Body & Soul

So kommen übergewichtige Kinder in Bewegung

Gesunde Food Trends sind in aller Munde. Doch kommt vor allem bei Kindern nicht viel davon an. Wir erklären, wie kombinierte Therapien aus Sport, Ernährung und psychologischer Betreuung den Lebensalltag von übergewichtigen Kindern und ihren Eltern verändern können.

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Wer sich an seine Schulzeit erinnert, kennt das Szenario: Im Sportunterricht werden Mannschaften gewählt. Das Gezeter um die sportlichen Mitschüler ist groß. Die fülligeren Jungen und Mädchen werden dagegen als Letzte ausgewählt oder versauern auf der Bank. Lehrer sind oft hilflos und verdrängen die Ausgrenzung häufig, die übergewichtige Kinder schon früh im Leben erfahren. Den Spaß an der Bewegung lernen diese Schüler so jedenfalls nicht.

Der weitere Lebensweg und der problematische Umgang mit dem eigenen Übergewicht ist für viele Betroffene vorgezeichnet. Seit vielen Jahren schlagen Ernährungswissenschaftler alljährlich Alarm und beklagen die schlechten Essgewohnheiten von betroffenen Jugendlichen.

Trends kommen bei sozial schwachen Familien schlecht an

Dabei sind gesunde Food Trends in aller Munde. Besonders in den Sozialen Medien, in denen sich insbesondere junge Menschen zusehends mit Lebensmitteln und Ernährungstricks beschäftigen, ist der gesunde Lifestyle ein Trendthema. Doch diese Bewegung erreicht viele Familien (und besonders die Kinder) nicht. Das sagt Nina Holtz, die als Leiterin des Hamburger Sozialprogramms „Moby Kids“ Gesundheitsprogramme für Kinder, Jugendliche und Familien anbietet: „Food-Trends, ob Chia-Samen, Veggie-Burger oder Low-Carb, kommen bei den Familien, die wir betreuen, nicht an. Die stammen meistens aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht, wo Fast Food und Fertiggerichte auf der Tagesordnung stehen.”

Die Werbeblöcke im Fernsehen, die Fertiggerichte oder Süßspeisen als gesund oder zumindest kindgerecht anpreisen, verschärfen laut Nina diese Probleme weiter. Sie sagt: „Es wird immer weniger gekocht und leider landen sogenannte Kinderlebensmittel wie Milchschnitte, Paula-Pudding oder Fruchtzwerge regelmäßig auf dem Tisch. Fatal ist die Entwicklung, dass Jugendliche immer häufiger zu Energydrinks greifen.”

Die Gesamtsituation steht im Fokus 

Um auf das weitverbreitete Übergewicht im Schulalter reagieren zu können, gibt es einen bunten Strauß an Maßnahmen. Doch die meisten wirken kaum. Beim Schulsportfest, der Prüfung zum Sportabzeichen oder beim Training im Verein glänzen in den meisten Fällen die Schüler, die Bewegung sowieso schon in ihren Alltag integriert haben. An diesem Punkt versuchen Vereine oder Träger wie „Moby Kids“, genau diejenigen für Bewegung zu begeistern, die als Sportmuffel gelten – oder sich bisher noch nie für Leibesübungen begeistern konnten. Bundesweit kooperiert die Hamburger Einrichtung mit Ernährungswissenschaftlern, Bewegungstherapeuten, Sportexperten und Psychologen. Das übergeordnete Ziel: Die Lebensgewohnheiten der kompletten Familie dauerhaft verbessern.

Nina Holtz erklärt, wie der Ansatz funktionieren soll: „Es geht nicht primär darum, dass die Kinder ihr Körpergewicht reduzieren sollen. Wir wollen vor allem ein Bewusstsein bei den Eltern schaffen, dass sich etwas ändern muss. Die Familie soll einen aktiveren Alltag verbringen, sich mehr bewegen und ein bewusstes Essverhalten entwickeln.” Den erhobenen Zeigefinger wollen die Therapeuten verhindern. Auch sollen falsche Klischees über ausgewogene Ernährung wie „Ab morgen gibt es nur noch Gemüse” vermieden werden. Sie schüren nur Ängste. Nina denkt langfristig und setzt auf Motivation: „Wir wollen Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass sie irgendwann eine Eigenverantwortung für ihren Körper übernehmen müssen. Sie sollen trotz des Übergewichts ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln.“

