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Wracktauchen: Wo die Dunkelheit regiert und Bilder Leben kosten

82 Meter Tiefe. Vollkommene Finsternis. 150 Kilogramm Ausrüstung. Dr. Steffen Scholz taucht als Wrackfotograf dorthin, wo seit hundert Jahren niemand mehr war. Wie arbeitet er in einer lebensfeindlichen Umgebung?

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Seit fast fünf Jahrzehnten arbeitet er da, wo Fehler tödlich sind. Und bringt Bilder mit, die verloren geglaubte Geschichten preisgeben. Storys, die sonst für immer verschwunden wären.

Dr. Steffen G. Scholz in roter Jacke
© Dr. Steffen G. Scholz / Underwater Projects

Vor Kurzem entdeckte Dr. Steffen Scholz mit einem Team, was andere seit Jahrzehnten aufspüren wollten. In 82 Metern Tiefe wartete ein Fund, der selbst die erfahrenen Profis unter Wasser schreien ließ.

Beat Yesterday: Steffen, warum zieht es dich in die Tiefe?

Dr. Steffen Scholz: Es ist die Leidenschaft, die Neugier. 1976 bin ich zum ersten Mal getaucht – motiviert durch meinen Vater. Er nahm mich mit zu Wracks, die damals entdeckt wurden. Geprägt haben mich auch Pioniere wie der französische Meeresforscher Jacques Cousteau.

Beat Yesterday: Was bedeutet dir das Tauchen heute?

Steffen: Heute tauche ich an Orte, an die kaum jemand kommt. Für mich ist es eine Verpflichtung. Ich will nicht nur hinuntergehen, sondern auch etwas mitbringen – meine Bilder.

© Dr. Steffen G. Scholz / Underwater Projects

Beat Yesterday: Mit welchem Ziel?

Steffen: Ich möchte Geschichten für all diejenigen erlebbar machen, die nicht hinabtauchen können.

Beat Yesterday: Was zeichnet denn ein schönes Wrack für dich aus?

Steffen: Ein Wrack ist für mich nie nur ein Stück versunkener Stahl. Es ist Geschichte, Natur, Emotion. Besonders faszinieren mich Wracks in großer Tiefe, die noch niemand betaucht hat. Das sind teils große Passagierschiffe mit gewaltigen Geschichten.

Für mich als Fotograf zählt auch die Kulisse. Bei 20 Zentimetern Sicht kannst du keine Emotionen transportieren. Bei 50 Metern schon. Das erweckt ein Wrack zum Leben.

Beat Yesterday: Du findest Wracks faszinierend. Sie sind aber oft ein Ort der Tragödie. Nicht selten sogar Gräber. Wie erlebst du solche Momente?

Steffen: Man ist zwiegespalten. Für mich beginnt ein Tauchgang lange vor dem Einstieg ins Wasser – in den historischen Archiven. Ich recherchiere die Geschichte, setze das Puzzle zusammen. Wenn ich dann unten bin, habe ich die letzten Minuten des Schiffs an der Oberfläche im Kopf. Was Menschen darüber berichtet haben. Das schafft natürlich Respekt.

Beat Yesterday: Tauchen in großen Tiefen – wie riskant ist das?

Steffen: Die Gefahr lässt sich selten in einzelnen Momenten komprimieren. Wir bewegen uns in Wahrscheinlichkeiten und bereiten uns auf jedes Szenario vor. Die größte Gefahr ist dabei nicht ein defektes Gerät, sondern der eigene Kopf. Wenn du in Panik verfällst und nicht mehr klar denkst, wird es gefährlich.

Beat Yesterday: Gab es schon Momente, in denen ihr in Lebensgefahr wart?

Steffen: Lebensgefahr im Sinne von „nur durch einen sehr günstigen Verlauf überlebt“ – nein, zum Glück nicht. Aber es gab Situationen, in denen wir nicht sofort die volle Kontrolle hatten. Je länger so eine Situation dauert, desto kritischer wird es.

Beat Yesterday: Von welchen Situationen sprichst du?

