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Richtig abtrainieren: Warum es für die Lebensqualität so wichtig ist

Nach Jahren des intensiven Sports spontan aufhören? Keine gute Idee! Für einen Körper, der viel Training gewöhnt ist, kann das gefährlich enden. Wie das sogenannte Abtrainieren funktioniert.

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103 Karrieretitel, 1251 Siege bei nur 275 Niederlagen, 310 Wochen an der Spitze der Weltrangliste. Roger Federer prägte den Tennissport wie nur wenige vor ihm. Bis zum 23. September 2022, als der Federer-Express ein letztes Mal aufschlug.

Doch der verdiente Ruhestand war für den Schweizer nicht sofort angesagt. Auch nach seiner Laufbahn musste er weiter trainieren, wenn auch nicht mehr mit der früheren Intensität. Und das ist wichtig!

Denn ist der Körper einmal an große sportliche Leistungen gewöhnt, kann ein abrupter Trainingsstopp gefährliche Folgen haben. Welche das sind und wie du richtig abtrainierst, verrät dieser Beitrag.

Was ist Abtrainieren?

Abtrainieren ist ein Prozess, bei dem Sportlerinnen und Sportler nach ihrer Karriere ihren Trainingsumfang schrittweise reduzieren. Das ist besonders im Leistungssport essenziell, weil die Körper der Profis an die intensiven Belastungen angepasst haben. Durch diese Anpassungsprozesse arbeitet beispielsweise das (durch den Sport deutlich vergrößerte) Herz effizienter und die Lunge kann mehr Sauerstoff aufnehmen. Auch Sehnen, Gelenke und Bänder halten dadurch stärkere Belastungen aus. Klingt alles gut – doch es drohen auch Probleme für Körper und Geist.

Welche Folgen kann fehlendes Abtrainieren haben?

Körperliche Folgen

Zwar bilden sich vergrößerte Organe wie das Herz von allein zurück. Ein gewisses Grundmaß an Bewegung ist jedoch wichtig, „damit Kreislauf und Stoffwechsel gesund bleiben.“ Das erklärt der Leiter der Sportmedizin an der Universität Tübingen, Andreas Nieß, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Eine Studie der Medizinischen Universität Bialystok in Polen zeigte außerdem, dass ein Trainingsstopp die Herzstruktur verändern kann. Zusätzlich können Herzrhythmusstörungen auftreten.

Auch Muskelschmerzen können entstehen, wie Prof. Predel erklärt, weil ihnen der gewohnte Reiz fehlt. Dies führt zu Spannungszuständen. Bei vollständigem Trainingsstopp kann die Muskelmasse schon in einer Woche um fünf Prozent abnehmen. Geschieht das zu schnell oder ungleichmäßig, treten beispielsweise Rückenprobleme gehäuft auf.

Ein besonders häufiges Problem betrifft das Gewicht. Im aktiven Alltag verbrennen Sportlerinnen und Sportler viele Kalorien und nehmen sie über eine erhöhte Nahrungsaufnahme wieder zu sich. Fällt der Kalorienverbrauch durch mehrstündiges Training weg, nehmen viele Aktive rasch zu.

Hinweis: Eine Untersuchung der Universität des Saarlandes ergab, dass durch den plötzlichen Trainingsstopp auch das akute Belastungssyndrom entstehen kann. Dieses äußert sich beispielsweise durch Herzschmerzen, Schwindel oder Verdauungsstörungen.

Mentale Folgen

Deutlich herausfordernder ist das Karriereende meist für den Kopf. Sportliche Ziele verschwinden, das Wettkampfgefühl fehlt plötzlich. Was jahrelang das Leben bestimmte, ist nicht mehr da. Das kann die mentale Gesundheit beeinträchtigen.

Eine Studie der Flinders University in Australien zeigte, wie vielfältig die Folgen sein können. Bei ehemaligen Profis stieg das Risiko für Angstzustände und Schlafstörungen. Auch litt das allgemeine Wohlbefinden.

Eine Studienanalyse der Universität in Toronto ergab außerdem, dass bei ehemaligen Athletinnen und Athleten häufiger kognitive Beeinträchtigungen und Depressionen auftreten. Auch Alkoholmissbrauch ist verbreiteter. Betroffene können zudem unter einer Identitätskrise leiden, und die Etablierung neuer Routinen fällt ihnen oft schwer.

Interessant: Laut den Forschenden leiden Sportlerinnen und Sportler, die unzufrieden aufhören, häufiger unter mentalen Problemen.

Was ist beim Abtrainieren wichtig?

„Wer auftrainiert, muss auch abtrainieren und das ganz gezielt, also nach Plan“, erklärt Prof. Hans-Georg Predel vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln im Gespräch mit DW. Denn beim Abtrainieren ist es entscheidend, dass die Belastung nicht zu schnell reduziert wird. Andernfalls bleibt dem Körper keine Zeit für die notwendigen Anpassungsprozesse.

