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Motivation: Selbstvertrauen wie einen Muskel trainieren

Mentaltrainer Steffen Kirchner coacht Profis in Sport und Wirtschaft. Für die richtige Motivation empfiehlt er mehr Selbsterkenntnis und mentales Krafttraining. Ein Interview.

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#BeatYesterday.org: In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel haben Sie gesagt, dass der Rücktritt von Nico Rosberg als Formel-1-Weltmeister bewundernswert sei. Warum war der Schritt besonders?

Steffen Kirchner: Nico Rosberg hatte sich mit dem Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft seinen Traum erfüllt. Das Ziel, worauf er viele Jahre hingearbeitet hatte, für das er lebte, war erreicht. Das kann die Motivation sehr stark beeinflussen. In einer Sportart, bei der die Fahrer mit über 330 Kilometer pro Stunde über Strecken rasen, braucht es die ganze Leidenschaft und Konzentration, also auch die volle Motivation. Diese konnte Nico Rosberg sich selbst und seinem Umfeld anscheinend nicht mehr garantieren. Ich bewundere diesen Schritt, weil er aus einer großen Selbsterkenntnis erfolgte.

#BeatYesterday.org: Warum ist die Selbsterkenntnis für unsere Motivation und Disziplin wichtig?

Kirchner: Es heißt nicht umsonst, dass die Selbsterkenntnis der erste Weg zur Besserung ist. Bevor wir uns Ziele setzen, sollten und müssen wir erst mal erkennen, was uns wirklich intrinsisch motiviert und was wir nur machen, weil uns etwas extrinsisch anspornt, wir uns also etwas von äußeren Faktoren versprechen. Das können Pokale sein, Geld, Aufmerksamkeit, Zuspruch oder Bestätigung. Wenn wir Dinge nur erreichen wollen, weil wir dafür dann etwas von außen bekommen, wird es schwierig, unsere Ziele erfolgreich zu verfolgen.

#BeatYesterday.org: Warum ist es schwer, seine eigene Selbsterkenntnis zu finden?

Kirchner: Wir wachsen in einem Umfeld auf, das bestimmte Erwartungen an uns hat. Die Familie, der Job oder die Region, in der wir leben, prägen unser Selbstbild. Und dann sind da die permanenten äußeren Einflüsse. Besonders die sozialen Medien sind ein Trommelfeuer in unseren Köpfen. Wir sind so mit Informationen überreizt, dass wir den Blick für uns selbst verlieren.

#BeatYesterday.org: Was hilft dabei, die Selbsterkenntnis zu finden?

Kirchner: Sich an einem Tag im Monat drei Buchstaben in den Kalender schreiben: I-C-H. Wir müssen damit anfangen, uns Zeit nur für uns selbst zu geben. Und damit meine ich auch „nur für uns selbst”.

#BeatYesterday.org: Das klingt simpel.

Kirchner: Ist es auch. Wenn wir es richtig machen. Und dazu gehört zum Beispiel ein Daten-Detox. Kein Handy, kein Fernsehen, keine anderen Medien. Ideal ist ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen, die Therme oder der Wald. Dort kann der Kopf frei von Ablenkung denken. Nach ein paar Stunden werden wir spüren, wie viele Gedankengänge sich von alleine lösen. Wir werden viele Dinge danach klarer sehen, uns als Mensch viel besser wahrnehmen können und wir merken, was uns fehlt. Das hilft ungemein. Doch die meisten Menschen haben Angst vor diesen Prozessen und lenken sich lieber mit Medien ab.

#BeatYesterday.org: Wir befinden uns noch im Frühjahr. Viele Menschen, die sich im Januar etwas vorgenommen hatten, haben die Vorsätze inzwischen schon wieder aufgegeben. Warum fällt vielen Selbstdisziplin und Motivation so schnell sehr schwer?

Kirchner: Bei den Neujahrsvorsätzen kommt es besonders häufig vor, dass die Menschen eher die Ziele anderer verfolgen als die eigenen. Zum Beispiel, wenn wir Freunden nacheifern wollen oder einfach mit ins Fitnessstudio gehen, weil wir nicht „Nein” sagen möchten.

#BeatYesterday.org: Kann man Motivation nicht trainieren? Selbstoptimierung ist momentan ein beliebtes Buzzword.

