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Gegner Schmerz: Das Privileg zu laufen

Carsten Stegner ist einer der besten deutschen Ultraläufer. Selbst, als das Knie schmerzt. Doch plötzlich droht nicht nur eine Verletzungspause, sondern das Ende der Laufbahn. Seine Story über einen schmerzhaften Fehler und ein neues Privileg.

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Zwei Stückchen Käsekuchen. Damit habe ich mich früher jeden Tag für meine Trainingskilometer belohnt. Das war mein Ritual, meine Belohnung und Motivation. Kuchen nach dem Training – es gibt für mich kaum etwas Besseres.

Doch im vergangenen Jahr habe ich so wenig Kuchen gegessen wie lange nicht. Mein Körper brauchte diese Energie nicht mehr. Ich hatte keinen Appetit darauf. In diesem einen Jahr bin ich nicht gelaufen. Ich war verletzt. Von Oktober bis September. Ein beinahe komplett aufgeriebener Knorpel im Knie und ein kaputter Meniskus machten das Laufen unmöglich und das Gehen zur Herausforderung. Einige Ärzte sagten, Ultradistanzen und du, das wird nichts mehr. Niemals wieder. Der Schmerz dieser Worte wummerte im Kopf mehr als im Knie.

Laufen ist meine Leidenschaft. Ich laufe am liebsten lange Strecken und das bevorzugt schnell. Den Körper richtig quälen, alles rausholen, das Adrenalin spüren – dabei spüre ich Glück.

Ich feierte Erfolge auf der Strecke und wurde mehrmals Deutscher Meister über Ultradistanzen. Ich erlebte einige fantastische Rennen, sammelte Erinnerungen für mein Leben. Einmal gewann ich ein Sechs-Stunden-Rennen, obwohl mein Magen grummelte, ich mich furchtbar fühlte. Aber ich hielt die Pace. Ich zog durch.

Carsten Stegner beim Einlauf ins Ziel bei einem Lauf über 100 Kilometer
Die Freude des Sieges. Hier bejubelt Carsten Stegner einen Sieg über 100 Kilometer. © privat

Schmerzen ausblenden – ein Fehler?

Dass es so gut für mich lief und dass ich gerne durchzog, war am Ende ein Problem. Ich merkte es relativ früh im Oberschenkel zwicken. Dann machte das Knie Probleme. Ich ignorierte den Schmerz, blendete ihn aus. Als Ultraläufer, der über viele Kilometer seine Geschwindigkeit halten muss, egal wie sich der Körper anfühlt, habe ich zahlreiche Strategien gegen den Schmerz entwickelt. Ich suche Fixpunkte in der Natur. Zähle Dinge, Menschen am Streckenrand zum Beispiel. Ich stelle mir Matheaufgaben. Wie viele Kilometer noch? Wie viele Laufbahnrunden, 400 Meter, habe ich jetzt schon geschafft? Den Schmerz rechne ich mir weg. Ich ignoriere ihn.

Doch diese Schmerzen verschwanden nicht. Sie wurden schlimmer. Ich lief im Jahr 2018 nicht wie gewöhnlich etwa 5.000 Kilometer, sondern nur ein Viertel davon. Ich spürte, dass die Schmerzen keine Kleinigkeit, sondern ein großes Problem waren. Trotzdem schob ich den Gang zum Arzt immer weiter auf, weil ich mich vor der Diagnose fürchtete. Als ich nach China zu einem Rennen eingeladen wurde, sagte ich trotz meiner Probleme zu. Ich quälte mich durch 50 Kilometer. Und dann ging gar nichts mehr.

Totalschaden im Knie

Der Besuch beim Arzt brachte das erwartbar fatale Ergebnis: Totalschaden im Knie. Vielleicht nie wieder so laufen wie früher. Wenn überhaupt laufen, befürchteten die Ärzte. Mein Glück war, dass ich einen Mediziner fand, der etwas anderes sagte: „Es wird schwierig, aber wir kriegen das hin.”

Mein Arzt weiß, wie ein Sportler tickt. Er wusste, dass mein Schmerz vordergründig im Kopf saß und ich nach der Diagnose vor allem Hoffnung und Mut brauchte. Freunde und Familie bestärkten mich ebenso. Sie sagten: Du hast doch früher auch alles durchgezogen. Dann schaffst du das jetzt auch. Irgendwann begann ich, ihnen zu glauben.

Carsten Stegner bei Reha Übungen nach seiner Verletzung.
Von der Straße in die Reha: Eine harte und lehrreiche Zeit. © privat

Gesund werden – ein harter Prozess

Genesen – das war zunächst viel härter, als ich dachte. Die Operation. Die Schmerzen an manchen Tagen. Die dämmernde Ungewissheit im Kopf. Und dann der Bewegungsdrang, den ich nicht mehr stillen konnte. An das neue Leben ohne Laufen musste ich mich gewöhnen. Auch Schwimmen und Fahrradfahren waren erst mal tabu. Ich trainierte viel den Oberkörper und merkte, wie wichtig dieses Training für meine Stabilität ist. Ein gut trainierter Rumpf hilft Läufern, um präventiv Verletzungen zu vermeiden. Das hatte ich in den Jahren zuvor nicht immer beherzigt.

