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Klimakrise in den Alpen: Wintersport von gestern

In vielen Sportarten tickt eine Uhr. Sie kürt die Schnellsten und Besten – und prophezeit das Ablaufdatum mancher Disziplin oder Region. Am Beispiel Wintersport lässt sich der Klimawandel zentimetergenau verfolgen.

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Frank Sinatra und Michael Bublé verkünden es alle Jahre wieder: „Let It Snow, Let It Snow, Let It Snow.” Den Skiurlaub singen Doris Day und Leona Lewis in „Winter Wonderland” schön. Die schneebegeisterten Tourist*innen hoffen: Möge es ewig so bleiben. Bei den Songs ist die Wahrscheinlichkeit dafür hoch. Doch das Wonderland wackelt. Die blau, rot oder schwarz Pistenfahrenden bis hin zu Jagertee-Hütt´n abklappernde Junggesell*innen-Abschiede hinterlassen Spuren. Im Schnee – und in der Natur.

Keine Frage, sportliche Bewegung im Schnee ist gesund, macht Spaß und gehört für viele zum unverzichtbaren Lifestyle. Dennoch, um das weiße Urlaubsvergnügen steht es nicht rosig. Kalender und Zentimetermaß irren nie.

Skigebiet mit wenig Schnee
Nur noch ein weißer Flickenteppich. Schuld daran sind auch die Menschen. © iStock / Getty Images Plus / Chris Gordon

Von Menschen gemacht

In den Alpen zeigen sich die Änderungen des Klimas noch deutlicher – und messbarer. Die Erwärmung steigt Jahr für Jahr, doppelt so schnell als andernorts. Die Gletscher schrumpfen, die Schneedecken auch. Die Winterlandschaft ist später bereit für die Sportler*innen, zugleich schickt die Schmelze sie früher wieder heim. Den Bergen geht es schlecht.

Sie haben gleich zwei Gegner: das Klima und den Menschen. Und die befeuern sich gegenseitig. Der Klimawandel ist von Menschen gemacht, vor allem von jenen aus den Industrienationen, sind sich führende Forscher*innen einig. Die klimatischen Auswirkungen verursachen die prekären Schneeverhältnisse, die zu massiven Schäden an der alpinen Natur führen. Wie die Nimmersattstrategie manches Ski-Eldorados, das wegen wachsender Beliebtheit, aber gegen jede Vernunft neue Pisten durch die Wälder planiert.

Die Zeit der Extreme

In den vergangenen Jahren boten sich Bilder, die selbst eingefleischte Sportfans überraschten. Während der Sturm „Desmond” im britischen Carlisle das Brunton Park Fußballstadion flutete, ahnte man in Indien noch nicht, welche Konsequenzen das Klima im folgenden Sommer haben würde. Im Bundesstaat Maharashtra – Heimat der Metropole Mumbai, bekannt als Bollywood – konnten 13 Kricketspiele der Indian Premier League wegen der Jahrhundertdürre nicht ausgetragen werden.

Der New York Triathlon 2019 musste einer Hitzewelle weichen. Ebenso andere Lauf- und Pferdeturniere an der Ostküste der USA. Die klimatischen Zustände während der Tennis Australian Open 2014 beschrieb die Nummer 13 der Setzliste, John Isner, passend so: „Als wenn ich den Ofen öffne und die Kartoffeln fertig sind.“ Über 1.000 Fans mussten mit Hitzschlag behandelt werden.

Frau ist beim Laufen wegen der Hitze total erschöpft
Die immer wärmeren Temperaturen machen nicht nur Wintersportler*innen zu schaffen. © iStock / Getty Images Plus / StockRocket

Den Bergen geht es schlecht

Der Schnee häuft sich noch nicht, dafür die negativen Schlagzeilen. Ein Bergführer und sein Schützling stürzen am Matterhorn ab, weil sich ein poröses Felsstück aus der Wand löst. Anderswo verschütten mächtige Gerölllawinen Straßen, Wanderwege und Hütten. Zwei Geschichten aus hunderten. Was ist los in den Bergen? Veränderungen der Gesteinsstruktur gab es immer. Der Klimawandel hat jedoch erheblichen Einfluss auf ihre Häufigkeit und Intensität. „Wir sehen beim Permafrost einen deutlichen Trend zur Erwärmung, der sich insbesondere seit 2010 zeigt“, sagt Jeannette Nötzli, Permafrost-Expertin am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.

