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Cordyceps für mehr Ausdauer: Was kann der Zombie-Pilz wirklich?

Mit einem parasitären Pilz zu besserer Ausdauer. Was sonst in Serien für apokalyptische Szenarien sorgt, soll deine sportliche Leistung beeinflussen können. Stimmt das?

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Ameisen sind gehorsam. Sie alle ordnen sich einem Ziel unter – dem Wohle der Königin. Fleißig tragen sie Blatt um Blatt in den heimischen Bau. Doch eine von ihnen bricht das Gesetz der Kolonie. Sie wandert willenlos umher, ehe sie an einem feuchten und hellen Ort ihre letzte Ruhestätte findet.

Die Ameise ist nicht freiwillig dort. Infiziert vom Cordyceps-Pilz verlor sie die Kontrolle über ihren Körper. Der Parasit infiltrierte ihre Muskeln. Und lenkte sein Opfer dorthin, wo er sich am besten vermehren kann. Gruselig, oder?

Sei unbesorgt: Menschen kann der Pilz nicht befallen. Stattdessen soll er sogar deine sportliche Leistung verbessern können. Aber stimmt das wirklich?

Was ist Cordyceps?

Der Name kommt dir womöglich bekannt vor. Durch die Serie „The Last of Us“ ist die Bezeichnung des sonderbaren Pilz geläufig. Dort verwandelte er Menschen in willenlose Zombies. Glücklicherweise reine Fiktion.

Bei Insekten ist das anders. Die Pilzgattung Cordyceps umfasst weltweit mehr als 400 bekannte Arten. Sogar in Europa sprießen sie. Jede ist auf unterschiedliche Insektenarten spezialisiert. Die Sporen infizieren Raupen, Larven und sogar ausgewachsene Krabbler. Zunächst geschieht das unbemerkt. Später übernimmt der Parasit die Kontrolle über den Körper. Ein gruseliges wie faszinierendes Naturphänomen, das ganze Kolonien auslöschen kann.

Bekannte Arten des Pilzes

Die zwei wohl bekanntesten Arten sind aber nicht für ihre fremdsteuernde Fähigkeit bekannt. Cordyceps sinensis und Cordyceps militaris sollen gesundheitliche Effekte auf den Menschen haben. 

Die wilde sinensis-Art ist sehr selten und kostbar. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist das „Gold des Himalayas“ schon lange etabliert. Dort soll es gegen Müdigkeit helfen und Leber, Lunge und Nieren stärken. 

Die militaris-Art ist verbreiteter. Denn im Labor benötigt sie keinen Wirt und lässt sich nachhaltig züchten. In Nahrungsergänzungsmitteln findest du deshalb meist diese Variante.

© Jojo Dexter / iStock / Getty Images Plus

Woher kommt der Hype als natürlicher Booster?

Der erste Einsatz des Pilzes im Sport liegt einige Zeit zurück. Bereits 1993 verabreichte ein chinesischer Trainer seinen Läuferinnen und Läufern ein sogenanntes Kräftigungsmittel mit Cordyceps. Mit beachtlichen Erfolgen – die Laufenden brachen mehrere Weltrekorde.

Die Leistungen erregten weltweit Aufmerksamkeit und das Interesse an Cordyceps stieg enorm. Heute ist er besonders bei Biohackerinnen und Biohackern sowie in der Sportszene beliebt. Angepriesen als natürlicher Leistungsbooster und Stresslinderer, soll der Zombie-Pilz mehrere Effekte vereinen.

Als Kapseln, Pulver oder Getränk eingenommen, verspricht er mehr Energie, verbesserte Sauerstoffverwertung und schnellere Regeneration. Ein Segen im Ausdauer- und Leistungssport. Auslöser soll das Nukleosid Cordycepin sein. Es ähnelt dem körpereigenen Adenosin – einem Bestandteil von ATP, also einem essenziellen Baustein des Energiestoffwechsels. Cordycepin soll diesen noch verbessern können.

Spannend: Der Pilz enthält gehaltvolle Polysaccharide. Diese langkettigen Kohlenhydrate sollen das Immunsystem stimulieren können und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen.

Was weiß die Wissenschaft über die Wirkung von Cordyceps?

Stimmt das alles? Darüber ist sich die Wissenschaft noch uneinig. Erste Untersuchungen deuten aber Potenziale an.

Beispielsweise eine Studie der Universität im US-amerikanischen Chapel Hill. Die Teilnehmenden nahmen über drei Wochen eine Pilzmischung mit Cordyceps militaris oder ein Placebo-Gemisch ein. Zunächst ohne Effekt. Nach drei Wochen zeigten sich jedoch signifikante Veränderungen in der Cordyceps-Gruppe. Bei intensiver Belastung verbesserte sich die VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme) und die Zeit bis zur Erschöpfung stieg. Auch die relative Spitzenleistung nahm zu.

Ähnliches beobachteten Forschende der Universität im indischen Hyderabad. In ihrer Untersuchung erhöhte eine Supplementierung mit Cordyceps militaris die Sauerstoffsättigung im Blut. Auch wurde die Herzfrequenz stabiler, die Laufleistung verbesserte sich und die Erschöpfung auf dem Laufband trat später ein.

In anderen Studien überzeugte auch Cordyceps sinensis mit diesen Effekten. Und mehr noch: Ein Forschungsteam im italienischen Pavia fand heraus, dass der wilde Pilz gegen Stress und sportliche Überlastung wirken kann.

