1. Andrea
Ein Löffel kalter Vanillepudding. Für Andrea Voß ist das einer der glücklichsten Momente in ihrem Leben.
Die junge Frau, damals Anfang 30, liegt im Krankenhaus. Krebs. Schon das zweite Mal.
Die erste Erkrankung war vergleichsweise harmlos verlaufen. Morbus Hodgkin. Gut behandelbar. Als die Krankheit ein paar Jahre später zurückkommt, ist Andrea plötzlich dem Sterben nahe. Der Lymphdrüsenkrebs ist ihr beinahe in alle Glieder gekrochen. Chemo, Krankenhaus, Einsamkeit. Die meiste Zeit verbringt sie auf einer Isolationsstation abgeschirmt von der Außenwelt. Ihr Immunsystem ist so schwach, dass jeder Erreger eine akute Bedrohung darstellt.
Fünf Monate wird Andrea künstlich ernährt. Ihre Schleimhäute im Mund sind durch die Behandlung fast durchgehend entzündet. Der Klecks Vanillepudding schmeckt nicht einfach nur süß. Er schmeckt nach Hoffnung und nach Träumen. Jetzt wieder am Wasser sein, auf Föhr, der Nordseeinsel südlich von Sylt, denkt Andrea. Morgens aus dem Van klettern, die Füße feucht vom Tau benetzten Gras, über die Dünen steigen, dann den unberührten Horizont für sich haben. Die Wellen hören und später am Abend die Band mit ihren Coversongs im Strandcafé. „Das ist der Soundtrack meines Lebens”, sagt Andrea.

2. Steffie
Swinemünde, polnische Ostseeküste. Ein Hund hetzt über den Strand, den die Sonne golden färbt. Sand wirbelt auf, wenn Sunny, ein Sheltie-Rüde, das Wurfspielzeug jagt. Bis zum Horizont nur Wasser, der Himmel hellblau. Für Steffie Tomczak, keine 30 Jahre alt, ist es endlich ein Moment der Leichtigkeit. Diese ansteckende Energie des wuscheligen Wesens. Die erdende Natur. Die warme Sonne auf der Haut. Auf dem Kopf spürt Steffie die Strahlen am intensivsten. Die Haare hat ihr der Krebs genommen.
Die Krankheit ist in diesem Moment weit weg. Es gibt viel Weite zu überblicken, so viel noch nicht entdeckte Welt. Das darf kein Ende sein, denkt Steffie. Der Hund kommt zurück, flehmt das Maul, möchte, dass die Hatz weitergeht. Sein Frauchen will dasselbe. Es ist noch nicht zu Ende.

3. Eine Freundschaft durch Krankheit und Van Life
Normalerweise hätten sich die Lebensadern von Andrea und Steffie niemals gekreuzt. Andrea ist zehn Jahre älter, sie lebt in Willich bei Düsseldorf. Als der Krebs das erste Mal kommt, macht die Verkäuferin eine Umschulung. Die Erkrankung reißt ein Loch in ihr Leben. Auch ein finanzielles.
Steffie wohnt in Leipzig, eine juvenile Frau, die im Marketing an ihrer Karriere arbeitet, Überstunden, Erfolge, immer mehr davon. Sie will hoch hinaus. Die Krankheit Morbus Hodgkin: ein tiefer Fall.
Andrea sagt: „Ohne den Krebs wären wir uns nie begegnet.“
Steffi meint: „Ohne Andrea wäre vieles schwieriger gewesen.“
Als Andrea im September 2009 an Krebs erkrankt, ist sie mit der Krankheit bereits vertraut. Lymphdrüsenkrebs ist eine Familienangelegenheit. Sie ahnt die Diagnose, während sie im kahlen Krankenhausflur auf den Chefarzt wartet. Sie will den Kampf annehmen, arrangiert sich mit dem, was auf sie zukommt. „Ich habe nicht einmal daran geglaubt, dass ich sterbe. Ich fühlte mich unglaublich stark”, sagt Andrea heute.
Ehe die erste Behandlung beginnt, fährt sie in den Campingurlaub an die Nordsee. Das Meer sehen. Es riechen. Es hören. Es spüren. Sie steht barfuß im Sand und weiß, dass es vorerst der letzte Moment der Freiheit ist. Sie will wiederkommen. Egal, was kommt: Positiv bleiben, an die eigenen Stärken glauben, bloß nicht verzagen. Wenn die Motivation während der Therapie schwindet, denkt Andrea an die Familie, an das Meer und den Zeltplatz, an das Glück, das sie dort sogar an schweren Tagen findet. Sie will raus in den Camper, auf die Straße. Vor allem wieder selbst entscheiden, wo es lang geht. Ihre Emotionen verarbeitet sie damals auf ihrem Blog Chemocookie.
Ein paar Jahre später, 2016, zweimal hat sie gegen den Krebs gewonnen, ballt die Bloggerin ihren ganzen Mut und gründet einen Verein – den „Wir können Helden sein e.V.”
Als Steffie erkrankt, helfen ihr zunächst Strukturen. Fast täglich kommt Besuch nach Hause. Morgens mit dem Taxi zur ambulanten Behandlung, nachmittags zurück, dann liebe Menschen und Netflix. Die Nahestehenden weinen häufiger als sie selbst. Für Steffie ein Ansporn. Sie erklärt: „Es ging nicht nur um mein Leben. Sondern auch um das meiner Familie.”
Im Internet sucht Steffie nach Informationen und auch nach Austausch. Ein Blog sticht besonders hervor. Die Message gibt ihr Kraft. Krebs gebärt dort auch positive Storys. Es geht nicht um Kranke, sondern um Held*innen auf Achse. Steffie lernt Andrea kennen, ehe die überhaupt ahnt, dass es Steffie gibt. Die Leipzigerin ist fasziniert von Andreas Lebensfreude, ihrem Mut und ihrer Resilienz. Wenn jemand zweimal den Fängen der Krankheit entweichen kann, dann schafft sie das auch. Steffie schreibt Andrea eine Mail. „Ich habe ihr meine Hilfe beim Marketing und der Verbreitung ihrer Projekte angeboten. Viel spenden konnte ich nicht. Ich hatte aber Zeit und Lust. Ich wollte einfach helfen”, erklärt Steffie.

