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Tuareg Rallye: Wenn die Navigation über Leben und Tod entscheidet

Lutz von Steynitz musste auf Wüsten-Rallyes schon hautnah erleben, welchen Preis der Wagemut verlangen kann. Warum er seine Abenteuerlust trotzdem auslebt und dank ihr sogar Leben retten kann.

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Wer mit Lutz von Steynitz spricht, muss aufpassen, dass man nicht aus Versehen ein Flugticket in den Süden bucht. So begeistert redet der 45-Jährige über eines seiner liebsten Hobbys. Regelmäßig nimmt er an der Tuareg Rallye teil. Das ist eine der anspruchsvollsten Wüstenrallyes der Welt. Mehr als 1.000 Kilometer schlängelt sie sich durch die Wüsten Nordafrikas.

Die sengende Hitze? Der Sand, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht? Kein Problem. Lutz, eigentlich ein Küstenkind aus dem Norden, sagt: „Man liebt die Wüste oder man mag sie nicht. Dazwischen gibt es meist nicht viel. Ich war als Student das erste Mal dort, und sofort hat es Klick gemacht.”

Das Besondere: Der Garmin-Produktspezialist fährt nicht einfach nur bei der sechstägigen Rallye mit, er hat auch eine besondere Aufgabe. Diese kann in bestimmten Situationen über Leben und Tod entscheiden. Ein Interview über Abenteuerlust, das richtige Maß an Besonnenheit und den Umgang mit fatalen Momenten.

Lutz fährt als Rettungswagenfahrer bei der Tuareg Rallye mit. © Lutz von Steynitz

#BeatYesterday.org: Lutz, du hast ein sehr spezielles Hobby. Du fährst bei Rallyes mit. Aber nicht einfach so, sondern mit einer speziellen Aufgabe. Erzähl.

Lutz von Steynitz: Ich bin einer der Rettungswagenfahrer bei dieser Wüstenrallye. Gemeinsam mit meinem Beifahrer, einem Notarzt, eile ich Teilnehmenden zu Hilfe, die auf der Strecke ein Problem bekommen.

#BeatYesterday.org: Was sind das für Probleme?

Lutz: Die Aktiven haben ein GPS-Gerät dabei. Es gibt zwei Knöpfe, mit denen sie die Hilfskräfte alarmieren können. Der eine weist auf einen medizinischen Notfall hin, der andere auf eine technische Problematik. Wenn die Fahrerinnen und Fahrer während einer Etappe in unserem Einsatzgebiet in eine ernste Notlage geraten, müssen wir möglichst rasch an der Unglücksstelle sein.

#BeatYesterday.org: Und was, wenn die Verunglückten bewusstlos sind, sie nichts senden können?

Lutz: Der Rennleitung fällt relativ zügig auf, wenn jemand nicht mehr vorankommt. Dazu sind alle Teilnehmenden angehalten, Unfälle von anderen zu melden.

#BeatYesterday.org: Die Tuareg Rallye findet in den Wüsten Nordafrikas statt. Ein sehr großes Areal. Wie findet ihr den Einsatzort?

Lutz: Wenn die Betroffenen ein Problem an die Rennleitung melden, übermitteln sie zugleich die aktuellen Koordinaten. Diese leitet das Organisationsteam an uns weiter. Wir geben den Standort in unserem Offroad-Navi von Garmin ein und sehen auf der Karte, wo wir hinmüssen – und genauso wichtig – wo wir uns momentan befinden.

#BeatYesterday.org: Warum sind die ersten Momente des Einsatzes extrem sensibel?

Lutz: Wir müssen die beste Route zum Einsatzort finden. Das ist gar nicht so simpel, wie es scheint. Nicht immer ist der kürzeste Weg der schnellste. Wählt man den falschen Kurs, bleibt man womöglich im losen Sand einer Düne stecken. Die Zeit, die das Freischaufeln kostet, kann am Ende den Verunglückten bei ihrer Behandlung fehlen. Die Auswahl der Route ist essenziell für den Erfolg unserer Mission.