Wie belastbar sind die Ergebnisse?

Bevor du jetzt aber den Parasiten verspeist, sei gesagt: Die Studien lassen zwar vielversprechende Potenziale erahnen, sind jedoch nicht zweifelsfrei wissenschaftlich belegt. Oft traten die Effekte bei Tieren oder kleinen Probandengruppen auf. Auch waren die Teilnehmenden meist ähnlich alt und sportlich auf dem gleichen Niveau. Ihre Ergebnisse sind nicht auf alle Menschen übertragbar. 

Außerdem lassen sich trotz randomisierter und doppelblinder Methodik Placeboeffekte nicht gänzlich ausschließen. Studien mit längerer Laufzeit sind ebenfalls rar. Oft dauerten die Untersuchungen nur wenige Wochen oder Monate an. Für allgemeingültige Aussagen braucht es umfassendere, langfristige Studien.

Anwendung und Dosierung – Was du beachten solltest

Du willst dich selbst überzeugen? Dann öffne schon mal dein Portemonnaie. Aufgrund der angepriesenen Effekte ist der parasitäre Pilz nicht gerade günstig. Egal ob als Kapsel oder in Pulverform. 

Entscheidest du dich trotzdem dafür, solltest du Herkunft und Nachhaltigkeit achten. Wild gesammelter Cordyceps sinensis gefährdet das natürliche Vorkommen. Auch weisen importierte Produkte, beispielsweise aus China, mitunter erhöhte Schwermetallwerte auf. Kontrolliere deshalb den herstellenden Betrieb und ob das Produkt wirklich nachhaltig und vegan ist.

Hast du ein Produkt gefunden, empfehlen Studien eine tägliche Dosierung von drei Gramm über bis zu sechs Wochen. Bei geringeren Mengen ist eine Einnahme über zwölf Wochen möglich.

Tipp: Auch der Polysaccharid-Gehalt (üblich: 20 – 40 Prozent) ist wichtig. Ist dieser nicht angegeben, solltest du die Qualität des Produkts anzweifeln.

© gradyreese / iStock / Getty Images Plus

Nebenwirkungen des Pilzes

Cordyceps manipuliert Insekten und nutzt sie als Nährboden. So dramatisch wird es bei dir nicht. Denn starke Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Im Gegenteil: Der Pilz gilt als gut verträglich. Vereinzelt können aber Symptome wie Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit oder ein trockener Mund auftreten. 

Allergikerinnen und Allergiker sollten die Einnahme vorher ärztlich abklären. Wer auf Pilze oder Polysaccharide allergisch ist, kann Hautausschlag, Atemnot oder Schwellungen im Gesicht bekommen. 

Vorsicht ist bei Autoimmunerkrankungen geboten. Besonders, wenn Immunsuppressiva eingenommen werden. Der Pilz kann das Immunsystem stimulieren und so eine Überreaktion auslösen. Diese kann im schlimmsten Fall körpereigenes Gewebe angreifen. 

Auch Diabetikerinnen und Diabetiker nur in ärztlicher Absprache einnehmen. Denn er kann den Blutzucker beeinflussen – das kann zu Komplikationen führen. Besonders, wenn du gleichzeitig Medikamente einnimmst.

Fazit: Leistungsboost aus der Pilzzucht?

Bessere Ausdauer, schnellere Regeneration, gestärkte Immunabwehr. Die Versprechen sind groß, die Belege klein. Als bewiesener Leistungsbooster taugt der Cordyceps bisher nicht. Die Studienlage ist zu dünn. Wer ihn ausprobiert, begibt sich in ein Experiment – nicht in eine sichere Leistungssteigerung.

Doch eines ist sicher: Die Kontrolle über deine Muskeln übernimmt der Zombie-Pilz nicht.

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Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
  1. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5236007/
  2. http://mrca-science.org/index.php/de/vitalpilze-medizinische-studien/14-d/18-diabetes
  3. https://www.online-fitness-academy.de/magazin/cordyceps.html#nachteileundnebenwirkungenvoncordyceps
  4. https://biogena.com/de-de/wissen/ratgeber/cordyceps_bba_5114234
  5. https://www.sueddeutsche.de/supplements/vitalpilze/cordyceps
  6. https://www.orthoknowledge.eu/neuigkeiten/studie-cordyceps-verbessert-die-sportliche-leistung
  7. https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/17138/1/BA_Einfluss_Cordyceps_sinensis_Cordyceps_militaris.pdf
  8. https://www.brain-effect.com/magazin/cordyceps-sinensis-der-chinesische-raupenpilz
  9. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1150-9351?device=desktop&lang=de
  10. https://www.scinexx.de/news/medizin/zombiepilz-wirkt-gegen-krebs/
  11. https://premiummedicalcircle.com/de/artikel/cordyceps-wirkung
  12. https://natu.care/de/pflanzen/cordyceps
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  20. https://www.fueltherideacademy.com/blog/are-mushrooms-the-next-big-performance-enhancer-for-cyclists
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  23. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7111646/
  24. https://4endurance.at/blogs/forschung/cordyceps-das-beste-adaptogen-zur-steigerung-der-vo2-max?srsltid=AfmBOooBul1qjGSib2r4GStBqYDLgMLaQ4QTkCPk8zAtR8teAN0sV1Hj

Über diesen Artikel

Kevin Berg © Redaktion

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Kevin Berg

Kevin Berg ist seit 2019 #BeatYesterday-Redakteur mit vielen Interessen. Als Journalist wurde Kevin an einer …

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