Steffen: Unerwartete Strömungen. Orientierungsverlust bei schlechter Sicht. Oder wenn man sich beim Arbeiten am Wrack in Netzen verfängt. Auch Geräteausfälle können passieren. Wenn das Kreislauftauchgerät nicht mehr funktioniert, wird es ernst.

Beat Yesterday: Du sprichst es an: Ihr benutzt aber Kreislauftauchgeräte. Was können die?

Steffen: Diese Geräte recyceln das Atemgas. Sie dosieren Sauerstoff nach und filtern das entstandene Kohlenstoffdioxid heraus. So können wir bis zu sechs Stunden tauchen, ohne an die Grenzen des Atemgases oder des Filters zu stoßen. Für solche Tiefen sind diese Systeme unverzichtbar.

Beat Yesterday: Wie lange reicht denn die Luft sonst da unten?

Steffen: Mit normalen Atemgasflaschen – vielleicht zehn Minuten. Je tiefer du tauchst, desto mehr Gas verbrauchst du.

Beat Yesterday: Tauchen wir mal aus der Vergangenheit zurück in die Zukunft auf. Dein aktueller Fund ist so phänomenal, dass er Schlagzeilen macht. Große Medien berichten. Erzähl uns davon.

Steffen: Viele suchten ihn seit über 20 Jahren – und wir haben ihn nun gefunden, als erstes Team: einen britischen Kreuzer aus dem Ersten Weltkrieg. Der letzte seiner Art, der noch vermisst war – die HMS Nottingham.

(Anm. d. Red.: Die HMS Nottingham ging im Ersten Weltkrieg 1916 durch drei Torpedotreffer verloren. 38 Besatzungsmitglieder des Kreuzers kamen bei dem deutschen Angriff ums Leben.)

Beat Yesterday: Wie kamt ihr auf die Spur?

Steffen: Wir haben vor gut einem Jahr angefangen, intensiv Archive zu durchforsten. Der Durchbruch kam im März, als wir das Logbuch der U-52 bekamen. Das ist das U-Boot, das die Nottingham versenkte. Dadurch eröffnete sich eine völlig neue Perspektive.

Beat Yesterday: Ihr habt also viele Daten gesammelt. Aber wie konntet ihr das Wrack letztendlich identifizieren?

Steffen: Mit einem Plan. Wir listeten eindeutige Merkmale auf: Anzahl und Größe der Kanonen, Länge, Breite, Details an Brücke und Ankeranlagen. Beim Tauchgang haben wir alles vermessen und fotografiert.

Beat Yesterday: Und dann?

Steffen: Am Heck kam es zu dem einen Moment. Auf einmal leuchteten uns die großen bronzenen Buchstaben entgegen: „Nottingham“. Niemand hatte das in den Plänen erwähnt. Ab da war klar: Wir haben sie gefunden. Unter Wasser haben manche vor Aufregung geschrien.

Beat Yesterday: Ihr habt die Nottingham in 82 Metern Tiefe entdeckt. Wie bringst du dort unten für deine Bilder Licht ins Dunkel?

Steffen: In dieser Tiefe arbeiten wir mit mehreren Lichtebenen. Ich tauche nie allein. Zwei oder drei Beleuchter sind dabei, die das Wrack aus verschiedenen Winkeln ausleuchten.

Das Timing muss einfach stimmen. Intensität, Position, der Moment. Ich würde sagen: 70 Prozent der Bildgestaltung passiert über Licht, nicht über die Kamera.

Beat Yesterday: Wie hält man das eigentlich körperlich aus, bei all der Ausrüstung und stundenlangen Tauchgängen?

Steffen: Die größte Anstrengung kommt vor dem Sprung. Da trägst du fast alles, was du für Stunden brauchst. Allein das Kreislauftauchgerät auf dem Rücken wiegt 80 Kilo. Dazu kommen fünf oder sechs Reserveflaschen, Scooter, Kameras, Licht. Am Ende hängst du mit etwa 150 Kilogramm am Körper an der Reling und willst nur noch ins Wasser.

Unter Wasser selbst versuche ich, Anstrengung zu vermeiden. Wir nutzen Scooter, die uns ziehen. Um Kräfte zu sparen und die Dekompression nicht zu verlängern.

Beat Yesterday: Was ist der Schnappschuss deines Lebens?