#BeatYesterday.org: Was zeichnet in diesem Moment ein gutes Navigationssystem aus?

Lutz: Ganz klar das vorhandene Kartenmaterial. Wir müssen detailliert sehen, welches Terrain vor uns liegt, welche Hindernisse unter Umständen die Zuwegung zum Unfallort erschweren. Auf den neuesten Garmin-Geräten profitieren wir nicht nur von der exzellenten Kartengenauigkeit. Wir können bei Bedarf auch aktuelle Satellitenbilder abrufen. Auch das hilft bei der Analyse der Lage und im Besonderen bei meiner Aufgabe als Fahrer. Ebenso wichtig: Teilweise stehen wir mit dem Auto stundenlang in der Sonne. Die Scheibe heizt sich auf bis zu 80 Grad Celsius auf. Feiner Sand, der in das Auto dringt, ist immer ein Problem. Das Navi muss diese äußeren Belastungen aushalten. Wer offroad fährt, sollte sich auf die Robustheit eines Navigationsgeräts verlassen können.

Navigationsgeräte bei der Rallye
Exzellente Kartengenauigkeit, aktuelle Satellitenbilder und Robustheit sind für Rettungswagenfahrer bei einer Wüstenrallye extrem wichtig. © Lutz von Steynitz

#BeatYesterday.org: Die Navigation ist das eine, die Fahrt an sich das andere. Was ist das Entscheidende in dieser stressigen Phase?

Lutz: Es gibt einen Grundsatz, der über allem steht: arrive alive. Nur wenn wir unversehrt ankommen, können wir helfen. Wenn wir verunglücken und selbst Hilfe brauchen, verschlimmern wir das Problem. Sogar dann, wenn wir uns in der Hektik nur ver- oder festfahren, sind die Folgen möglicherweise fatal. Auch im höchsten Tempo muss ich als Fahrer besonnen bleiben.

#BeatYesterday.org: Wie gelingt dir das?

Lutz: Ich komme als Mensch gut mit Stress klar. Außerdem habe ich den eben angesprochenen Grundsatz verinnerlicht. Ich kann nur helfen, wenn ich überhaupt ankomme. Und ganz wichtig: Die Verunglückten sollten uns während der Alarmierung genauso unterstützen. Umso genauer das Lagebild, desto besser können wir die Situation beurteilen. Die Betroffenen sollten weitere Informationen über das Telefon an die Rennleitung durchgeben. Wenn der oder die Betroffene „nur“ leicht verletzt ist, können wir ruhiger machen.

#BeatYesterday.org: Mit dem Smartphone in der Wüste telefonieren – klingt abwegig.

Lutz: Da irren sich die meisten. Das Netz ist in den Wüsten Algeriens, Marokkos oder Tunesiens häufig besser als im deutschsprachigen Raum. Es gibt aber auch immer wieder Situationen und Abschnitte ohne Empfang.

#BeatYesterday.org: Was ist abseits von Dünen, Felsen und Senkungen der größte Risikofaktor auf der Strecke?

Lutz: Der Faktor Mensch, also die anderen Fahrenden. Unter Umständen müssen wir von unserem Checkpoint gegenläufig zur Etappen-Strecke zum Unfallort fahren. Uns brettern also die Menschen mit ihren Fahrzeugen entgegen. Und machen wir uns nichts vor: In Rennsituationen fahren manche im absoluten Rallyemodus im Tunnel. Sie nehmen nur die Strecke wahr, erwarten keinen Gegenverkehr, geben Vollgas. Wir müssen uns also mit Sondersignal und Scheinwerfern bemerkbar machen und vorausschauend fahren. Wir müssen einkalkulieren, dass sich niemand für uns interessiert.

