Was ist Kinderyoga?
Emilia sitzt mit geschlossenen Augen im Schneidersitz. Sie ist dabei ganz still und atmet ruhig und gleichmäßig. In ihren Gedanken hat sie sich auf eine Fantasiereise an einen Strand begeben. Das ist ihr selbst erdachter „Safe-Space“. Dann atmet sie tief ein, hebt ihre Arme über den Kopf und macht sich auf den Weg in den „herabschauenden Hund“.
Meine Tochter ist 8 Jahre alt und zeigt mir, was sie beim Kinderyoga in der Schule gelernt hat. Schon als Säugling lag sie mit mir auf der Matte und hat als Kleinkind immer wieder mitgemacht. Mittlerweile ist Yoga für sie wie ein Alltagstool, das sie beispielsweise zur Stressbewältigung nutzen kann. Ein paar Übungen zwischendurch lockern sogar die Hausaufgaben auf. Wenn sie wütend ist, kann sie sich mit Atemübungen selbst regulieren. Und sie hat Spaß daran, sich Geschichten rund um die verschiedenen Asanas (Yoga-Posen) auszudenken.
Kinderyoga ist speziell auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten und das Alter der Kinder angepasst. Klassische Asanas bekommen lustige Namen und werden in abenteuerliche Geschichten gepackt. Manchmal rudern wir auf einem Floß über einen wilden Fluss und müssen dabei das Gleichgewicht halten. Wir wachsen aus der Erde und werden zum Baum. Und später fliegen wir wie ein Albatros aus der Berghaltung in die Lüfte. Es wird gewackelt und gekichert. Alles ist erlaubt!
Ihr könnt es zu Hause ausprobieren oder einen Kinderyoga-Kurs besuchen. Oft wird auch in Kindergärten oder Schulen Kinderyoga angeboten.

Warum Kinderyoga? Die Vorteile im Überblick!
Warum sollten Kinder überhaupt Yoga machen? Die Antwort liegt in einer ganzen Reihe von Vorteilen. Denn nicht nur für Erwachsene ist Yoga eine ganzheitliche Praxis für Körper und Geist. Kinder profitieren ebenso von körperlicher Fitness, Stressbewältigung, Selbstbewusstsein und mentaler Stärke.
Denn auch Kinder sind schwierigen Themen oft früh ausgesetzt. Dazu zählen Schulängste, Depressionen, Essstörungen, Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizite und Traumata. Klar, Kinderyoga ist dagegen sicher kein Allheilmittel. Aber es ist eine hilfreiche Unterstützung. Und manchmal ist es einfach ein guter Begleiter durch die nächste Wutattacke.
1. Körperliche Gesundheit und Entwicklung
Yoga unterstützt eine gesunde körperliche Entwicklung. Die verschiedenen Yogapositionen stärken die Muskulatur, fördern die Flexibilität und verbessern die Koordination. Besonders Kinder, die viel sitzen – in der Schule oder vor Bildschirmen – können mit Yoga den Körper bewegen und Haltungsschäden vorbeugen. Das ist wichtig, denn Kinder leiden immer häufiger an Rückenschmerzen, wie die KiGGS-Langzeitstudie des Robert-Koch-Instituts ergab. In Zeiten wachsender kindlicher Übergewichtigkeit hilft Kinderyoga bei der allgemeinen Körperwahrnehmung. Durch die sanften Übungen entwickeln die Kinder ein gesünderes Verhältnis zu ihrem Körper und zur Bewegung.
2. Mentale Stärke und Konzentration
Kinder, die sowieso schon ein sprunghaftes Gemüt haben, fällt es manchmal schwer, sich zu konzentrieren. Unsere hektische, digitale Welt macht es ihnen nicht leichter. Kinderyoga kann helfen! Die Übungen, die in der Regel von Atemtechniken (Pranayama) begleitet werden, fördern die Achtsamkeit und Konzentrationsfähigkeit der Kinder. Sie lernen, ihre Atmung zu kontrollieren, störende Gedanken loszulassen und demnach ganz bei sich und im Moment zu sein.