Die ausgeübten Sportarten der Leistungssportlerinnen und Leistungssportler können dabei variieren. Laut Prof. Predel ist die Art der Belastung weniger entscheidend als ihr Umfang. „Das Mindestmaß sind 150 bis 300 Minuten pro Woche“, empfiehlt der Experte.

Umfang der Einheiten

Beim Abtrainieren sollte die Belastung schrittweise reduziert werden. Besonders in den ersten Wochen ist es wichtig, dass das Training den Körper dennoch fordert. So können sich die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System langsam an den neuen Alltag gewöhnen und Schmerzen werden vermieden. Weniger als die Hälfte des gewohnten Trainingsumfangs sollte es zu Beginn nicht sein.

Während des Abtrainierens sind keine intensiven Workouts erforderlich. „Es ist sinnvoll und gesundheitlich empfehlenswert, weiterhin regelmäßig reduziertes Ausdauertraining zu betreiben“, erklärt Prof. Dr. Ingo Froböse in einem Vortrag am Olympiastützpunkt in Dortmund.

Dauer des Abtrainierens

Prof. Dr. Froböse betont zudem, dass das Abtrainieren nach besonders langen Karrieren ein fortlaufender Prozess sein kann. Er empfiehlt eine Mindestdauer von 24 Monaten, besser jedoch fünf Jahre, um dem Körper eine gesunde Umstellung zu ermöglichen.

Hilfe beim Abtrainieren

Expertinnen und Experten fordern seit Langem, dass Profis nach dem Karriereende eine fortlaufende Betreuung erhalten. Zumindest im ersten Jahr des Ruhestands. Diese Betreuung soll vor allem vor mentalen Folgen schützen und einer ungesunden Gewichtszunahme durch nicht angepasstes Essverhalten vorbeugen.

Aktive, die sich bisher nicht mit dem Abtrainieren beschäftigt haben, sollten zudem mit einer Sportärztin oder einem Sportarzt zusammenarbeiten. Das ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, wie die ehemalige Fußballerin Simone Laudehr erklärt: „Ich habe keine Ahnung davon, wie viel ich tun muss, um gut abzutrainieren.“ Ein mit Fachleuten erarbeiteter Trainingsplan sowie regelmäßige Gesundheitschecks sind ebenso empfehlenswert wie eine psychologische Betreuung.

Fazit: So solltest du abtrainieren

Etabliere neue Trainingspläne und Ziele

Nach Jahren intensiven Trainings kann ein abruptes Ende der Belastung deinem Körper und deiner mentalen Gesundheit schaden. Reduziere die Intensität und den Umfang deiner Einheiten daher schrittweise. Ganz aufhören solltest du nicht, da dies die Struktur deines sportlichen Alltags rauben und psychisch belasten kann. Etabliere stattdessen einen lockeren Trainingsplan, der deinen Körper moderat fordert. Setze dir außerdem kleine sportliche Ziele, die dich motivieren – etwa, indem du eine neue Aktivität ausprobierst oder dich auf deine Gesundheit fokussierst.

Beachte Regeneration und Erholung

Nicht nur während deiner aktiven Trainingslaufbahn, sondern auch danach ist Regeneration wichtig, damit dein Körper sich an die geringere Belastung anpassen kann. Kombiniere deine Regeneration mit leichten Aktivitäten wie Dehn- oder Mobilitätsübungen. So verhinderst du Muskelschmerzen während der Anpassungsprozesse und steigerst dein Wohlbefinden.

Passe deine Ernährung an

Viele ehemalige Sportlerinnen und Sportler nehmen nach der Karriere an Gewicht zu, häufig aufgrund einer unveränderten Ernährung. Während des Abtrainierens solltest du deshalb auch deinen Speiseplan anpassen, da dein Körper deutlich weniger Kalorien benötigt. Nimm ausreichend Proteine, Vitamine und Mineralstoffe zu dir, um Muskelabbau vorzubeugen und deine Knochengesundheit zu fördern.

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Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
  1. https://deutschlandachter.de/2019/06/26/interessanter-vortrag-klart-uber-das-sportlerherz-auf/
  2. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/nach-dem-hochleistungssport-abtrainieren
  3. https://www.germanjournalsportsmedicine.com/fileadmin/content/archiv1999/Heft0708/1999_07-08_ABTRAINING.pdf
  4. https://spolex.de/lexikon/abtrainieren/
  5. https://www.dw.com/de/zu-viel-der-muskeln-wenn-leistungssportler-abtrainieren/a-60066014
  6. https://www.sueddeutsche.de/sport/nach-olympia-kraft-lass-nach-1.3130024
  7. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10381883/
  8. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1936657421000790
  9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10333093/
  10. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2024/07/die-welt-wird-faul-bewegungsmangel-ist-globaler-trend-who
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7593778/
  12. https://www.mdpi.com/2077-0383/13/8/2343
  13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10513329
  14. https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2024.1350925/full
  15. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10978592/
  16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10513329/

Über diesen Artikel

Kevin Berg © Redaktion

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Kevin Berg

Kevin Berg ist seit 2019 #BeatYesterday-Redakteur mit vielen Interessen. Als Journalist wurde Kevin an einer …

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