Bemüht man sein berühmtes Schubladendenken und stellt sich eine Forscherin vor, kommen einem Begriffe wie Nickelbrille, weißer Kittel, introvertiertes Auftreten und latente Verwirrung in den Sinn. Schublade auf – Schublade zu.
Sandra Giovanoli hält nichts von Schubladendenken, gibt aber lachend zu:
Früher habe ich auch gedacht, dass Forschung nur etwas für Nerds oder komische Leute ist.
Sandra Giovanoli
Die quirlige Frohnatur aus Zürich arbeitet im malerischen Vitznau am Vierwaldstättersee in der Stiftung des „cereneo“. Das „cereneo“ ist eine Klinik, die sich auf die Therapie von neurologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel dem Schlaganfall, spezialisiert hat. Unweit der Klinik werden in den Räumlichkeiten der Stiftung Therapie- und Pflegeverfahren wissenschaftlich erforscht.
© Manu Grafenauer
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„Erst wenn bei einem Gehirn Funktionen ausfallen, wie etwa nach einem Schlaganfall, wird dir bewusst, was das Gehirn alles leistet“, sagt sie. Sandra arbeitet gemeinsam mit ihrem Team in Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten und anderen Wissenschaftlern daran, den Verlauf einer Rehabilitation nach einem Schlaganfall messbar zu machen. Ein schwieriges Unterfangen, da die Beeinträchtigungen der Patienten sehr individuell sind. Diese Komplexität der Aufgabe scheint aber der größte Antrieb für Sandra zu sein. Warum gerade das Gehirn für sie so spannend ist:
Ich weiß nicht, was an einem Gehirn nicht spannend sein soll, es gibt nämlich noch so viel, was wir nicht darüber wissen.
Sandra Giovanoli
Kommt Sandra morgens in die Klinik, integriert sie sich erstmal in den Klinikalltag, spricht mit den Pflegern und Therapeuten über die Entwicklung der Patienten und hört sich die weitere Planung der Rehabilitation an. Genau dieser Menschenkontakt war es, der ihr in der Grundlagenforschung gefehlt hat. Nun ist sie viel näher am „echten Leben“ dran, wie sie es nennt. Genau deshalb kommen neue Erkenntnisse auch viel schneller da an, wo sie nötig sind, nämlich beim Patienten selbst.
© Manu Grafenauer
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Neben der Analyse und Forschung am Computer messen Sandra und ihr Team mit Hilfe von moderner Technik, wie Sensoren, Kameras oder Therapieprogrammen, die Fortschritte der Patienten. Hat ein Patient sogar Spaß daran mitzuarbeiten, ist Sandra besonders happy.
Happy ist Sandra auch, wenn sie auf dem Wasser ist. Segeln ist ihre große Leidenschaft und hilft dabei Energie zu tanken. So findet man sie an Wochenenden sowohl bei Regatten als auch bei Camps, auf denen sie Kindern und Jugendlichen die Liebe zum Sport weitergibt. Was Sport und Hirnforschung gemeinsam haben, beantwortet sie so: „Das Hirn ist wie ein Muskel. Damit es stark bleibt, musst man immer weiter trainieren. Aktiv bleiben. Am besten jeden Tag!“
Gerade arbeitet Sandra an der sogenannten Teletherapie, welche dem Patienten nach dem Klinikaufenthalt den Übergang ins Leben Zuhause erleichtern soll. Durch allerlei technische Hilfsmittel werden Leistungsdaten aufgezeichnet, um zu verhindern, dass der Patient außerhalb der Klinik in alte Muster zurückfällt. Das Ziel des Teams ist es, dass ein Patient nach der Rehabilitation in der Klinik weiterbetreut werden kann und sich sein körperlicher Zustand im Idealfall sogar noch weiter verbessert. Anhand der Daten, die Sensoren und speziell abgestimmte Therapieprogramme liefern, werden via Videochat die nächsten Ziele besprochen. „Wenn wir dieses System etablieren können und es schaffen, die Verbesserungen eines Patienten wissenschaftlich fundiert messbar zu machen, und damit ihm und allen weiteren Patienten helfen können, dann haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Sandra.
© Manu Grafenauer
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Und was kommt danach, fragt man sich: „Ein Feierabendbier mit dem Team und eine Runde Segeln gehen. Dann zurück an die Arbeit und das nächsten Ziel setzen. Es gibt noch viel zu erforschen!“
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