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Peter Steiner: „Nie zu spät, Schwimmen zu lernen”

Der Wiener Schwimmlehrer Peter Steiner bringt Kindern und Erwachsenen das Schwimmen bei. Ein Gespräch über Frauen, Männer und ihre #BeatYesterday-Momente im Wasser.

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#BeatYesterday: Peter, du bist Schwimmlehrer und bringst Kindern und Erwachsenen das Schwimmen bei. Wie viele Erwachsene kommen im Jahr zu dir?

Peter: Das sind circa 100 Erwachsene pro Jahr. Dazu lehren wir an unseren fünf Standorten 3.000 bis 3.500 Kinder das Schwimmen. Die Zahl schwankt aber immer ein bisschen.

#BeatYesterday: In Deutschland gibt es Statistiken, die sagen, dass jeder vierte Erwachsene nicht schwimmen kann. Wie ist das in Österreich?

Peter: Die Werte hier ähneln sicher denen in Deutschland. Wobei es auch eine Dunkelziffer gibt und viele Fragezeichen. Sehr viele Österreicher haben in der Schule zwar das Schwimmen gelernt, doch sie sind seit Jahren nicht mehr richtig geschwommen. Sie haben kein Sicherheitsgefühl im Wasser. Und erst wenn das da ist, kann man ja richtig schwimmen.

#BeatYesterday: Wie kommt die erstaunliche Zahl zustande?

Peter: Wir merken ein Gefälle zwischen der Stadt und dem Land. Gerade im ländlichen Raum gibt es seit Jahren ein Bädersterben. Das Geschäft lohnt sich für die Betreiber nicht mehr. Und da sich im Sommer nur zwei, drei Monate für das Schwimmen in den Seen eignen, haben viele Menschen auf dem Land auch gar nicht die Möglichkeit, regelmäßig ins Wasser zu gehen.

#BeatYesterday: Wie sieht der typische Erwachsene aus, der bei euch schwimmt?

Peter: Es gibt da kein klares Profil, im Gegenteil: Es ist sehr breit gefächert. Es gibt Frauen und Männer, die sind Anfang 20. Und dann den vermeintlich 79-jährigen Senior, der eigentlich ein paar Jahre über 80 ist. Er hatte sich jünger gemacht, weil er dachte, dass die „80” für uns eine Grenze sei. Er dann nicht mehr zu uns kommen dürfe. Was natürlich falsch ist. Jeder kann zu uns kommen.

#BeatYesterday: Was motiviert Erwachsene, um doch noch Schwimmen zu lernen?

Peter: Der über 80-jährige Mann hatte sich aus Scham gemeldet. Er war auf Kur, hatte dort Freunde kennengelernt. Dann stellte sich heraus, dass er der Einzige in der Runde war, der nicht schwimmen konnte. Das hat ihn geplagt. Das wollte er ändern.

#BeatYesterday: Gibt es Altersgruppen, die sich besonders häufig melden?

Peter: Es gibt im Leben ja ein paar Meilensteine, die einen Menschen besonders zum Nachdenken anregen. Die Jobsuche oder die Ausbildung zum Beispiel. Einige unserer Kursteilnehmer sind noch sehr jung, sie wollen zur Feuerwehr, Polizei oder in einen pädagogischen Beruf. Da müssen sie aber richtig schwimmen können. Dann gibt es die baldigen Eltern, die ein Kind erwarten, und das Gefühl haben, sie sollten vorher noch das Schwimmen lernen. Auch der nahende Schwimmunterricht der Kinder in der Schule kann sehr motivierend sein. Und auch im Pensionsalter beschäftigen sich viele Senioren mit dem Schwimmenlernen.

#BeatYesterday: Warum?

Peter: Nicht nur, weil es ein gelenkschonender und gesunder Sport ist. Sondern weil sie überhaupt jetzt erst die Zeit haben, wieder schwimmen zu gehen. Die Kinder sind aus dem Haus, die Arbeit ist gemacht. Erst im Becken merken sie: Es schwimmt sich nicht mehr so leicht wie früher. Weil sie ihre technischen Fehler nicht mehr über die eigene Kraft korrigieren können. Oder weil sie anders im Wasser liegen.

#BeatYesterday: „Weil sie anders im Wasser liegen“?

Peter: Mit dem Alter verändern sich ja bei vielen Menschen die Proportionen. Manche nehmen durch die fehlende Bewegung zu, andere nehmen ab, weil sich die Muskeln abbauen. Dadurch verlagert sich der Körperschwerpunkt. Das verändert den Auftrieb im Wasser. Manche haben das Gefühl, beim Schwimmen vorne über zu kippen. Andere liegen viel tiefer im Wasser als früher. Gerade bei älteren Kursteilnehmern geht es oft darum, die Technik zu verbessern oder um sich an die neue Lage im Wasser zu gewöhnen.

#BeatYesterday: Ich dachte immer, Schwimmen sei wie Fahrradfahren. Das verlernen wir nicht.