Studien zeigen, dass Yoga bei Kindern die kognitiven Fähigkeiten verbessern kann. Die Aufmerksamkeitsspanne und das Gedächtnis werden trainiert. Das wirkt sich auch positiv auf den schulischen Alltag aus. Kinder, die regelmäßig Yoga praktizieren, sind oft fokussierter und können ruhiger arbeiten.
3. Emotionale Balance und Stressbewältigung
Schon Kinder erleben stressige Situationen – sei es durch schulischen Leistungsdruck, familiäre Konflikte oder soziale Herausforderungen. Kinderyoga bietet ihnen Werkzeuge, um mit diesen Belastungen umzugehen. Mit Bewegung, bewusster Atmung und Entspannung bauen Kinder innere Anspannung ab und entwickeln Gelassenheit.
Zudem fördert Yoga die emotionale Intelligenz. So werden Kinder ermutigt, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken. Sie beobachten Emotionen wie Wut oder Angst, anstatt impulsiv auf sie zu reagieren. Das fördert langfristig die emotionale Resilienz.
4. Soziale Fähigkeiten und Selbstbewusstsein
Wird Kinderyoga in Gruppen praktiziert, stärkt es den sozialen Umgang und das Gemeinschaftsgefühl. Kinder lernen, gemeinsam zu üben, achten dabei aufeinander und begegnen sich mit mehr Respekt. Gleichzeitig gibt es im Yoga keinen Wettbewerb – jeder übt in seinem eigenen Tempo und nach seinen individuellen Fähigkeiten. Das stärkt das Selbstbewusstsein, weil die Kinder spüren, dass sie gut sind, so wie sie sind.

Beliebte Kinderyoga-Übungen: Favoriten für jede Altersklasse
Eltern und Kinder können die Posen im Kinderyoga wunderbar spielerisch aufbereiten – unabhängig vom Alter. Mit blühender Fantasie lassen sich Geschichten erfinden und erleben. Dazu muss dein Kind nicht zwingend einen Yogakurs besuchen. Kinderyoga lässt sich auch ganz einfach zu Hause praktizieren. Wichtig ist, dass die Übungen auf das jeweilige Alter und die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt sind – und Spaß machen.
Für einen entspannten Start in die Kinderyoga-Praxis, kommen hier einige einfache und effektive Übungen.
Übung 1: Der Baum (Vrksasana)
Der Baum ist eine Balance-Übung, die Konzentration und Standfestigkeit fördert. So geht’s:
- Stelle dich aufrecht hin.
- Verlagere das Gewicht auf ein Bein und hebe das andere Bein an, sodass der Fuß an der Innenseite deines Standbeins ruht. Übe das gerne erst einmal an einer Wand. So kannst du dich leicht abstützen, wenn es zu wackelig wird.
- Die Hände werden vor der Brust gefaltet oder über den Kopf gestreckt.
- Versuche, ruhig zu atmen und die Balance zu halten.
Erzähle deinem Kind dabei eine Geschichte von einem starken Baum im Wald, dessen Wurzeln tief in der Erde verankert sind. Auch wenn der Wind weht, bleibt der Baum stabil und ruhig.
Übung 2: Der Löwe (Simhasana)
Der Löwe ist eine spaßige Übung, bei der Kinder überschüssige Energie loswerden können. So geht’s:
- Setz dich auf deine Fersen.
- Lege die Hände auf die Knie.
- Öffne den Mund weit, strecke die Zunge heraus und brülle wie ein Löwe.
Kinder lieben diese Übung, weil sie laut sein dürfen und ihre Anspannung loslassen können.
Übung 3: Der Schmetterling (Baddha Konasana)
Der Schmetterling fördert die Flexibilität in den Hüften. So geht’s:
- Setz dich auf den Boden und lege die Fußsohlen aneinander.
- Die Knie fallen nach außen, und die Hände umfassen die Füße.
- Wippe nun sanft mit den Knien auf und ab, wie die Flügel eines Schmetterlings.