4. Freiheit und Selbstvertrauen durch Van Reisen
Wie einen Einbruch müsse man sich das mit dem Krebskriegen vorstellen, sagt Steffie. Auch wenn der Dieb weg ist und das Materielle längst ersetzt – das Gefühl der Sicherheit wird nie wieder dasselbe sein. „Die Angst, dass es noch mal passiert, ist immer präsent”, erklärt die Leipzigerin.
„Fast immer”, korrigiert Andrea.
Die beiden Frauen entdecken beim Herumtüfteln an ihren Projekten, dass sie mehr verbindet als der Einbruch einer langfingerigen Krankheit. Sie lieben das Reisen im Campervan, das einfache Leben auf Stellplätzen, die Kontakte, die dabei entstehen. Es ist die erfolgreiche Flucht vor dem heimischen Einbrecher. Lagerfeuer mit Künstler*innen, Ärzt*innen und Geplagten. Auf Zeltplätzen schätzt man sich unabhängig davon, wer was ist und wer was sein will. Wer alleine oder nur als Paar reist, knüpft zwangsläufig neue Kontakte, spricht über Aufbauten, Einrichtungsideen oder fehlende Tüten Mehl und Filterkaffee. Menschen mit Camper saugen einander an – das scheint das physikalische Grundgesetz des Van Lifes.
Das Reisen im Camper ist für die beiden Frauen nach der Krankheit noch viel wichtiger geworden. Sie erzählen:
Andrea: „Wenn ich im Van reise, muss ich vieles alleine hinbekommen. Ich muss mir Frühstück machen, Kaffee kochen, Wäsche waschen, aufräumen, einkaufen. Viele kleine Sachen eben, die einem im Hotel abgenommen werden. Durch diese Selbstständigkeit gewann ich nach Wochen und Monaten Behandlung mein Selbstvertrauen zurück. Ich kann noch alles. Ich kann mich um mich selbst kümmern. Zudem hatte ich fernab des eigenen Umfelds die Möglichkeit, mir mehr Zeit für mich zu nehmen. Ich konnte unbeobachtet zu mir selbst finden.”
Steffie: „Mit der Krebsdiagnose verliert man die Hoheit über sich selbst. Das Leben besteht aus Arztterminen und Behandlungszyklen. Ich lebte, um zu überleben. Im Camper spüre ich dagegen die totale Freiheit. Ich kann hinfahren, wohin ich will, ich kann mir aussuchen, wo ich aufwache, und ich kann bestimmen, wie lange ich unterwegs bin. Das Gefühl einer Reise im Van ist das Gegenteil vom Krebshaben. Als es mir damals besser ging, ich reisen konnte, habe ich sofort die Weite gesucht. Auch weil ich sie mehr schätzen konnte. Davor habe ich in der Vergangenheit gelebt und in der Zukunft, mal zurückgeschaut, mal neue Pläne gemacht. Durch die Krankheit lebe ich im Heute. Und das genieße ich am liebsten in der Natur.”

