Fitness

Darts: Wo die Coolsten siegen

Beim Darts gewinnt oft nicht der bessere Spieler, sondern der nervenstärkere Charakter. Womit sich flatternde Gemüter beruhigen lassen und wie Einsteiger beginnen sollten – das verrät Experte Tomas Seyler.

Teilen
0

Auf über 40 Grad heizt sich die Bühne des „Ally Pally“ auf. Die Gesichter der Darter gleißen im Scheinwerferlicht, der Schweiß benetzt ihre Schläfen und Wangen. Dazu dieser tosende, immer wieder anschwellende Lärm. 3.500 Zuschauer trommeln und brüllen. Sie singen alte Gassenhauer, dichten Eurodance-Tracks auf die Namen der Spieler um. Die Fans sind als Einhörner, menschengroße Karotten oder Cowboys mit paillettenbestickten Lederhüten verkleidet.

Vor diesem juvenilen Partypulk zielen Frauen und Männer mit kleinen Pfeilen auf wenige Millimeter schmale Felder. Ein Zucken, eine zitternde Hand, ein zu wummerndes Herz – schon können ein Spiel und sehr viel Preisgeld verloren sein. Wer seinen Puls nicht kontrollieren kann, fliegt raus.

„Darts ist ein brutaler Sport, nicht unbedingt körperlich, aber mental. Es braucht ausdauernde Konzentration”, sagt Tomas Seyler. Unter seinem Spitznamen „Shorty” zählte der 46-Jährige über ein Jahrzehnt zu den besten deutschen Spielern. Als Fernsehexperte beim Sender Sport1 wurde er zu einer der deutschen Stimmen des Spiels.

In den vergangenen Jahren hat sich die Darts-Gemeinschaft den Respekt der gesamten Sportwelt erarbeitet. Bei den volksfestähnlichen Veranstaltungen zählen Fußballstars, Rad-Profis oder Basketballhelden zum Stammpublikum. In Deutschland verfolgen Millionen Fernsehzuschauer die Turniere aus dem eigenen Wohnzimmer. Zum Jahresende gehört die Darts-WM zur festlichen Folklore. Und immer mehr junge Spielerinnen und Spieler wollen nicht nur Darts im Fernsehen schauen, sondern auch selbst an der Scheibe jubeln.

Doch wie finden Einsteiger die richtigen Pfeile? Wie trainieren Voll-Profis? Mit welchen Tricks bereiten sich die Topspieler mental auf den emotionalen Stresstest Darts vor? Und warum verändert sich nach und nach das körperliche Erscheinungsbild der weltbesten Spieler? Wir durften vor der Weltmeisterschaft mit Tomas „Shorty” Seyler über einen Sport sprechen, in dem manchmal nicht die größten Talente gewinnen. Sondern die Coolsten.

Zahlenspiele

Beim Darts spielen zwei Kontrahenten gegeneinander. Das Ziel ist simpel: 501 Punkte mit möglichst wenig Würfen runter spielen. Dabei müssen die Spieler genau auf 0 Punkte kommen. Pro Wurf können sie über das sogenannte Triple-20-Feld maximal 60 Punkte erzielen. Insgesamt drei Würfe hat ein Spieler pro Aufnahme, danach ist der Gegner wieder dran. 180 Punkte gelten als Maximum! Ein seltenes Highlight: Der 9-Darter. Schneller kann ein Spieler die 501 Punkte nicht ausmachen. Wer zuerst auf 0 ist, gewinnt ein sogenanntes Leg. Drei Legs braucht es für einen Satzgewinn. Wer zuerst die notwendige Anzahl an Satzgewinnen erreicht, siegt im Spiel.

Der Bremerhavener Tomas Seyler ist einer der besten deutschen Darter aller Zeiten. © privat

Ein echter Hochleistungssport

#BeatYesterday.org: Shorty, was macht Darts so anstrengend?

Tomas „Shorty” Seyler: Darts ist – mental gesehen – ein Hochleistungssport. Ein Spiel fordert die gesamte Konzentration, die ein Mensch aufbringen kann. Jedes Zucken kann den Wurf beeinflussen und dafür sorgen, dass der Dart um wenige Millimeter am Ziel vorbei rutscht oder aus der Scheibe fällt. Ein Doppelfeld ist nur so breit wie eine Makkaroni. Wegen der kleinsten Ungenauigkeiten wurden schon Weltmeisterschaften verspielt und sehr viel Preisgeld verloren.

