzier sagt: „Viele haben die nötige Athletik oder zumindest die Veranlagung. Aber Football ist ja viel mehr. Sie müssen auch das Spiel verstehen. Das dauert oft Jahre.”

Ich bin ein Lauch

Ich selbst verstehe das Spiel, etwas zumindest. Seit ein paar Jahren schreibe ich für Medien wie ZEIT ONLINE über Football und darf den Super Bowl livetickern. Doch da hört es auf. Ich wiege 97 Kilo auf 1,83 Meter, ich war mal fit und ein flinker Halbmarathon-Läufer. Doch das ist viele Döner mit Pommes her. Mein Bestwert beim Bankdrücken liegt frei bei 80 Kilo, in der Multipresse gelangen mir mal mehrere Wiederholungen mit 120. Auch das ist zu wenig. Beim letzten Sprint, den ich auf einer Laufbahn zog, brach ich mir das Schlüsselbein, weil ich die Brust zu weit rausstreckte. Ich wollte Erster sein. Man kann sagen: Ich bin nur ein Lauch.

Die letzte Station des Trainings ist in einer kleinen Turnhalle. Hier markiert einer der Assistenztrainer den Boden mit Paketklebeband. Bei dem sogenannten 3-Cone-Drill und dem Shuttle-Run-Drill wird die Agilität getestet. Wer Hüften aus Blei besitzt, wird hoffnungslos enttarnt. Drei Gruppen absolvieren den Test parallel. Ihre Schuhe schaben über den Boden, es quietscht wie früher im Sportunterricht beim Völkerball.

Mein eigenes Combine

Mario Baierl ist bereits fertig und lehnt am Pfosten des Handballtores. Die Bewegungen seiner Teamkollegen mustert er genau, als versuche er, selbst noch etwas dazu zu lernen. Er erklärt: „Agilität ist für mich sehr wichtig. Die Muskeln und die Kraft nützen mir nichts, wenn ich sie nicht bewegen kann”.

Baierl imponiert mir. Er ist ein Vorbild auf und neben dem Platz. Seinem Ehrgeiz und Fleiß möchte ich nacheifern. Zumindest ein bisschen. Auch wenn ich nur scheitern kann – ich werde mein eigenes Combine machen. Ich werde mich selbst testen. Einmal fühlen, wie schwer 100 Kilogramm ohne die Führungsschienen der Multipresse sind. Bekomme ich sie überhaupt einen Zentimeter gehoben? Manchmal müssen Ergebnisse vielleicht auch weh tun, um nachhaltig zu motivieren.

Der Selbstversuch-Combine – zum Mitleiden und Mitmachen. Bald auf #BeatYesterday.

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20.11.2018

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