Jeden Tag eine Stunde laufen. Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami hat darüber ein Buch geschrieben. Ein inspirierendes Werk über Selbstführung und bewegte Gesundheit. Für viele ist es ein unerfüllbarer Traum.
Guy Almog aus München, Jahrgang 1978, hat ihn sich dagegen nicht nur erfüllt. Er hat ihn sogar übertroffen. Den Traum auf den Traum gesetzt, sozusagen. Nicht nur läuft Guy seit 2019 jeden Tag, er hat auch ein Jahr lang täglich einen Halbmarathon absolviert. Ganz ohne Druck und Zwang, irgendwie aus dem Herzen heraus. Wie er das geschafft hat, verrät er im Interview.

Beat Yesterday: Guy, du läufst seit einem Jahr jeden Tag einen Halbmarathon. Warum?
Guy Almog: Ich habe relativ spät mit dem Laufen angefangen. Ich war damals 38. Da habe ich gesehen, dass es mir liegt. Dass ich es gut kann, dass es leicht für mich ist. Irgendwann bin ich fast täglich gelaufen. Es gab mal fünf Tage, mal sieben am Stück, dann zwei Wochen. So ist irgendwann dieser Streak entstanden. Ich habe irgendwann einfach nicht mehr aufgehört.
Beat Yesterday: Wie lang ist der aktuelle Streak?
Guy: Ich laufe Stand heute – 31. Juli 2025 – 2101 Tage am Stück. Insgesamt habe ich mit dem finalen Halbmarathon mein anderes Ziel geschafft: Ich bin seit 2019 mehr als 40.075 Kilometer gelaufen. Und damit einmal um den Erdball.
Beat Yesterday: Warst du nie krank?
Guy: Ich war mal leicht erkältet und hatte kleine Verletzungen. Dann bin ich rausgegangen und habe geguckt: Wie verletzt bin ich eigentlich? Witzigerweise hatte ich vor dem Halbmarathon-Versuch ein paar Probleme, die Hamstrings – die hinteren Oberschenkelmuskeln – haben gezogen. Ich konnte nicht länger als zwei Kilometer laufen. Irgendwann ging es, nach 14 Tagen begann es dann mit dem Halbmarathon. Wichtig hier: Rückblickend war es fast ein bisschen doof. Niemand sollte Verletzungen riskieren. Bitte nicht nachmachen!
Beat Yesterday: Wie lang brauchst du für einen Halbmarathon?
Guy: Meinen Alltags-Halbmarathon laufe ich in 1 Stunde und 45 Minuten. Das ist mein Wohlfühltempo. Meine Bestzeit lag bei 1 Stunde und 24 Minuten.

Beat Yesterday: Wie bekommst du das zeitlich hin? Immerhin reden wir von weit mehr als 600 Stunden, die du allein im vergangenen Jahr gelaufen bist.
Guy: Das ist das Schwierige. Ich habe einen stinknormalen Bürojob und eine Familie mit zwei Kindern. Ich sag: Entweder laufe ich zwischendurch, davor oder danach. Wenn ich ein Kind in die Schule bringen muss, sollte ich vorher damit fertig werden. Oder das mit dem Laufen verbinden.
Beat Yesterday: Wie hat sich das Leben verändert?
Guy: Mir ging es körperlich nie besser. Das Laufen bereichert mein Leben. Nur ist der Kopf auch sehr damit beschäftigt. Wenn ich abends im Bett bin und merke, dass der morgige Tag voll wird, krieg ich Gänsehaut. Verdammt, das wird morgen kompliziert mit dem Streak, denke ich.
Beat Yesterday: Was müsste passieren, damit du aussetzt?
Guy: Wenn ich keinen Spaß mehr habe, würde ich aussetzen. Die Zahlen und persönlichen Rekorde mag ich natürlich – aber sie sind nicht meine treibende Kraft. Das ist die Freude. Ich quäle mich nicht, denn Qual wäre ein Grund, damit so langsam aufzuhören. Ich tue es, weil mich Laufen glücklich macht.

Beat Yesterday: Aber was würde jetzt dazu führen, dass du wirklich innerlich gegen den Streak streikst?
Guy: Im amerikanischen Magazin „Streak Runners International” berichten auch die Läuferinnen und Läufer, die aufgehört haben. Einer ist schwer krank geworden, ein anderer hatte plötzlich keine Freude mehr. Wieder ein anderer hat seinen Lauf einfach vergessen. Irgendwas davon wird mich irgendwann auch ereilen.
Beat Yesterday: Wie sieht die Familie diesen sportlichen Wahnsinn?
Guy: Sie unterstützt mich – obwohl ich sehr genau weiß, dass auch andere dafür bezahlen, wenn ich etwas nicht hinkriege. Wenn eine Alltagsaufgabe liegen bleibt, muss meine Frau das erledigen. Das will ich natürlich vermeiden. Die Kunst ist nicht das Laufen, sondern die Logistik. Wie bekomme ich es hin, dass niemand darunter leidet, dass ich so viel Zeit für mich brauche. Das schaffe ich oft – aber leider nicht immer.
Der kürzeste und der längste Lauf des Streaks
Zwei Kilometer – so lang war die kompakteste Strecke, die Guy in seinen sechs Jahren als Streakrunner lief. Die längste betrug ganze 81 Kilometer – bei einem Rennen in München.
Beat Yesterday: Wie sieht dein Ritual aus? Ich meine: Wer mehr als 300 Wochen jeden Tag rennt, muss ja ein System haben, mit dem er dranbleibt.
Guy: Es gibt einen Trick, es konsequent durchzuhalten: Bereits am Vortag den nächsten Lauf komplett durchzuplanen. Ich weiß schon am Vorabend, wann, wo und wie ich am kommenden Morgen laufe. Ich bereite die Laufsocken vor, die Klamotten liegen bereit. Ich schlafe fast noch, wenn ich auf der Strecke bin. Ich sorge dafür, dass ich mich vor dem Lauf um nichts kümmern muss. So arbeite ich mich Tag für Tag nach vorne.