Steffen: Ein Bild bleibt für mich besonders: die Propeller der Britannic. Das ist das Schwesterschiff der Titanic. 120 Meter tief, kieloben. Heißt: Das Schiff liegt falsch herum auf dem Meeresboden.

Auf meinem Foto sieht man die gewaltigen Schrauben, zwei Taucher, das Licht und einen Schwarm Fische. Für mich fasst es alles zusammen. Die Größe, die Geschichte und das Leben unter Wasser.

Beat Yesterday: Was bei der Technik eben nicht zu Sprache kam: Wie genau unterstützt dich Garmin bei solchen Vorhaben?

Steffen: Sicherheit ist alles. Da verlasse ich mich auf Technik, die funktioniert. Mein Garmin-Tauchcomputer Descent X50i ist für bis zu 200 Meter Tiefe ausgelegt. Er berechnet die Dekompression exakt und ist dort unten perfekt ablesbar.

Dazu habe ich von Garmin das inReach als Satelliten-Notfallgerät dabei. Falls wir nach Stunden auftauchen und das Boot fehlt, kann ich weltweit Hilfe rufen. Zum Glück musste ich es noch nie nutzen. Aber allein es dabei zu haben, gibt Sicherheit.

Und bei der Wracksuche setzen wir Sonartechnik ein – auch da liefert Garmin großartige Produkte. Das Ganze ist wie ein durchgängiges Ökosystem. Die Geräte tauschen Informationen aus, alles greift ineinander. So wird aus vielen Puzzleteilen ein funktionierender Plan für komplexe Tauchgänge.

Beat Yesterday: Apropos Dekompression – das ist ein besonders heikles Thema. Wer hier Fehler macht, riskiert sein Leben, denn die sogenannte Taucherkrankheit kann tödlich enden. Wie steuert ihr den Aufstieg?

Steffen: Er dauert mehrere Stunden. Wenn wir zu schnell auftauchen, passiert dasselbe wie bei einer Sprudelflasche: Gas entweicht – in unserem Fall im Körper. Das darf nicht passieren. Deshalb müssen wir dem gelösten Gas Zeit geben, über die Lunge abgeatmet zu werden.

Das bedeutet stundenlange Dekompressionsstopps. Nach einem 20-minütigen-Tauchgang in 160 Metern Tiefe dauert der gesamte Aufstieg bis zu fünf Stunden. Der erste Stopp erfolgt bereits bei 90 Metern, danach geht es in Drei-Meter-Schritten weiter. Je näher wir der Oberfläche kommen, desto länger werden die Stopps. Der letzte kann bis zu 90 Minuten dauern – bei sechs bis drei Metern Tiefe.

Beat Yesterday: 90 Minuten – kurz vor der Oberfläche. Was für ein Geduldsspiel. Wie schlägst du die Zeit tot?

Steffen: Beim Wracktauchen sind die flachen Stopps nicht ganz ungefährlich. Man hat das Gefühl, schon zuhause zu sein und wird unkonzentriert. Dabei können Leichtsinnsfehler entstehen. In dieser Phase zählt volle Aufmerksamkeit.

Ich selbst habe mir dabei eine schlechte Angewohnheit zugelegt: Um die Zeit totzuschlagen, werfe ich manchmal schon einen Blick auf die Vorschaubilder meiner Kamera. Keine gute Idee.


© Dr. Steffen G. Scholz / Underwater Projects

Beat Yesterday: Gibt es Wracks, die du unbedingt noch finden willst?

Steffen: Konkrete Projekte kann ich nicht verraten. Aber ich kann sagen: Die Liste wird nicht kürzer, sondern immer länger.

Beat Yesterday: Wohin zieht es dich am meisten?

Steffen: Nordatlantik und Nordeuropa. Das Kontinentalschelf, also der Bereich mit relativ flachem Wasser, ist dort riesig. Es gibt Tiefen, in denen wir noch tauchen können. Und viele Wracks, die noch auf mich warten.

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Über diesen Artikel

Redakteurin Alina Scheibe

Autor:in:

Alina Kuhnert

Als Redakteurin bei BeatYesterday.org hat Alina ein Faible für psychische Gesundheit, Ernährung – und für …

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