#BeatYesterday.org: Du hast an Weltmeisterschaften teilgenommen und standest selbst auf der großen Bühne. Beschreibe das Feeling.

Tomas: Bei meiner ersten Weltmeisterschaft spielten wir noch in der Circus Tavern vor knapp 1.000 Leuten in Essex, nordöstlich von London. Das war sehr gedrungen, eng, die Sitzreihen begannen einen halben Meter hinter der Bühne. Heute ist alles viel mächtiger. Die Bühne im Alexandra Palace, besser bekannt als „Ally Pally”, ist über fünf Meter breit und durch die vielen Scheinwerfer wird es superheiß. Die Hitze flirrt im Saal. Und wenn 3.500 Feierlustige, nüchterne und betrunkene, singen und johlen, so laut wie ein startender Düsenjet, wird ein Spiel, das zu 90 Prozent zwischen den Ohren stattfindet, sehr anstrengend. 

#BeatYesterday.org: Gewinnt beim Dart dann derjenige, der richtig gut spielen kann und dazu auch noch lockerer ist?

Tomas: Absolut. Es gibt Trainingsweltmeister, die abseits der Fernsehkameras Spiele abliefern, die unfassbar gut sind, nahe der Perfektion. Die schießen im eigenen Keller alles kurz und klein. Auf der großen Bühne verlieren sie aber bis zu 30 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Sie kriegen es nicht hin. Der Puls rast, die Nerven brennen ihnen immer wieder durch. Manche packen es nie.

Halte dein Stress-Level im Blick

Du bist nervös. Die Hände sind schwitzig. Dein Puls rast. Fast jeden Tag erlebst du stressige Momente. Aber wie hoch ist dein Stresslevel wirklich? Das zeigt dir deine Garmin-Uhr ganz genau. Am Handgelenk siehst du, ob du einen ruhigen, einen ausgeglichenen oder einen anstrengenden Tag hast. So weißt du stets, wann du pausieren solltest, um gesundheitlichen Auswirkungen wie Kopfweh vorzubeugen.

Das „Golf des kleinen Mannes“

#BeatYesterday.org: Es gibt das Klischee, dass sich mancher Darter mit einem Bier mental auf eine Partie vorbereiten. Stimmt das?

Tomas: Das Klischee resultiert daraus, dass der Dartssport früher ein reines Kneipenphänomen war. Auch heute wird er in England noch als das Golf des „kleinen Mannes” umschrieben. Tatsächlich ist Alkohol aber keine gute Idee, wenn man mehr als eine Stunde voll konzentriert bleiben möchte. 

#BeatYesterday.org: Seit einer Weile finden viele Dart-Matches aufgrund der Pandemie-Beschränkungen ohne Zuschauer statt. Verändert sich dadurch das Spiel?

Tomas: Die Unterschiede sind in der Weltspitze deutlich zu erkennen. Die Darter absolvieren ihre Partien mit einem höheren Drei-Dart-Average als vor lautem Publikum. Sie benötigen also weniger Würfe, um das Spiel zu beenden. Andere wiederum, die sogenannten Rampensauen, die das Feedback der Fans brauchen, die die Atmosphäre aufsaugen, fallen zurück. Michael van Gerwen zum Beispiel, der die vergangenen sechs Jahre dominierte, wuchs auf der Bühne, er war dominant. Sein Powerplay verstärkte sich durch die Stimmung. Jetzt ist er in einer ungewohnten Situation, dazu stresst ihn das stärkere Spiel seiner Gegner. Beim Darts gehts um Kleinigkeiten. Verschiebt sich nur eine Variable, verändert sich das gesamte Spiel.

#BeatYesterday.org: Können die Protagonisten das Spielen im Scheinwerferlicht trainieren, zum Beispiel mit Rammstein auf voller Lautstärke und einer Lichtorgel im Keller?

Tomas: Beim Training macht jeder seine Experimente, um nicht nur an der Präzision, sondern auch an der Stressresistenz zu arbeiten. Das Problem ist: Das Feeling auf der Bühne ist nicht kopierbar. Manche schaffen es nie über diese Schwelle, egal, was sie machen und wie sie sich vorbereiten: Sie kollabieren mental. Es gibt extrem hervorragende Darter, die in diesem Leben keine erfolgreichen Wettkämpfer mehr werden. Das ist tragisch. 

#BeatYesterday.org: Du sprachst das Thema „Mentaltraining” bereits an. Beanspruchen das viele Darter?

