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#beat100flow: Ich war nicht allein

Florian Neuschwander knackte den Weltrekord über 100 Kilometer auf dem Laufband. Wie er das Abenteuer nach seiner Erholungspause bewertet, und welche Ziele er nun fokussiert - ein Gastbeitrag.

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Zwischen Kilometer 70 und 85 war es am anstrengendsten. Meine Beine wurden schwer, mein Kopf auch, ich bekam sogar etwas Angst. Verkrampfte gerade meine Muskulatur im Oberschenkel?

Es fühlte sich so an. Ich begann zu rechnen: Wie viele Kilometer noch, wie viele Minuten, wie viele Schritte bis ins Ziel? Wie viel Zeit würde es mich kosten, vom Band zu steigen, meinen Physiotherapeuten herbeizurufen und mich durchkneten zu lassen? Fünf Minuten? Zehn? Mein Physio befand sich tatsächlich in der Nähe. Es war eine Option. Aber würde ich danach wieder das nötige Tempo erreichen, um unter der Weltrekordzeit von 06:39:26 Stunden zu bleiben?

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Verrückte Sachen machen

100 Kilometer auf dem Laufband zu laufen, ist etwas verrückt. Aber ich mag es, verrückte Dinge zu tun. Ich hatte schon einmal den Weltrekord über die 50-Kilometer-Distanz geknackt. Die Bestleistung gefiel mir, einen Weltrekord hält nicht jeder. Als ich mich damals fast zu Ende gefreut hatte, war der Titel auch schon wieder futsch. Andere sind eben schneller. Beim Laufen sollte man sich mit dieser Tatsache arrangieren.

Zu behaupten, es wäre mir allein um diese 100-Kilometer-Marke gegangen, stimmt aber nicht ganz. Ich wollte auch herausfinden, was in mir steckt, was ich aus meinem Körper herausholen und wie schnell ich über sechs Stunden tatsächlich ballern kann.

Florian Neuschwander beim Aufstellen seines Weltrekords auf dem Laufband
Während des Rennens trank Flo mehrere Liter Wasser und Red Bull © Pushing Limits / Garmin

Das Glück des Puffers

Auf dem Laufband hatte ich mich auf dieses Experiment intensiv vorbereitet. Unzählige Male rannte ich im hohen Tempo Strecken zwischen 30 und 60 Kilometer. Bis zu dieser Grenze wusste ich, wie mein Körper auf die Belastung reagieren würde; bis dahin konnte ich mich auf meine Ausdauer verlassen. Aber ich wusste eben nicht, wie sich die Beine eine halbe Stunde später anfühlen würden. Am Weltrekordtag war ich ab dem 75. Kilometer klüger. Verdammt. Es war okay, aber nicht so gut, wie ich es mir erhofft hatte. Über den Physio oder über eine aktive Pause nachzudenken, also nicht mehr 15,6 km/h zu laufen, sondern vielleicht nur 13 oder 12 km/h, half mir in dieser unkomfortablen Situation. Ich hatte Optionen, es gab Alternativen.

Es war mein Plan gewesen, vorzusorgen und mir einen Puffer auf den ersten 50 Kilometern zu erlaufen. Der Platz für eine Pause, einen Toilettengang oder das Auflockern der Muskulatur war jetzt da. Mit dieser Sicherheit verbannte ich die negativen Gedanken. Die Beine dürfen müde werden, der Kopf aber sollte immer wach bleiben.

Ich lief also weiter. Eine Zeit lang nicht mehr mit der maximalen Wucht. Aber ich lief. Aufhören war keine wirkliche Option. Den Schmerz, der sich anbahnte, dieses Zwicken – behielt ich trotzdem im Hinterkopf.

Botschaften, die Energie spenden

Wenn ich an einem klassischen Straßenrennen teilnehme oder ich einen Trail laufe, gibt es normalerweise genug Ablenkungen, wenn die Gedanken schwimmen, es mental hart wird. Ich kann mich an meinen Mitläufern orientieren, mich an sie heften. Ich darf mich von den Zuschauern motivieren lassen. Oder ich spüre die Natur und den Nervenkitzel steiler Abhänge oder schroffer Anstiege. Auf dem Laufband war es dagegen monoton, immer dasselbe Tempo auf die letzte Kommastelle identisch, dazu der gleiche Ausblick. Das kann ermüden.

Die Nachrichten, die ich auf meinen Bildschirm las, halfen mir sehr. Um ehrlich zu sein: Ich hatte mich auf die Social Wall und die Grüße gefreut, hätte aber nie gedacht, wie sehr mich Worte und Fotos wirklich pushen würden. Während des Laufens blinzelte ich immer wieder auf den Bildschirm und las Nachrichten aus der halben Welt. Die meisten Motivationsbotschaften konnte ich persönlich zuordnen. Da waren befreundete Läufer, positive Bekanntschaften von vielen sportlichen Ausflügen. Und da war vor allem ganz viel Familie. Meine Schwester, mein Vater, meine Frau. Ich mag alleine auf dem Laufband gerannt sein, aber ich war auf diesen 100 Kilometern nicht einsam oder isoliert unterwegs. Alle waren dabei und das sogar ziemlich laut. Dieser Support schob mich bis ins Ziel.