#BeatYesterday.org: Bei aller Stressresistenz: Du hast dir einen verantwortungsvollen Job vorgenommen. Das Rallye-Feeling könntest du als Fahrer leichter aufsaugen.

Lutz: Als Teilnehmer könnte ich jederzeit das Rennen abbrechen, wenn es mir zu viel wird. Ich kann mich der komplexen Situation entziehen. In meiner momentanen Verantwortung habe ich diese Möglichkeit nicht. Ich muss liefern. Ich erfülle einen Zweck, eine Aufgabe. „Nee, zu gefährlich, zu langweilig, heute keine Lust“ – das gibt es bei mir nicht. Wenn ein Einsatz erforderlich ist, fahren wir los. Mit dem Auto und dem Navi als Rettungsmittel. Dieses Pflichtgefühl erfüllt mich.

#BeatYesterday.org: Nun bist du für Garmin in Garching tätig. Die nächste Wüste ist weit weg. Wie trainierst du für deine große Aufgabe?

Lutz: Es gibt einige Möglichkeiten. Sogenannte Offroad-Parks sind beliebt, manchmal reicht eine legal zugängliche Kiesgrube. Ein paar Fähigkeiten kann man sicher in Deutschland, Österreich oder der Schweiz trainieren. Wichtig ist: Das Fahren im Gelände lernt man nur beim Fahren im Gelände. Also in einer authentischen Offroad-Situation abseits der Zivilisation. Dadurch, dass ich mehr als 20 Jahren in der Wüste unterwegs bin, weiß ich mittlerweile, wie es geht.

#BeatYesterday.org: Wer einmal in der Wüste war, kann nachvollziehen, wie anstrengend diese Abenteuer sind. Die flirrende Hitze. Der Temperaturunterschied in fast frostigen Nächten. Der fiese Staub, der sich in Mund, Nase und Augen schleicht. Dazu lange Tage am Steuer. Wie hältst du das aus?

Lutz: Ich bin körperlich fit, was wichtig ist. Vor allem muss man aber mental gefestigt sein. Manchmal bewege ich mich bis zu 14 Stunden an und auf der Strecke. Oft passiert gar nichts, und dann entsteht plötzlich kurz vor Feierabend eine Notsituation.

#BeatYesterday.org: Wie erholst du dich?

Lutz: Nachts ist es im Lager laut, es wird repariert, geschweißt, gehämmert. Schlaf ist eine begrenzte Ressource. Erholung während einer Rallye? Sehr schwierig. Da wird geschlafen, wenn man eine Stunde hat. Wichtig ist deshalb, dass das, was man tut, einen erfüllt. Platt gesagt: Spaß macht. Wenn ich mitten in der Wüste stehe, kaum Geräusche wahrnehme, höchstens ein weit entferntes Brummen der Maschinen, dann bin ich sehr glücklich.

Lutz von Steyritz mit einem Kollegen
Lutz und sein Kollege Dr. Steffen Kühn. (v.l) © Lutz von Steynitz

#BeatYesterday.org: Wie bewertest du die zwischenmenschliche Chemie zum Notarzt, der dich begleitet?

Lutz: Unfassbar wichtig. Über Jahre bin ich mit demselben Kollegen gefahren. Auch zuletzt war ich nicht das erste Mal mit meinem Notarzt Steffen unterwegs. Dass wir quatschen und gemeinsam lachen können, hält wach. Und das fachliche Zusammenspiel muss natürlich funktionieren.

#BeatYesterday.org: Dein erster Job ist erfüllt, wenn ihr die Verletzte oder den Verletzten erreicht habt. Was fordert das Zusammenspiel mit dem Notarzt vor Ort heraus?