Dauergefrorenes Gestein und Sediment sind in den Alpen nur wenige Grad unter Null kalt. Schon ein halbes Grad Celsius mehr kann verheerend wirken. Dazu kommt, dass die steigende Erwärmung der Schneeschicht mehr Schmelzwasser in Spalten drückt und Felsteile förmlich „heraussprengt”. Das rasch zunehmende Abschmelzen der Gletscher ist die größte Gefahr, mahnt auch Skilegende Felix Neureuther. Die Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere, Berge und Umwelt seien dramatisch.

Skigebiet
Remmidemmi ist nicht mehr nur auf der Piste. © iStock / Getty Images Plus / Chris Gordon / Cybernesco

Der Wintersport tut sein Übriges. Es ist kaum das Skifahren selbst. Es ist die Infrastruktur, die dem Ökosystem Alpen zusetzt. Mehr und mehr Flächen werden für Pisten, Lifte, Parkplätze und die rustikale Brotzeit gerodet. Freizeitaktivitäten im Schnee – auch abseits des Skifahrens – werden beliebter. Und kommerziell interessanter. Die verdichteten Flächen verdrängen die Pflanzendecke und lassen nur noch wenig Wasser versickern. Ideale Voraussetzungen für Erosion, die Aushöhlung des Fels. Geröll- und Schlammlawinen bei Starkregen und Schneeschmelze sind die Folge.

Die natürlichen Selbstheilungskräfte der Berge können dieses Tempo nicht mitgehen. Klimabedingte Schneemängel werden mit Kunstschneekanonen kompensiert. In Ischgl, immerhin über 2.000 Meter hoch gelegen, werden 90 Prozent der Pisten mindestens zusätzlich beschneit. Wasserverbrauch: mehr als eine Million Liter pro Hektar. Das im Frühjahr zusätzlich abfließen muss. Die nahegelegenen Speicherteiche beeinträchtigen die Natur noch dazu.

Die gute Nachricht: Jede*r kann Klima und Umwelt helfen

Zum Glück lassen sich viele Dinge besser, der Skiurlaub ökologischer machen. Und das beginnt bereits in den ersten Zügen der Anreise. Menschen können lieber mit der Bahn fahren als sich in aufgestaute Blechlawinen zu Ferienzeiten einzureihen. Schon vor dem ersten Fußabdruck im Schnee gelingt so ein vorbildlich ökologischer. Auch Busse und Fahrgemeinschaften verbessern das Verhältnis von Anzahl Pistenfans je Verbrennungsmotor.

Jedes Wochenende in ein Skigebiet zu starten, kostet viel Geld – und wertvolle Punkte in der Ökobilanz. Eine Woche am Stück ist nachhaltiger. Umweltfreundlichkeit lässt sich bei Übernachtung und Versorgung fortführen. Luxushotel oder Bauernhof? Braucht es frische Handtücher und Bettwäsche im täglichen Wechsel? Mit Freund*innen ein Apartment teilen? Alles zielführende Überlegungen. Der Trend von Unterkünften mit Öko-Siegeln wächst übrigens – das ist eine gute Nachricht.

Die Wahl des Reiseziels ist der größte Hebel – nicht nur, weil Anreisezeit und Verweildauer mit der Destination korrelieren. Regionen mit Vorbildcharakter sind an einigen Merkmalen zu erkennen. Schlepplifte schaden dem Untergrund, Sessellifte und Seilbahnen nicht. Dass Pisten markiert sind, hat einen Grund, sogar zwei: die eigene Sicherheit und den Schutz noch unberührter Natur. Ein Skigebiet ohne Schneekanonen ist ökologisch die bessere Wahl. Auch kleinere Skigebiete sind es. Weniger Pistenkilometer bedeuten weniger Rodung, weniger Lifte, weniger Schneeraupen. Und mal ehrlich: Braucht man auf Skiern täglich eine andere Piste?