Florian Neuschwander beim Aufstellen seines Weltrekords auf dem Laufband. Vor ihm die Social Wall
Über eine sogenannte Social Wall unterstützen Freunde, Familie und Fans Flo bei seinem Vorhaben. Über 10.000 Botschaften gingen ein. © Pushing Limits / Garmin

Fast alles rausballern

Ab Kilometer 90 verschwand das leicht mulmige Gefühl aus dem Hinterkopf. Ich war mir jetzt wieder sicher, dass meine Muskeln, Sehnen und Fasern durchhalten würden, dass sie mir diesen einen Gefallen tun würden. Ich konnte sogar Tempo drauflegen, noch mal richtig ballern. Die Zeit, die ich mir zwischendurch zur aktiven Erholung gegönnt hatte, holte ich so wieder rein.

Mit dem Ziel vor der Nase werden die Beine immer noch etwas leichter, die Vorfreude auf den Moment des Ankommens begehrt langsam auf, sie ergreift mich. Die Kilometeranzeige auf dem Laufband verwandelte sich vor einer Herausforderung und einer Bürde in einen Countdown. Und ich konnte ihn mit meinen Schritten sogar beschleunigen. Ich presste alles an Leistung aus mir raus.

Und dann fast unsichtbar, nur auf dem Bildschirm vor mir und auf dem Display meiner Garmin-Watch zu sehen: das ersehnte Ziel. 100 Kilometer. 06:26:08 Stunden. 6.148 verbrannte Kalorien. 69.582 Schritte. Fast 14 Minuten unter der vorherigen Bestleistung.

Florian Neuschwander beim Aufstellen seines Weltrekords auf dem Laufband
Mehr als 69.500 Schritte setzte Flo bei seinem Weltrekordversuch auf das Laufband. © Pushing Limits / Garmin

Was kommt als Nächstes?

Dieses Gefühl, etwas Wahnsinniges erreicht zu haben, ist unbeschreiblich toll. Aber fast noch besser fühlt es sich an, schwarz auf weiß zu sehen, was für eine Power in einem schlummert. Mit dieser Zeit (die schwer zu vergleichen ist mit einer normalen Freiluftzeit, weil ich ohne Gegenwind, Steigungen und Senken lief) hätte ich bei Straßenlauf-Weltmeisterschaften gute Chancen auf das Podium gehabt. Und nach dem Rennen auf dem Laufband dachte ich sogar, dass die 100 Kilometer ohne das verkrampfende Gefühl noch schneller gegangen wären. Ein Weltrekord ist gut fürs Selbstvertrauen.

Was kommt als Nächstes? Diese Frage wurde mir nach dem Weltrekord mit am häufigsten gestellt. Was direkt nach dem Rennen kommen sollte, wusste ich genau: Familie, Pizza, Nüsse, sogar ein Glas Sekt und ein, zwei Bier. Zeit zusammen genießen. Die Beine in Ruhe auskatern lassen. Oberschenkel und Waden vergessen 100 Kilometer nicht so schnell.

In den kommenden Wochen und Monaten werde ich wieder kürzere Strecken laufen. Nicht etwa, weil ich genug habe vom stundenlangen Rennen. Ganz im Gegenteil: Ich will beim nächsten Mal über die Distanz noch schneller sein, eine höhere Pace auf Straße, Trail oder Laufband kriegen. Dafür muss ich aber erst mal an meinem Speed über kürzere Strecken arbeiten.

Seid ihr wieder dabei?

Ob mein Laufband-Rekord diesmal länger hält als beim letzten Mal? Ich hoffe es sehr. 100 Kilometer sind härter als 50, es gibt viel weniger Konkurrenz. Trotzdem wird die Bestleistung auf kurz oder lang geknackt werden. Ich werde die Leistung dann wertschätzen und bestenfalls schon einem anderen Vorhaben hinterherhetzen.

Alternativen gibt es genug. Ich denke an den deutschen 100-Kilometer-Rekord im Freien. Oder daran, 24 Stunden am Stück zu laufen, aus der Haustür raus und dann einfach schauen, wie weit ich komme. Oder ein ganz anderer Einfall, der einfach so kommt und dann im Kopf bleibt. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich euch, meine Crew, dann wieder dabei haben möchte.

Es war großartig. Denn ihr wart großartig.

Euer FloW

Florian Neuschwander hängt erschöpft nach dem Aufstellen seines Weltrekords über das Geländer des Laufbands
Erschöpft, aber glücklich: Flo feierte seinen Weltrekord später mit Bier und veganer Pizza © Pushing Limits / Garmin
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Maazel.de
11.02.2021 | 09:39 Uhr

Over the FLOW! Jahresgeilster bis dato… #ballern & #beatyesterday 4 ever 🤙🏼🔥

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Maazel.de
11.02.2021 | 09:39 Uhr

Over the FLOW! Jahresgeilster bis dato… #ballern & #beatyesterday 4 ever 🤙🏼🔥