Übergewichtiges Kind nascht Schokolade
Eltern können schon bei Kleinkindern den Grundstein für bewusste Ernährung legen. © quintanilla/iStock/Ghetty Images

Von den Krankenkassen unterstützt

Die Kinderkurse dauern in der Regel ein Jahr und sind in zwei Altersgruppen (8-12 und 13-17 Jahre) aufgeteilt. Am Anfang steht die Frage: Wie stark ist das Übergewicht? Davon ist meist der Zuschuss von den Krankenkassen abhängig. Die Jahreskurse kosten meist um die 2.300 Euro, werden aber von Betriebskrankenkassen sehr gut unterstützt. Diese übernehmen in der Regel 80 bis 90 Prozent der Kosten. Entscheidend ist das Zusammenspiel mit dem medizinischen Dienst, der Empfehlungen an die Krankenkasse ausspricht. „Adipositas ist keine anerkannte Krankheit. Das heißt: Eigentlich müssten die Krankenkassen gar nichts zahlen“, sagt Nina.

Zu Beginn der Therapie bekommen die Eltern eine Mappe mit Info-Materialien zum Thema Übergewicht. Obligatorisch ist der Besuch beim Kinderarzt, der erste Fragen klären muss: Hat das Kind eine Essstörung oder ein psychologisches Fehlverhalten? „In den ersten ein bis zwei Monaten werden vor allem die Eltern geschult, weil das die Basis für einen Wandel ist. Wenn wir die Eltern nicht erreichen, dann ist die Mühe bei den Kindern meistens vergebens“, sagt Nina.

Lebenswandel statt Weight-Watchers für Kinder

Die Basis der Therapie ist ein Zusammenspiel aus Ernährungsberatung, Bewegung und Verhaltenstraining, das zu gleichen Teilen angewandt wird. Während viele Kinder und Eltern primär auf das Gewicht schauen, ist dies für die Therapeuten gar nicht so relevant. Im Vordergrund steht ein ganzheitlicher Ansatz, der kein Weight-Watchers-Programm für Kinder anbietet, sondern einen Lebenswandel anstrebt. Dazu gehört laut Nina das Lernen von Alltagssituationen. Gemeint sind damit einfache Basics: Das Handy weglegen. Gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie oder sich gemeinsam unterhalten. Verschiedenen Statistiken zufolge sind diese ursprünglichen Grundregeln in den vergangenen Jahren immer seltener bei Familien zu beobachten.

Hausaufgabe Fitness-Tracker

Die Bewegungsstunden innerhalb des „Moby Kids“-Programms ähneln häufig ganz bewusst dem Sportunterricht in der Schule. Sie sollen die Kinder bereits vorab mit Übungen und Szenarien konfrontieren, die später unweigerlich auf sie zukommen werden. „Es geht um theoretische Aufklärungsarbeit. Wir setzen uns mit den Familien zusammen und wollen wichtige Fragen beantworten. Es geht nicht darum, dass die Familien ab sofort einmal die Woche gemeinsam schwitzen sollen, sondern um einen Lebenswandel in der Alltagsbewegung“, sagt Nina.

Die Kinder bekommen verschiedene „Hausaufgaben“. Mit Schrittzähler, Sportuhr oder Smartphone-App sollen sie das eigene Bewegungspensum kontrollieren können – und so langfristig steigern. Wie so oft, ist hier der Weg das Ziel. Zu Beginn orientieren sich die Kinder und Jugendlichen an 2.500 Schritten am Tag, danach versucht man, die Zahl auf etwa 3.200 zu verbessern. Kommen die Kinder am Ende des Jahres auf 6.000 bis 7.000 tägliche Schritte, dann wird das als großer Erfolg gewertet. Nicht nur die Kinder sollen diese Hausaufgaben machen, die Eltern sind ebenfalls gefragt. „Eltern sollen lernen, dass sie Vorbilder für ihre Kinder sind. Es bringt nichts, wenn sie mit dem Handy auf dem Sofa liegen und das Kind auffordern, jetzt mal raus zu gehen.“, sagt Nina.

Und eine gute Nachricht gibt es: Laut offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts werden Kinder in Deutschland im Durchschnitt nicht mehr dicker, sondern halten erstmals ihr Gewicht. Auch wenn diese Werte eindeutig noch zu hoch sind – es ist ein Anfang.

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19.04.2018

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