Erzähle eine Geschichte von einem bunten Schmetterling, der durch eine Blumenwiese flattert. Du kannst auch verschiedene Kissen auf dem Boden verteilen und dein Kind von „Blume zu Blume“ fliegen lassen.
Übung 4: Die Katze und die Kuh (Marjaryasana/Bitilasana)
Diese Übung mobilisiert die Wirbelsäule und fördert die Körperwahrnehmung. So geht’s:
- Gehe auf alle Viere.
- Beim Einatmen machst du ein Hohlkreuz und schaust nach oben (die Kuh).
- Beim Ausatmen rundest du den Rücken und ziehst das Kinn zur Brust (die Katze).
Lass dein Kind dabei wie eine Katze „Miau“ und wie eine Kuh „Muh“ sagen. Lachen ist hier vorprogrammiert.

Kinderyoga zu Hause: Praxis-Tipps für Eltern
Kinderyoga lässt sich ohne großen Aufwand zu Hause praktizieren. Alles, was man dafür braucht, ist etwas Platz und vielleicht eine Yogamatte. Kissen und Decken schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Eltern brauchen natürlich keine Yogaausbildung. Die oben genannten Asanas bieten eine gute Orientierung für den Start.
Es gibt zudem zahlreiche Bücher für kleine Yogis, wie zum Beispiel Yoga mit der Maus oder Kinder-Yoga zum Einschlafen. Auch sogenannte Yogakarten sind praktisch. Sie bringen ein zusätzliches spielerisches Element in eure Praxis.
Für die richtige Musik sorgen zahlreiche Playlists mit Kinderliedern. Ihr könnt aber auch einfach klassische Entspannungsmusik anmachen.
Wer lieber eine visuelle Anleitung möchte, kann sich Videos mit Yogaanleitungen für Kinder und Eltern ansehen. Wer noch gar keinen Kontakt mit Yoga hatte, kann sich hier einiges abschauen.
Kinderyoga in Gruppen: Praxis-Tipps für Schule und Kita
Immer mehr Schulen und Kindergärten integrieren Yoga in ihren Alltag. Die Kinder profitieren in der Gruppe von der sozialen Interaktion und lernen gleichzeitig Achtsamkeit. Auch in Yogastudios werden immer öfter spezielle Kinderyoga-Kurse angeboten. Diese sind meist auf das jeweilige Alter der Kinder abgestimmt und bieten eine professionelle Anleitung durch erfahrene Yogalehrerinnen- und -lehrer. Der Vorteil dieser Kurse liegt darin, dass Kinder in einer inspirierenden Umgebung üben können und durch die Anleitung gezielt gefördert werden.
Ein typischer Ablauf einer Kinderyoga-Stunde in der Gruppe könnte beispielsweise so aussehen:
- Start mit einer kurzen Atemübung: Die Kinder setzen sich im Schneidersitz hin und legen ihre Hände auf den Bauch. Sie atmen tief ein und spüren, wie sich der Bauch hebt, und lassen die Luft langsam wieder heraus.
- Einfache Yoga-Posen: Danach können einige kindgerechte Asanas wie der „Hund“, die „Katze-Kuh“-Bewegung oder der „Baum“ geübt werden. Diese Übungen fördern die Beweglichkeit und das Gleichgewicht.
- Abschluss mit einer Phantasiereise: Fantasiereisen (oder auch Traumreisen genannt) entspannen den Körper. Die Reise könnte vielleicht zu einem geheimnisvollen Wald oder ans Meer gehen. Hintergrundmusik verschönert die Fantasiereise meistens noch zusätzlich. Die Kinder legen sich dabei entspannt auf den Rücken, schließen die Augen und decken sich bei Bedarf zu.
Auch hier gibt es zahlreiche Geschichten zum Nachhören:
Die Übungseinheiten müssen nicht lang sein. Zehn bis 15 Minuten am Tag können schon ausreichen, um die positiven Effekte von Yoga zu spüren.
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