5. Erfolgreiche Fluchthelferinnen
Womöglich hat das Draußensein die entscheidende Kraft und Hoffnung gegeben, um dem Krebs zu trotzen – sagen Andrea und Steffie. Mit ihrem Projekt Heldencamper, gegründet im Jahr 2019, wollen sie auch anderen Patient*innen dieses Glück zugänglich machen. Über Spenden haben die beiden Frauen eine Mini-Flotte aus Vans und Wohnwagen angeschafft und umgebaut. „Die Fahrzeuge sind bunt und laut, sie verstecken das Thema Krebs nicht. Das erleichtert einen mutigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit”, sagt Andrea.
Wer wenig Geld hat, wer eine Auszeit braucht vom Krankenhaus, sich diese aber nicht leisten kann, der bekommt von den Fluchthelferinnen Andrea und Steffie einen Schlüssel in die Hand gedrückt. Die nötigen Versicherungen, ein Garmin-Navi wie den Camper 890 mit eingespeicherten Stellplätzen – alles vorbereitet. Nur Sprit und Proviant müssen die Held*innen selbst bezahlen – und ihre Fahrtüchtigkeit oder die einer Begleitperson nachweisen.
„Die Resonanz ist extrem hoch. Die Menschen wollen nach und während einer Erkrankung rauskommen. Wir lernen die Leute vor dem Losfahren kennen und erleben sie auch, wenn sie zurück sind. Das Rauskommen verändert sie positiv”, weiß Steffie. Das Ziel der meisten Heldencamper*innen: fast immer das Meer. Manche eroberten schon die Küsten Kroatiens oder Spaniens. Das Wasser – ein Magnet, der fast alle anzieht, jung, alt, krank oder gesund.
Verliere dich in den Momenten. Nicht auf dem Weg.
Für alle die am liebsten draußen zu Hause sind, ist ein Garmin Camper Navigationsgerät der sichere Begleiter für die nächste Tour. Dank fahrzeugspezifischer Routenführung für Wohnwagen und Wohnmobile kommst du sicher an dein Ziel und entdeckst schnell und einfach die schönsten Aussichtspunkte.
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6. Das Van Life für alle ermöglichen
Kranke, Genesende, manchmal auch Menschen, die seit Jahren ohne Rezidiv, ohne Rückfall leben, können die Heldencamper buchen. „Wir bieten unsere Camper bis zu fünf Jahre nach einer Erkrankung an. Manche brauchen Jahre, ehe sie sich eine Reise ohne Hotel zutrauen. Daher wollen wir zeitlich keinen Druck machen”, erklärt Steffie. Andrea ergänzt: „Manche nehmen einen Camper, bevor die offizielle Reha beginnt. Sie nennen es dann Vor-Reha.”
Mit ihrem karitativen Camper-Verleih haben sie Selbstvertrauen gewonnen. Fahrzeuge aufgetrieben, Partner*innen akquiriert, Merchandise verkauft. Vor allem die vielen Glücksgeschichten der Heldencamper*innen motivieren die beiden Freundinnen zum immer Weitermachen und Weiterdenken. Im Münsterland ist mittlerweile ein Rückzugsort entstanden für Camping-Fans, die nicht selbst fahren können oder wollen, die wenig Geld haben; ein Habitat, vier Stellplätze groß. Das kraftspendende Van Life soll für alle da sein. Auch dann noch, wenn sich Rückschläge für die Betreiberinnen häufen.
Die Corona-Pandemie machts den Heldencamper*innen schwer. Plätze sind geschlossen, Sponsoren taumeln in wirtschaftlichen Turbulenzen. Weniger Spenden tropfen rein. Messen, auf denen sie Hoodies verkaufen und Caps, fallen aus. Es gab auch Betrüger*innen, die nicht ehrlich waren, sich eine Reise erschleichen wollten. Alles ärgerlich, aber kein Grund, die Heldencamper*innen von der Straße zu holen.
„Wir kämpfen weiter dafür, dass jeder nach einer Krebsdiagnose das Reisefieber im Van genießen darf. Denn Kämpfen können wir ziemlich gut”, sagt Steffie.

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