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Neuroathletik: 6 effektive Übungen für dein Gehirn

In deinem Körper schlummern ungeahnte sportliche Potenziale. Die Neuroathletik soll diese herauskitzeln. Wie das Training für dein Gehirn funktioniert und welche Übungen du kennen musst.

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Beinahe schelmisch streckt er die Zunge heraus. Schielt und rollt mit den Augen. Was wie die Beschreibung eines frechen Kindes klingt, ist eine Szene aus Alexander Zverevs Training. Statt Gewichten aus schwerem Eisen fixiert der Tennisprofi einen schmalen Faden mit den Augen. Von außen mutet es ungewöhnlich an, aber Zverev schwört auf neuroathletische Übungen.

Die Trainingsmethode soll sich positiv auf das zentrale Nervensystem auswirken. Sie verspricht außerdem mehr Kontrolle über den Körper und dessen Bewegungen. Auch sollen Sporttreibende schwerwiegende Verletzungen vermeiden können. Zverev erreichte mit der Trainingsmethode ein neues Leistungsniveau und gewann 2021 in Tokio die olympische Goldmedaille.

Eine Leistungssteigerung und Verletzungsprävention durch Gehirntraining – das sind kühne Versprechen. Wie soll das funktionieren?

Was ist Neuroathletik?

Neuroathletik ist ein Trainingskonzept. Es bezieht sich auf einige spezifische Trainingsmethoden und -techniken. Diese sollen das neurologische System optimieren und dadurch auch die athletische Leistung verbessern.

Durch gezielte Übungen – diese werden später im Text vorgestellt – stärken Menschen ihre neuronalen Verbindungen. Diese beeinflussen die motorischen Fähigkeiten und die Wahrnehmung von äußeren Reizen.

Tennisspielerinnen und -spieler erkennen beispielsweise besser, in welche Richtung ein Ball fliegt. Auch können sie die Filzkugel genauer mit dem Schläger treffen.

Wie beeinflusst das Gehirn die sportliche Leistung?

Obwohl du fit bist, stockt der Formaufbau? Das kann Kopfsache sein. Denn all deine Muskelimpulse beginnen im Gehirn. Es sendet Informationen über die Nervenbahnen zu deinen Muskeln und diese kontrahieren. Ist der Kopf blockiert, sind die Leitungen lahmgelegt, kann der Körper nicht das gesamte Leistungsvolumen abrufen.

Forschende vermuten den Grund in der Evolution des Menschen. „Als Erstes will das Gehirn überleben“, erklärt es der Neuroathletik-Experte Lars Lienhard, der mit Zverev zusammenarbeitete. Was das heißt?

Durch den Überlebensdrang beurteilt das Gehirn regelmäßig, wie sicher eine Anstrengung ist. Wer sich auf der Flucht vor Fressfeinden zu lange verausgabte, dass er danach lange ruhen musste, war leichte Beute. Deswegen drosselte das Gehirn vorsorglich die Leistung.

Heute muss dein Gehirn das Überleben bei Anstrengungen selten sichern. Der Schutzmechanismus ist jedoch noch immer aktiv und schränkt dich bei besonders intensiven oder unbekannten Bewegungen ein. Das können Schmerzen in den Muskeln sein, eine verminderte Kraftausdauer oder Bewegungseinschränkungen.

Neuroathletisches Training soll die benötigten Gehirnareale stimulieren und diese Limitierungen auflösen. Anders als herkömmliche Workouts fokussieren die Trainingseinheiten nicht die körperliche Stärkung, sondern die Verarbeitung von externen Reizen. Dadurch sollen ausreichend Informationen zu deinem Gehirn gelangen. Je hochwertiger diese sind, desto besser sollst du eine Bewegung ausführen können.

Wie seriös ist die Neuroathletik?

Viele Sportlerinnen und Sportler integrieren neurotathletische Übungen in ihren Trainingsplan. Eine wissenschaftlich umfassende Bestätigung für die Effektivität der Einheiten gibt es noch nicht. Einige Studien legen aber ihre positive Wirkung nahe. Das gilt besonders in der Verletzungsprävention. Ein kurzer Überblick:

In einer Studie an der Universität im US-amerikanischen Cincinnati führten die Forschenden in der Saisonvorbereitung neuroathletisches Training mit einem Footballteam durch. In der vierjährigen Untersuchung sank die durchschnittliche Anzahl diagnostizierter Gehirnerschütterungen der Spieler von 8,75 auf 1,5 pro Saison.

Auch deuten Untersuchungen darauf hin, dass die Trainingsform deine Reaktionsschnelligkeit verbessern kann. Eine Studie mit Fußballspielern an der Sporthochschule Köln zeigte einen leichten Anstieg verschiedener reaktiver Funktionen durch kognitives Training.

Die versprochene Leistungssteigerung belegte eine Studienanalyse des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. In den Tests absolvierten die Teilnehmenden verschiedene Sportarten, die Kraft, Ausdauer oder visuell-motorische Fähigkeiten abverlangten. Durch die vorherige Hirnstimulation konnten dabei selbst Profi-Sportlerinnen und -sportler ihre Leistungen steigern.

Durch die geringe Studienanzahl fehlt der Neuroathletik jedoch noch die finale Evidenz. Potenzial hat die Methode für viele Vereine und Aktive dennoch. Der Deutsche Fußball-Bund richtete beispielsweise einen eigenen Trainingsbereich für Neuroathletik ein und fördert die Forschung.

In welchen Sportarten profitierst du besonders von Gehirntraining?

In Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren beanspruchst du deine Muskeln lange und intensiv. Empfindet dein Gehirn diese Anstrengung als gefährlich, limitiert es dich. Dadurch ermüden deine Muskeln schneller oder sie zwicken. Mit neuroathletischem Training kannst du diesen Prozess hinauszögern. Kann dein Gehirn auch bei intensiver Belastung hochwertige Informationen aufnehmen, fühlt es sich weiterhin sicher und veranlasst Bewegungen uneingeschränkt.

Erfordert deine Aktivität Präzision, feilst du mit der Trainingsmethode an deiner Feinmotorik. Bewegungen führst du nach den Übungen exakter aus. Das verbessert deinen Abschlag auf dem Golfplatz oder deinen Wurf beim Basketball. Zusätzlich förderst du deine Koordination und räumliche Wahrnehmung. Dadurch bekommst du präziser mit, was um dich herum geschieht und kannst rascher auf ungewohnte Spielsituationen reagieren.

Das hilft auch in Sportarten, die gleichbleibende Bewegungsabläufe beinhalten. Durch neuroathletisches Training sollst du Bewegungen wie das Kraulen beim Schwimmen effizienter koordinieren und ausführen. Bist du im Kampfsport aktiv, schulst du mit der Methode deine Reaktionsfähigkeit, die dir im Kampf entscheidende Vorteile verschafft.

Was musst du beim Gehirntraining beachten?

Verfolgst du mit der Methode ein sportliches Ziel, ist eine Trainerin oder ein Trainer empfehlenswert. Sie leiten dich an, korrigieren deine Ausführung und überwachen deine Reaktion. So vermeidest du negative Effekte des Trainings, zum Beispiel eine psychische Belastung.

In der Neuroathletik beanspruchst du deine Muskeln wenig, trotzdem kann das Training anstrengend sein. Die gesteigerte Hirnaktivität laugt dich unter Umständen aus wie ein langer Lauf. Bist du erschöpft, solltest du deine Einheit beenden. Auch beim Gehirntraining ist Regeneration essenziell. Laut Experte Lars Lienhard sind 20 bis 30 Minuten neuroathletisches Training pro Tag sinnvoll, wenn du Erfolge erzielen willst.

Was sind die besten Übungen der Neuroathletik?

Damit du Reize aus deiner Umgebung aufnehmen und darauf reagieren kannst, nutzt dein Körper drei Systeme. Das visuelle System verarbeitet Informationen, die du mit den Augen wahrnimmst. Das vestibuläre System steuert dein Gleichgewicht und das propriozeptive System übermittelt Informationen über Aktivität, Zustand und Position deiner Muskeln, Sehnen und Gelenke an dein Gehirn.

Visuelles System

Übung: Finger folgen

Stelle dich aufrecht hin und halte deinen linken Arm auf Schulterhöhe gerade nach vorn. Strecke deinen Zeigefinger nach oben oder nimm einen Kugelschreiber zur Hilfe. Bewege deinen Arm nun langsam nach links und folge deinem Finger mit den Augen. Nun gehst du mit dem Zeigefinger nach oben und im Anschluss nach unten. Der Blick bleibt auf deinem Finger. Kehre in die Mitte zurück und wiederhole den Ablauf zur rechten Seite. Nach jeweils fünf Wiederholungen kannst du den Arm wechseln.

Übung: Die Acht

Suche dir eine freie Stelle im Raum, an der du dich uneingeschränkt bewegen kannst. Fixiere anschließend mit deinen Augen einen Punkt um dich herum. Hast du einen gefunden, läufst du zehn imaginäre Achten auf dem Boden. Dein Oberkörper bleibt dabei die ganze Zeit zu deinem Fixpunkt gerichtet.

Vestibuläres System

Übung: Kopfnicken und Schütteln

Eine simple Übung, die deinen Gleichgewichtssinn aktiviert. Besonders, wenn du tagsüber viel sitzt und dein Körper dich nur wenig stabilisieren muss. Bewege deinen Kopf dafür auf und ab und anschließend nach links und rechts. Dein Gleichgewichtsorgan im Ohr reagiert darauf. Dadurch verbesserst du die Haltungskontrolle deines Körpers.

Übung: Kopfnicken und Schütteln beim Gehen

Genau wie bei der vorherigen Übung fixierst du mit deinen Augen einen festen Punkt im Raum. Dein Blick bleibt während der gesamten Übung auf dem Fixpunkt. Nun bewegst du deinen Kopf auf und ab und gehst dabei auf den Fixpunkt zu und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Wiederhole diese Übung fünfmal. Im Anschluss führst du die Übung mit Kopfschütteln durch. Fixiere wieder einen Punkt im Raum und bewege nun deinen Kopf nach links und nach rechts. Während du die Kopfbewegung stets wiederholst, gehst du auf den Fixpunkt zu und wieder zurück. Wiederhole auch diese Übung fünfmal.

Propriozeptive System

Übung: Finger kreisen

Diese Übung kannst du auch am Schreibtisch durchführen. Strecke dafür nacheinander die Finger deiner Hände aus und kreise sie einzeln bis zu 15 Sekunden. Du wirst bemerken: Das geht nicht überall gleich gut. Durch die Übung sensibilisierst du deinen Körper für verschiedenste Positionen deiner Muskeln. Das gelingt auch mit allen anderen Gelenken.

Übung: Hase und Jäger

Eine knifflige Übung, die die Kommunikation zwischen deinen beiden Hirnhälften verbessern soll. Ist der Austausch gut, stärkst du deine Körperwahrnehmung. Forme dafür mit der linken Hand das Peace-Zeichen (Hase) und mit der rechten eine Pistole (Jäger). Diese richtest du auf deine andere Hand. Wechsle nun gleichzeitig die Positionen. Du wirst sehen: Das ist anfangs schwieriger als gedacht.

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