Aprés-Ski in der Gipfelhütte ist lustig. In der Talschänke auch. Nur, dass die komplette Versorgung nicht unter hohem Energieaufwand den Berg hinaufgeschafft wurde. Und letztlich: Rücksicht und gute Kinderstube sind auch auf dem Berg gefragt. Auf den Wegen bleiben und die Natur schonen, in der Nähe von Tieren ein paar Dezibel gelassener sein, allen Müll wieder mit ins Tal nehmen. Genial einfach. Wer in Regionen reist, die es besser machen wollen – oder schon tun – unterstützt diese Projekte finanziell, und animiert andere zum Nachziehen.

Schwer zu kompensieren

Zahlreiche Projekte bieten auch Privatnutzer*innen an, ihre CO2-Kosten für Flüge zu kompensieren. Mit der fälligen Summe werden Aufforstungen oder der Schutz von Mooren unterstützt. Was super klingt, hat einen gewichtigen Haken: Bis diese Maßnahmen wirken, vergehen Jahre bis Jahrzehnte. Viel effektiver ist es, unnötiges CO2 gar nicht erst zu verursachen. Vermeiden wirkt effektiver als kompensieren.

Frau beim Skifahren in den Bergen
Wer seine Hausaufgaben macht, kann die Pisten mit gutem Gewissen herunter brausen. © iStock.com / michelangeloop

Schnee von gestern?

Müssen Skifans nun in Panik verfallen, gesenkten Hauptes den sich ändernden Umständen weichen, mindestens ihr schlechtes Gewissen pflegen? Ja.

Denn Zahlen von internationalen Wissenschaftler*innen zeigen, wie ernst es um die Alpen steht. Erhöht sich die mittlere Temperatur in den kommenden Jahren um ein Grad Celsius, wirkt bereits dieser Anstieg verheerend. Nur ein Viertel der deutschen Skigebiete in den Alpen blieben dann natürlich beschneit.

Steigt die mittlere Temperatur sogar um zwei Grad, sind die Folgen noch gravierender, wie eine Studie im Auftrag des Deutschen Alpenvereins zeigt. Lediglich vier deutsche Skigebiete böten genügend Naturschnee für die Wintergaudi.

Auch die Forschenden des Schweizer Instituts für Schnee- und Lawinenforschung in Davos berechnen dramatische Zahlen. So könnte die natürliche Schneedecke in den bayerischen Alpen bis zum Ende des Jahrhunderts um 70 Prozent schmelzen. Nur in den Höhenlagen Bayerns wäre der Naturschnee im Winter noch sicher.

Eine der beliebtesten deutschen Alpenregionen spürte in den vergangenen 50 Jahren diese negative Entwicklung besonders gravierend. Im Berchtesgadener Land schrumpfte der Zeitraum, in dem Wintersport möglich ist, um insgesamt 33 Tage (Erfassungszeitraum 1970 bis 2010).

Fazit: Gemeinsam ist es möglich

Trotz dieser Folgen, die sich immer stärker anbahnen, muss niemand den Kopf in die nächste Schneewehe stecken. Denn noch kann etwas bewirkt werden. Wenn jeder eine Kleinigkeit dazu beiträgt, die Belastung für die Berge und die Umwelt zu reduzieren, wird daraus etwas Großes. Gelebter Klimaschutz.

Machbar im alltäglichen Leben, auf dem Weg in den Schnee und mittendrin. Die Berge, für die Westeuropäer besonders die Alpen, sind ein wunderbarer Ort für (winterliche) sportliche Aktivitäten und Erholung. Bei maßvollem, sorgsamen Umgang bleiben sie es noch lange. Ein Winter Wonderland.

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