Kirchner: Motivation ist keine Veranlagung und keine Fähigkeit, die wir erlernen und trainieren können. Motivation ist ein Zustand. Bei den Zielen gibt es ein weiteres großes Problem: Die Menschen verlieben sich in ein mögliches Ergebnis, aber nicht in den Weg dorthin. Sie wollen zehn Kilo abnehmen, haben dafür aber keinen klaren Plan. Sobald die ersten äußeren Widerstände kommen, eine Krankheit oder etwas Ähnliches, bricht die Motivation zusammen. Und wenn wir uns immer wieder Ziele setzen, die wir nicht erfüllen, leidet unser Selbstvertrauen. Das braucht es aber für einen gesunden Antrieb. Und anders als die Motivation können wir unser Selbstvertrauen wie einen Muskel trainieren.

#BeatYesterday.org: Bitte, was?

Kirchner: Wir müssen uns Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Disziplin oder Willensstärke zum besseren Verständnis wie mentale Muskeln vorstellen. Die Muskeln in unserem Körper müssen wir belasten und fordern, damit sie stärker werden. Das Gleiche gilt auch für unsere mentale Muskulatur. Es braucht wie beim Sport Übungen, die wir regelmäßig wiederholen.

#BeatYesterday.org: Wie sieht so ein Training für den „Selbstvertauensmuskel” aus?

Kirchner: Ein ganz einfaches Beispiel: Jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen einen Liter lauwarmes Leitungswasser trinken. Das ist eine kleine Sache, eine minimale Aufgabe. Aber auch diese müssen wir erst mal bewältigen. Wenn wir uns das abends vornehmen und morgens erfüllen, dann starten wir mit einem Erfolgserlebnis in den Tag. Wir haben einen Vorsatz erreicht. Wie soll sich Selbstvertrauen bilden, wenn wir nie das einhalten, was wir uns vornehmen?

#BeatYesterday.org: Was sollten Menschen beim Training der mentalen Muskeln beachten?

Kirchner: Wir müssen das Training zwingend mit den richtigen Belastungen starten, damit sich auch Erfolge einstellen. Wenn wir uns zu viel vornehmen, sorgt es für den gegenteiligen Effekt: Wir scheitern an den Vorsätzen und das Selbstvertrauen schwindet.

#BeatYesterday.org: Bleiben wir beim morgendlichen Wassertrinken. Nun klingt das für mich eher nach Willensstärke als nach Selbstvertrauen.

Kirchner: Es ist wie beim Liegestütz. Dabei trainieren wir zwar hauptsächlich die Brustmuskulatur, aber auch andere Körperbereiche werden belastet. Genauso verhält es sich mit den mentalen Muskeln. Wenn wir an einem arbeiten, profitieren auch die anderen vom Training.

#BeatYesterday.org: Kann jeder mentale Muskeln trainieren?

Kirchner: Grundsätzlich kann jeder Mensch seine mentalen Muskeln trainieren. Menschen mit psychischen Erkrankungen würde ich jedoch ausklammern. Für sie kann jede zusätzliche Belastung, jeder neue Druck, den Zustand verschlimmern.

#BeatYesterday.org: Anderes Thema: Spaß gilt als ein probates Mittel für die Motivation. Zum Beispiel können Leute, die niemals freiwillig joggen gehen würden, stundenlang einem Ball hinterlaufen. Würden Sie Spaß als Motivationsverstärker empfehlen?

Kirchner: Spaß ist nur einer von vielen emotionalen Stimuli. Es gibt viele Anreize, die zu einer höheren Motivation führen können. Nehmen wir eine Person, die kein Fleisch mehr essen will, nachdem sie ein Video gesehen hat, in dem Tiere schwer misshandelt werden. Der Fleischverzicht macht nicht bewusst Spaß. Er resultiert aber aus einer großen innerlichen Überzeugung. Wahrscheinlich braucht es gar nicht viel Willenskraft, um das Vorhaben durchzusetzen, weil eben die intrinsische Motivation so hoch ist. Zuneigung, Verbundenheit und ja, auch Wut, können sehr stark motivieren.

#BeatYesterday.org: Um nochmal zurückzukommen: Ist Spaß am Sport nun ein brauchbares Mittel für Sportmuffel?

Kirchner: Das ist eine Frage der Dosis. Wenn wir immer nur das tun, was uns Spaß macht, sind wir zwar permanent motiviert, aber unser mentaler Muskel für die Willenskraft verkümmert. Wir verlernen, uns zu Sachen zu zwingen, die wir nicht mögen. Denn erst da, wo die Motivation aufhört, fängt die Willenskraft an.

#BeatYesterday.org: Was ist Ihre Empfehlung als Mentaltrainer?