Lutz: Zunächst müssen sich Außenstehende bewusst sein, in welcher Situation Ärztinnen und Ärzte agieren. Das Prozedere erinnert an einen Einsatz im Katastrophenfall. Es gibt kein riesiges Team, auch keinen Rettungswagen. Der würde niemals über die Dünen kommen. Ein vollausgestatteter Rettungshubschrauber nach europäischem Standard mit Seilwinde ist in dieser Region leider keine Option. Der Arzt – oder die Ärztin – ist auf sich gestellt. Glücklicherweise bietet unser Toyota Landcruiser ausreichend Platz, um Verletzte liegend zu transportieren. Es kommt vor, dass wir bewegungsunfähige Verunglückte zu zweit in das Auto wuchten.

#BeatYesterday.org: Man weiß von berühmten Rallyes wie der Dakar, dass es in diesem Sport nicht bei Verletzten bleibt. Manchmal sterben Menschen. Wurdest du bereits mit einem fatalen Unglück konfrontiert?

Lutz: In den 20 Jahren, in denen ich das mache, gab es drei Worst Cases. Auch bei mir im Auto ist schon jemand gestorben.

#BeatYesterday.org: Wie gehst du damit um?

Lutz: Ich bin da nicht abgestumpft, aber abgeklärt. Ich war und bin mir bewusst, dass das passieren kann. Dass wir zu spät kommen oder es nie eine Chance gab, weil der Unfall zu schlimm war. Was alle im Lager tröstet, ist ein Gedanke: Wie dramatisch der Tod auch ist, die Verunglückten starben bei der Sache, die sie am meisten liebten. Das hilft während des Verarbeitungsprozesses. Gut ist, dass die Tuareg Rallye kein beinharter Wettkampf ist, sondern eher ein Hobbyrennen. Es gehen wenige das letzte Risiko ein.

#BeatYesterday.org: In den meisten Fällen geht es für dich und dein Team glimpflicher aus. Gibt es eine Rettungsmission, die dir im Nachgang besonders viel bedeutet?

Lutz: Jede erfolgreiche Rettung oder Bergung, sei es ein medizinischer Notfall oder ein technischer, bedeutet mir etwas. Wichtiger ist aber das, was uns die Fahrerinnen und Fahrer nicht nur nach einem Einsatz zurückgeben. Sie kommunizieren vor und nach den Etappen, wie wichtig unsere Anwesenheit für sie ist. Das wir ihnen ein Gefühl von Sicherheit schenken. Diese Gespräche abends, oft bei einem Freibier, vermitteln mir Wertschätzung. Es ist schön, wenn man gebraucht wird.

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© Lutz von Steynitz

#BeatYesterday.org: Es ging bisher vor allem um andere, die Hilfe benötigten. Warst du auch mal betroffen? Oder spitzer gefragt: War es knapp?

Lutz: Konkret kann ich mich an keine heikle Situation erinnern. Das ist das Gute, wenn man auf sich gestellt ist: Ich kann das meiste selbst kontrollieren. Das fängt damit an, dass ich immer für 36 Stunden Proviant im Fahrzeug habe. 6 Liter Wasser pro Tag und noch mal 9 extra. Falls doch mal ein Defekt zu einem sehr blöden Zeitpunkt auftritt. Auch ein inReach von Garmin gehört zu meinem Standardequipment. Mit Vorsicht und Umsicht lässt sich in der Wüste viel Risiko minimieren.

#BeatYesterday.org: Du bist Jahrgang 1977. Wie lange willst du die Strapaze Wüste noch mitmachen?

Lutz: Das Alter ist für mich nur eine Zahl. Das sehe ich übrigens in beide Richtungen. Als junger Mann habe ich es gehasst, wenn jemand sagte, dass ich noch nicht alt genug sei. Andererseits ist bei der Rallye ein fast Siebzigjähriger dabei, der mit seinem Lkw-ähnlichen Gefährt immer noch liegengebliebende Fahrzeuge abschleppt. Für das Abenteuer ist man nie zu alt. Vielleicht muss man sich nur irgendwann neue suchen. Aber so weit denke ich noch nicht.

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