Peter: Es ist ja die Frage, wie intensiv man das Schwimmen gelernt hat. Wenn es nur darum ging, sich irgendwie schwimmend über Wasser zu halten, hat man ja die Technik und das Gefühl nie verinnerlicht. Lernen wir das Schwimmen intensiv und mit allen wichtigen Elementen, verlernen wir es auch nie wieder. Was nicht heißt, dass es nicht manchmal sehr hilfreich und auch notwendig sein kann, dass die Technik im Alter noch mal aufgefrischt wird.

Ein Schwimmlehrer aus Leidenschaft: Peter Steiner bringt Erwachsenen in Wien das Wasser näher. © privat
Ein Schwimmlehrer aus Leidenschaft: Peter Steiner bringt Erwachsenen in Wien das Wasser näher. © privat

#BeatYesterday: Was ist der schwierigste Schritt, wenn man als Erwachsener schwimmen lernen will?

Peter: Der erste Anruf bei uns oder einer anderen Schwimmschule. Das kostet sehr viel Mut und Überwindung. Wenn sie erst mal in der Halle sind, dann geht das eigentlich.

#BeatYesterday: Wenn ich an Schwimmkurse für Erwachsene denke, dann habe das Bild von Frauen und Männern vor Augen, die mit Schwimmflügeln am Beckenrand stehen.

Peter: Das ist ja das Gute am Schwimmenlernen bei Erwachsenen: Die Aufsichtspflicht als Schwimmlehrer ist nicht so extrem wichtig wie bei jungen Schwimmschülern. Erwachsene können ja anders als Kinder eigenverantwortlich handeln und das Risiko einschätzen. Sie benötigen also keine fest fixierten Sicherungshilfen. Sie nutzen daher Schwimmbretter für die Fuß- und Beinbewegungen und klassische Hilfsmittel, die etwas mehr Auftrieb geben. Schwimmnudeln zum Beispiel.

#BeatYesterday: Wie groß sind die Gruppen eigentlich bei den Erwachsenen?

Peter: In der Regel besteht eine Erwachsenen-Gruppe aus sechs Schwimmern. Bei den Kindern meist aus acht.

#BeatYesterday: Finden die Kurse eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt?

Peter: Nein, in der Regel nicht. In manchen Bädern, in denen wir lehren, gibt es halt Zeiten, da ist man komplett alleine. Aber ich habe in den Jahren nie schlechte Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: Es ist positiv, weil es eine Normalsituation ist, dass auch andere im Wasser sind.

#BeatYesterday: Was ist der größte Unterschied bei der Schwimmschulung von Kindern und Erwachsenen?

Peter: Ich muss die Übungen sehr viel logischer und detaillierter erklären als bei Kindern. Erwachsene hinterfragen mehr. Kinder folgen den Anweisungen schneller, sie machen es einfach und lernen sehr intuitiv.

#BeatYesterday: Fällt das Schwimmenlernen den Erwachsenen trotzdem leichter?

Peter: Jein. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schwimmschülern sind größer. Es gibt Kursteilnehmer, die überwinden relativ schnell die Scheu vor dem Wasser, verlieren die Angst und bewegen sich nach 30 Minuten sehr gekonnt im Becken. Die folgenden Kursstunden dienen eher der Steigerung des Sicherheitsempfinden. Bei einigen hat es dagegen sehr starke psychologische Gründe, warum sie Angst vor dem Wasser haben. Das sind Kindheitstraumata. Die Furcht ist extrem groß und damit auch die Hemmschwelle. Wir müssen uns für Einzelfälle sehr viel Zeit nehmen, um die Knoten zu lösen.

#BeatYesterday: Musst du als Schwimmtrainer auch Psychologe sein?

Peter: Könnte man sagen. Ich muss Ängste mit rationalen Erklärungen entkräften. Das dauert seine Zeit. Gerade dann, wenn die Furcht emotional sehr tief sitzt. Da bin ich vielleicht kein Psychologe, aber sicher ein Begleiter, der viel Vertrauen bei den Schwimmschülern aufbauen muss. Sie müssen mir und dem Wasser vertrauen.

#BeatYesterday: Ich denke sofort an meinen Schwimmunterricht. Da standen einige Klassenkameraden auf dem Startblock. Die Angst lief ihnen damals tränenreich über die Wangen.

Peter: So dramatisch ist es nicht. Bei den wenigsten Erwachsenen fließen die Tränen. Aber manchmal steht man schon 15 Minuten mit ihnen gemeinsam am Beckenrand und macht Mut.

#BeatYesterday: Was sind die wichtigsten Schlüsselmomente beim Schwimmenlernen für Erwachsene?

Peter: Die ähneln denen von Kindern. Es geht zu Beginn darum, ein Gefühl für das Wasser zu bekommen. Den Auftrieb zu spüren. Ihn vielleicht sogar als Genuss wahrzunehmen. Ganz wichtig ist, auch das erste Mal den Kopf unter Wasser zu haben und dann wieder aufzutauchen. Alleine die Vorstellung löst bei vielen Panik aus. Hat man es einmal gewagt, ist die Angst jedoch meist schon überwunden. Die Kursteilnehmer erkennen: So schlimm ist das gar nicht. Man taucht ja wieder auf. Ähnlich ist es beim Springen. Der erste Sprung ist immer der Schlimmste.