Kirchner: Es braucht die richtige Balance aus beidem. Zu viel Willenskraft ist auch nicht gesund. Für Menschen, die immer nur verbissen kämpfen, kämpfen, kämpfen, ist das Leben genau das: ein einziger Kampf. Leute, die alles aus Spaß machen, geben bei Widerständen schneller auf und sind viel früher desillusioniert. Sie merken irgendwann, dass sie ihre Ziele gar nicht erreichen können. Bei Motivation und Willenskraft ist es wie bei Bizeps und Trizeps: Die gegensätzlich wirkenden Muskeln können nur im Zusammenspiel die volle Kraft erzeugen.

#BeatYesterday.org: Ein weiterer Motivator, besonders für Sportler, ist das Konkurrenzdenken. Man möchte schneller, besser oder stärker sein als die Gegner.

Kirchner: Ich war früher genau so ein Typ. Ich habe mich vor allem über die Leistung anderer definiert. Wollte besser und erfolgreicher als sie sein. Mittlerweile bewerte ich so ein Konkurrenzdenken eher kritisch.

#BeatYesterday.org: Warum?

Kirchner: Weil es dafür sorgt, dass wir den Fokus verlieren. Wenn wir nur an die Konkurrenz denken, arbeiten wir vordergründig gegen andere und nicht mehr für uns selbst. Ich sehe ein nachhaltiges Erfolgsrezept eher darin, die eigenen Sachen möglichst gut machen zu wollen. Was andere tun, ist mir mittlerweile relativ egal. Ich kann es nicht beeinflussen.

BeatYesterday.org: Gilt das auch im Leistungssport?

Kirchner: Denken wir beispielsweise an einen 100-Meter-Lauf. Wenn der beste Sprinter nach dem Start damit beschäftigt wäre, nach links und rechts zu schauen, also die Konkurrenz zu beobachten, würde er Geschwindigkeit verlieren. Er mag zwar noch gewinnen, läuft aber nicht die bestmögliche Zeit. Die großen Champions im Weltsport haben immer zunächst an die eigene Leistung gedacht, sie wollten ihr Können zur Perfektion schleifen. Die Motivation war der Antrieb, die Willenskraft der Weg ins Ziel. Konkurrenzdenken wird im Sport, besonders bei den Profis, immer wichtig sein. Doch an erster Stelle sollte die eigene Performance stehen. Nur so wird man als Sportler dauerhaft besser.

#BeatYesterday.org: Damit sind wir wieder beim Anfang: Menschen müssen sich erst richtig kennenlernen, um herauszufinden, welcher „emotionaler Stimulus” sie am stärksten motiviert. Doch wie ermitteln wir den perfekten Motivationsanreiz?

Kirchner: Wissenschaftlich fundierte Persönlichkeitstests, die man auch online absolvieren kann, sind dafür eine Option. Das Problem ist hierbei: Das Ergebnis hängt immer an der Qualität der Antworten. Wer ein klares Bild von sich zementieren möchte, kann diese Tests manipulieren. Es braucht wahrheitsgemäße Angaben. Sonst ist die Zeit wertlos investiert.

#BeatYesterday.org: Wie kann das mit den Persönlichkeitstests in der Praxis funktionieren?

Kirchner: Gemeinsam mit einem Klienten haben wir erst vor Kurzem sein Persönlichkeitsprofil untersucht. Wir stellten dabei fest, dass er ein eher introvertierter Typ ist. Das hatte er vorher schon geahnt, aber weitestgehend ignoriert. Er führte als erfolgreicher Unternehmer ein sehr öffentliches Leben, war ständig unter Leuten, auf Veranstaltungen, mitten im Tumult. Das gehöre zum Erfolg dazu, dachte er. Aufgrund dieses Lebens, das er eigentlich gar nicht so führen wollte, häuften sich Wutattacken, er wurde cholerisch, verlor wichtige Mitarbeiter auf der Managementebene. Seitdem er sich einem Lebensstil zuwendet, der mehr zu seiner Persönlichkeit passt, hat er den Stress deutlich reduziert. Die Wutattacken haben aufgehört.

#BeatYesterday.org: Was sollten Menschen, ob sie nun Sport treiben oder nicht, auf dem Weg zu noch mehr Motivation verstehen?

Kirchner: Dass sich unsere Motivation im Laufe unseres Lebens laufend verändern wird. Das, was uns heute motiviert, kann uns in zehn Jahren total egal sein. Wir sollten uns daher ständig hinterfragen, was wir eigentlich erreichen wollen und noch wichtiger: Warum und wofür wir etwas anstreben. Dann klappt es auch regelmäßig mit der Selbsterkenntnis – und einem fokussierten Leben in Beruf, Sport und Freizeit.

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07.09.2023

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