Beat Yesterday: Wie oft hast du die Strecke gewechselt?
Guy: Donnerstags habe ich eine Laufgruppe, da sind wir immer ähnlich unterwegs. Ansonsten ist es abhängig vom Alltag. Wenn ich meinen Sohn zur Schule bringe, laufe ich eine Schleife zur Isar und dann am Fluss entlang. Ich weiß, und das ist witzig, mittlerweile genau, wie ich für die Kilometer laufen muss. An der dritten Brücke würde ich auf 18 kommen, bei der vierten auf 21. So orientiere ich mich. 70 Prozent der Halbmarathons fanden auf derselben Strecke statt.
Beat Yesterday: Begleitet dich auch manchmal die Familie?
Guy: Mein Sohn fährt mit dem Rad in die Schule, während ich ihn laufend begleite. Das sind aber nur so zwei Kilometer.

Beat Yesterday: Hast du sowas auch: Kein-Bock-Tage?
Guy: Wenn ich das Interview führen würde, könnte ich die Antwort kaum glauben. Aber: Nein. Ich liebe das Laufen. Nach ein paar Schritten schreit das innere Kind in mir „Juhu“.
Beat Yesterday: Wie wappnest du dich gegen klassische Verschleißverletzungen?
Guy: Ich treffe klare Entscheidungen beim Material. Schwitze ich zu viel in Socken, sortiere ich sie sofort aus. Fühlen sich die Schuhe nicht richtig an, gehe ich genauso vor. Alles, was nicht gut ist, kommt weg. Bei achttausend Kilometern im Jahr brauche ich schon so acht Paar frische Schuhe. Alle tausend Kilometer sollte man ja wechseln.

Beat Yesterday: Wie feierst du deinen täglichen Erfolg?
Guy: Gar nicht spektakulär. Ich versinke aber gerne in den Daten. Schaue sie mir genau an, ziehe sie zu Strava um. Das ist so ein Ritual: Abends Garmin checken und noch mal sehen, was ich geschafft habe.
Beat Yesterday: Was sagt eigentlich der Erholungsratgeber?
Guy: Der Erholungsratgeber empfiehlt nach jedem Tag mittlerweile 72 Stunden Pause. Gut gemeint – aber mein Kopf denkt gerade nicht an Pause.
Beat Yesterday: Und deine VO2max?
Guy: Die steht bei 60. Ich war sogar mal besser, bei 61. Da habe ich für einen Marathon trainiert. Und den im Bienwald sogar in meiner Alterskategorie gewonnen. Da hatte ich richtig hart dafür gearbeitet. Jetzt, durch das stete Halbmarathon-Laufen, ist die VO2max etwas runtergegangen.

Beat Yesterday: Wie hat sich dein Körper in all den Jahren verändert? Du sprachst ja eingangs von mehr Fitness. Aber es dürfte auch äußerlich einiges passiert sein.
Guy: Ich war nie dick, eher schlank gebaut. Aber trotzdem mit so einem kleinen Bierbauch. Ein Kollege sagte: Guy, du musst mal was tun. Und dann habe ich was getan. Der Bauch ist längst weg. Durch das tägliche Laufen kann ich alles essen und trinken, was ich will. Das ist vielleicht das Beste.
Beat Yesterday: Wie hast du deinen 365. Halbmarathon hintereinander gefeiert?
Guy: Eine lockere Runde mit Freunden. Dann Kaffeetrinken und ein Bier am Vormittag. Gar nicht spektakulär, kein besonderes Event. Wie gesagt: Die Zahlen sind nebensächlich. Es ist das tägliche Gefühl.
Beat Yesterday: Zum Abschluss: Was ist das Schönste, das du in den vergangenen sechs Jahren gespürt hast?
Guy: Dass ich nicht langsamer, sondern schneller werde. Dass es immer leichter wird. Das ist ja der Vorteil, wenn man so spät wie ich mit dem regelmäßigen Laufen anfängt: Die ganzen Erfolgserlebnisse, die man sonst mit Mitte zwanzig macht, kommen jetzt mit bald fünfzig. Und vielleicht kann man sie altersbedingt sogar noch etwas mehr wertschätzen. Ich werde gerade nicht schlechter, sondern immer noch besser. Das ist ein gutes Gefühl.
Selbstführung lernen
Jeden Tag laufen – dafür braucht es neben gesunden Beinen vor allem einen fitten Kopf. Und den kannst du mit Selbstführung trainieren. Unser Autor hat es vorgemacht – mit einer Million Schritten in 27 Tagen. In diesem Beitrag lernst du viel über die Basis erfolgreicher Streaks – und wie du aus einer Krise stärker hervorgehst.
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