Tomas: Viele Top-Profis sind erst dank der Hilfe von professionellen Coaches erfolgreich auf der Bühne geworden. Sie haben Tipps bekommen, wie sie mit Stress umgehen und psychische Ausnahmesituationen überstehen können. Sie nehmen einen Schluck Wasser, machen nach einem missglückten Wurf eine kurze Pause, wischen sich die Pfeile am Hosenbein noch mal trocken. Der Niederländer Michael van Gerwen zieht sich die Socken hoch, wenn er arg gestresst ist. Diese Aktion ist bei ihm positiv konnotiert. Er erinnert sich dann, wie er mit 16 Jahren einen der sehr seltenen Neun-Darter gegen Raymond van Barneveld, einer absoluten Legende in van Gerwens Heimat, gespielt hat. Das gibt ihm ein gutes Gefühl. Fast jeder Spitzendarter hat ähnliche Ticks. Auf der Bühne spielen sie nicht nur gegen den Gegner, sondern vor allem gegen sich selbst.

Auch Interessant

Sich nicht selbst kaputtmachen

#BeatYesterday.org: Das Thema „Training” ist beim Dart ohnehin sehr spannend. Wie trainiert ein Darter? Gibt es spezielle Trainingspläne?

Tomas: Zunächst gilt es, besessen zu üben. Die Bewegungsabläufe müssen sich einspielen und miteinander harmonieren. Mit der Zeit werden die Trainingsintensitäten geringer. Wichtiger wird die Wettkampfpraxis. Alleine hoch zu scoren, also viele Punkte zu machen, ist das eine. Ähnlich zu performen, wenn ein anderer dich besiegen will, dich mit guten Aufnahmen in die Bredouille zwingt – das ist noch mal ein komplett anderes Spiel.

#BeatYesterday.org: Spitzensportler erreichen irgendwann ihren Zenit. Besser, schneller, länger – das geht danach nicht mehr. Gibt es die Schwelle auf für Darter?

Tomas: Beim Training merken selbst die Besten irgendwann, dass nicht mehr allzu viel bei der Präzision rauszuholen ist. Es werden dann alternative Varianten geübt, um die 501 Punkte auszumachen oder strategische Überlegungen getestet. Beim Darts ist es nicht wie beim Boxen, wo man den Sack noch eine Stunde mit Wut traktieren kann, um den Kopf freizukriegen. Wenn du beim Training einen schlechten Tag hast, gräbst du dich mit jeder miesen Aufnahme tiefer in ein mentales Loch. Dann lieber aufhören. Besser wirds nicht mehr. Als Darter müssen wir lernen, dass wir uns an der Scheibe nicht selbst kaputtmachen.

#BeatYesterday.org: Wie hast du früher zu professionellen Zeiten trainiert? 

Tomas: Schon drei, vier Stunden täglich und zusätzlich zum Job. Als ich durch eine Knieverletzung nichts anderes machen konnte, als langsam zu gehen oder auf dem Sofa zu liegen, habe ich halbe Tage an der Scheibe verbracht. Die 2,37 Meter von der Standfläche zum Board konnte ich auch mit lädiertem Bein packen. Dann entstand im Bremer Raum, wo ich lebe, eine sehr lebendige Dart-Kultur. Ich hatte fünf, sechs Wettkämpfe die Woche. Da musste ich gar nicht mehr so viel individuell arbeiten.

#BeatYesterday.org: Gibt typische Darts-Verletzungen?

Tomas: Manche Darter, sogar die Sportler, die so dick wie eine Bohne sind, bekommen durch das andauernde Vorbeugen früh Rückenprobleme. Durch die hundertfachen Wurfbewegungen während eines Spiels ist eine Arthritis, eine Entzündung im Handgelenk, eine der häufigeren Folgen der dauerhaften Überbelastung.

#BeatYesterday.org: Verletzungen können Sportler durch Dehnübungen oder Athletiktraining vorbeugen. Wie werden sich die Darter körperlich verändern?

Tomas: Der Trend zeigt, dass die jungen Darter, die jetzt hochkommen, immer athletischer werden. Auch setzt sich der gesamte Sport anders als früher wissenschaftlicher mit den Trainingsmethoden und Themen wie der richtigen Körperhaltung auseinander. Im Vergleich zu anderen Sportarten gibt es noch viele nicht ausgereizte Potenziale.

Voller Fokus: Beim Darts visieren die Spieler millimeterschmale Ziele an. © privat

E-Darts oder Steel-Darts?