Mein Glück im Unglück war zudem, dass sich mein Knie nicht durch ein Trauma, sondern durch den Verschleiß verletzt hatte. Ich wurde in der Leistung nicht von 100 auf 0 abgebremst. Mein Körper hatte ja schon durch Signale dafür gesorgt, dass ich weniger lief. Für mein Läuferherz war es rückblickend wichtig, dass ich nicht aus meinem Leistungsmaximum in dieses Verletzungsloch gefallen bin. Auf einem Ergometer mit Pedalen für die Arme konnte ich sogar ein bisschen abtrainieren, auch wenn das mühsam war. Mir fehlte es nicht an Kondition, sondern an Kraft-Ausdauer in der Armmuskulatur. Läufer eben.

Carsten Stegner macht Krafttraining, um seine Beinmuskulatur aufzubauen.
Eine Folge der langen Pause: Die Beinmuskulatur bildete sich trotz Krafttraining zurück. © privat

Ernährung: Gewicht halten ohne Verzicht

Auch half mir in dieser Phase der Tick, dass ich mich während des Trainings nie besonders ernährt hatte. Ich aß nicht nach einem Plan, den ich nun hätte aufgeben müssen. Auf etwas Bestimmtes zu verzichten oder zu viele Vorschriften im Alltag zu haben – das hätte mir die Freude am Laufsport genommen. Ich vertraue auf meinen Körper. Er sagt mir, was er braucht. Im Supermarkt ließ ich mich auch während der vollen Trainingsbelastung oft vom Appetit leiten. Bekam ich am Schokoladenregal einen feuchten Mund, besorgte ich mir eine gesündere Alternative für etwas Süßes. Reizte mich Fast Food, suchte ich mir bessere Kohlenhydrate.

Während meiner lauffreien Regenerationsphase machte ich also keine spezielle Diät. Ich aß automatisch deutlich weniger. Die Süßigkeiten verführten mich nur noch selten. Am Ende der Verletzungspause hatte ich das gleiche Gewicht wie vor dem Trainingsstopp. Null Kilo Unterschied. Nur Muskelmasse hatte ich an Beinen verloren und dafür rund um die Hüfte etwas zugelegt. Dort, wo die Haut vorher ledrig spannte, hatte sich weicheres Gewebe angesetzt.

Der erste Lauf nach über zwölf Monaten

Nach zwölf Monaten voller Arztbesuche, Reha und Oberkörpertraining konnte ich wieder laufen. Das allerdings erst mal nur mit technischer Unterstützung. Auf einem sogenannten Anti-Gravitations-Laufband startete ich mit verringertem Körpergewicht. Ich lief quasi auf dem Mond. Ich begann bei 50 Prozent und steigerte mich Woche für Woche, Prozent für Prozent. Als ich auf dem Laufband bei 90 Prozent meiner Körpermasse ankam, plante ich den ersten richtigen Lauf.

Ich war voll motiviert. Auf dem Anti-Schwerkraft-Laufband war es mir selbst mit dem steigenden Gewicht richtig gut ergangen. War ich endlich fit, bereit für die Straße oder den Wald?

Dann lief ich das erste Mal aus der Tür und dachte: Da geht ja gar nichts. Fünf Kilometer waren eine Qual. An die Zehner-Marke war zunächst nicht zu denken. Der Weg, der am Ende der Regenerationsphase überschaubar erschien, erstreckte sich nun noch viel länger vor mir. So, als ob du denkst, dass auf dem Berg vor dir das Ziel liegt und du erst dort oben auf dem Gipfel erkennst, wie weit es wirklich noch ist.

Trotzdem genieße ich jeden Lauf. In Frankfurt bin ich in einer Marathonstaffel 14 Kilometer gelaufen. Ich hatte die Ehre, meine Mannschaft ins Ziel zu bringen. In der Messehalle schallte der Applaus der Besucher. Mich überschwemmte Freude.

Carsten Stegner auf einem Anti-Gravitations-Laufband
Hightech in Nürnberg: Auf einem Anti-Gravitations-Laufband lernte Stegner wieder laufen. © privat

Das Laufen als Privileg

In den vergangenen Monaten habe ich viel gelernt. Zum Beispiel, was es für ein Privileg ist, überhaupt laufen zu können. Und die Chance zu bekommen, es noch einmal versuchen zu dürfen. Wie wichtig Oberkörpertraining für den Läuferkörper ist. Ich habe mir geschworen, nie wieder einen Schmerz auszublenden und das Unvermeidliche vor mir herzuschieben, nur weil ich mich vor den Konsequenzen fürchte. Die Berge werden dadurch noch deutlich höher und steiler.

Heute laufe ich intensiver als früher, auch wenn ich im Moment viel kürzer unterwegs bin. Früher war mein Blick während des Laufs ausschließlich an die Garmin Uhr gebunden. Ich prüfte, ob ich im Zeitplan lief und ob mein Puls stimmte. Heute schweife ich mit meinen Blicken auch mal nach links und nach rechts. Ich genieße meine Umwelt, besonders die Natur.

Und Käsekuchen gibt es auch hin und wieder. Eigentlich fast täglich. Aber vorerst nur ein Stück.

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