#BeatYesterday.org: Während der Darts-Weltmeisterschaft im Dezember steigt das öffentliche Interesse in Europa enorm. Viele sehen die Höchstleistungen der Sportler und wollen das auch schaffen. Was ist dein Trainingstipp für Einsteiger, die mit dem Darts beginnen möchten?

Tomas: Die meisten fangen an und werfen auf das, was sie als erstes sehen: das 20er-Feld. Das ist richtig so. Ich kann Einsteigern nur raten, erst mal locker zu spielen. Wenn sie das mit einer zu hohen Erwartungshaltung tun, frustriert das Spiel schnell. In den ersten Wochen geht es ausschließlich darum, Spaß zu haben, seine Wurfbewegung zu finden. Das, was gut klappt, macht man weiter. Was nicht hilfreich ist, lässt man sein. Jeder Profidarter hat zunächst die Freude am Spiel entdeckt. Dann erst kamen die großen Vorhaben.

#BeatYesterday.org: Das wichtigste Utensil sind die Darts, die Pfeile. Es gibt mittlerweile tausende Modelle in unterschiedlichen Gewichten, die Griffflächen sind gerillt oder glatt. Wie finden Einsteiger das passende Set?

Tomas: Ich habe meine Darts vor 25 Jahren in der Kneipe kennengelernt. Wir wollten ein Turnier spielen. Ich aber hatte meine Pfeile zu Hause vergessen. Einem Kumpel konnte ich ein Set, dass er nicht mehr spielen wollte, für 15 Mark abkaufen. Das Turnier habe ich gewonnen und die Darts danach nie wieder gewechselt. Mit ihnen bin ich später auch deutscher Meister geworden. Wer die richtigen Darts für sich finden will, sollte viele Alternativen ausprobieren und bestenfalls ein Fachgeschäft aufsuchen. In diesen Läden können Freizeitspieler verschiedene Varianten testen und werden gut beraten.

#BeatYesterday.org: Viele Eltern, die ein Dartsboard verschenken wollen, stehen vor der Frage: ein elektrisches Dartsboards oder das klassische Steel-Darts-Board. Was würdest du empfehlen? 

Tomas: Beide Varianten haben ihre Vorteile. Wer das Spiel richtig lernen will, sollte aber immer Steel-Darts bevorzugen. Dort sieht jeder genau, wie die Pfeilspitzen ins Brett eingedrungen sind. Sind sie gerade rein oder hängen sie schief raus? Bei einem E-Darts-Board bleiben sie in den kleinen Löchern der perforierten Scheibe einfach stecken, das verfälscht den Eindruck über die Qualität der eigenen Würfe. 

#BeatYesterday.org: So mancher träumt beim Anblick der Top-Darter, die ja keine Top-Athleten sind wie Footballer oder Triathleten, davon, es auch vom Sofa aus zum Sportstar zu bringen. Ab welchen Trainingsleistungen dürfen sich Freizeitspieler auf ein Turnier trauen?

Tomas: Wer sich für Profi-Turniere qualifizieren möchte, muss schon einen 90er-Schnitt mit drei Darts werfen. Alles darunter reicht nicht mehr. Die Qualität der Spieler hat sich durch den Hype des Sports extrem in der Breite verbessert. Und selbst wenn im Keller die großen Scores nur so fliegen: Erst bei kleineren Turnieren in der Umgebung können Hobbyspieler erkennen, ob sie die Bühne mögen oder nicht. Ob sie wirklich nervenstark sind.

Auch Interessant

Garmin Forerunner-Serie

Garmin Forerunner Serie
02.10.2020

VERBESSERE AUCH DU DEINEN LAUF MIT EINER PERFEKTEN TRAININGSUHR.

OB LOCKER ODER LEIDENSCHAFTLICH. OB LAUF-ABC ODER MARATHON.

  • Erreiche dein Laufziel, ob 5 km, 10 km oder Halbmarathon mit dem Garmin Coach oder mit persönlichen Trainingsplänen für deine Distanz
  • Erlebe dein Tempo neu, der Forerunner unterstützt dich beim Lauf-ABC, Joggen und Sprinten – vom Freizeit- bis zum Leistungssport
  • Trainiere effizienter mit erweiterten Leistungswerten (je nach Modell)
  • Hör deine Lieblingsmusik jederzeit (je nach Modell), bezahl kontaktlos und behalte deine Fitness immer im Blick

Zum Shop
Meinungen

Diskutiere über diesen Artikel und schreibe den ersten Kommentar:

Jetzt mitdiskutieren
Keine Kommentare

Diskutiere über diesen Artikel