Die Erfolgsquote ist hoch: Fast jeder Schwimmschüler schwimmt am Ende des Kurses seine eigenen Bahnen. © privat
Die Erfolgsquote ist hoch: Fast jeder Schwimmschüler schwimmt am Ende des Kurses seine eigenen Bahnen. © privat

#BeatYesterday: Ich stelle mir die erste Kursstunde für einen Erwachsenen sehr frustrierend vor. So viel Scham, so viel Angst.

Peter: Ich erlebe oft das Gegenteil. Die erste Stunde ist eher sehr befreiend. Weil sie sich getraut haben, überhaupt zum Kurs zu gehen. Jetzt wird das Problem ja angepackt. Und einige spüren im Wasser sofort, dass das nichts Schlimmes ist. Im Gegenteil: Dass dieses Element wirklich ein Genuss sein kann.

#BeatYesterday: Was ist dir in deinen Kursen besonders wichtig?

Peter: Generell ist es mir wichtig, immer wieder neue, kleine “Extremsituationen”, also Reize zu schaffen. Wir gehen im Hallenbad oft in den Tiefwasser- oder Wellenbereich. Auch das macht vielen zunächst Angst – doch ist diese überwunden, ist es keine Extremsituation mehr. Und wir wollen genau das ja erreichen: Dass unsere Teilnehmer sicher schwimmen können. Bei verschiedenen Bedingungen. Dass sie vor dem Freiwasser, das manchmal wellig und tief ist, Respekt haben – aber eben keine Furcht mehr. Was nützt es, wenn unsere Kursteilnehmer die Technik perfekt beherrschen, sich aber immer noch unsicher fühlen?

#BeatYesterday: Gibt es einen Trick, die Angst zu nehmen?

Peter: Ein Klassiker ist es, zu zeigen, wie stark der Auftrieb im Wasser ist, wie er einen hochzieht. Dazu muss man nur komplett im Wasser stehen, etwa zwei Meter tief, und die Füße auf den Beckenboden stellen. Dann die Beine anziehen, hoch zur Brust. Der Auftrieb zieht sofort nach oben, bringt einen sofort an die Oberfläche. Das zeigt vielen: Das Wasser ist nichts Schlimmes, sondern etwas Gutes. Es trägt einen.

#BeatYesterday: Wie lange braucht der durchschnittliche Erwachsene, um Schwimmen zu lernen?

Peter: Ein Kurs dauert bei uns zehn Tage a 45 Minuten. Das reicht für die allermeisten, um das Gefühl für das Wasser zu bekommen und die Grundlagen zu erlernen. Wir empfehlen oft noch einen zweiten Kurs. Da geht es um das „sichere Gefühl” oder um das Erlernen anderer Schwimmstile. Manche, die mehr Zeit brauchen, machen auch drei Kurse. Jeder hat da sein eigenes Tempo. Wichtig ist am Ende nur das Resultat. Und spätestens nach dem dritten Kurs kann eigentlich jeder schwimmen.

#BeatYesterday: Geben viele auf?

Peter: Nein. Bisher hat noch jeder das Schwimmen gelernt, der es wirklich wollte. Wer die erste ganz große Hürde nimmt, sich für den Kurs anzumelden und auch hinzugehen, der will es auch wirklich schaffen. Der will nicht zurück. Und der packt es dann.

#BeatYesterday: In Deutschland gibt es das Seepferdchen, Bronze, Silber und Gold als klassische Schwimmabzeichen. Verleiht ihr sowas auch?

Peter: Ja, auch wenn die Schwimmabzeichen bei uns anders benannt sind. Unser Ziel ist es, die Erwachsenen das Frei- oder das Fahrtenschwimmerabzeichen zu verleihen. Dass sie also gewisse Strecken über eine gewisse Zeit schwimmen können. Und gerade bei den jungen Erwachsenen, die für ihre Ausbildung das Schwimmen erlernen, müssen wir ohnehin einen Nachweis ausstellen.

#BeatYesterday: Hältst du Kontakt zu den Erwachsenen, denen du das Schwimmen gelehrt hast?

Peter: Das ist wenn die Ausnahme. Es würde ja den Rahmen sprengen, wenn ich zu jedem Kontakt halte.

#BeatYesterday: Also gibt es keine enge Verbindung?

Peter: Manchmal baue ich zu einigen Teilnehmern eine besondere Bindung auf, gerade zu denjenigen, die sich in sehr kleinen Zügen das Element Wasser erschließen. Das ist übrigens genauso bei den Kindern. Bei denen, denen es richtig schwerfällt, freut man sich am Ende vielleicht etwas mehr, wenn auch sie ihr Ziel erreichen. Am schönsten ist es, wenn ich ehemalige Kursteilnehmer in der Halle treffe. Die ganz normal zum Schwimmen ins Bad kommen. Da weiß ich, dass unsere Schwimmkurse den Menschen wirklich geholfen haben. Dass wir ihnen unser Element, das Wasser, als Genuss nahebringen konnten. Ein mittlerweile 100-Jähriger, der erst im hohen Alter das schwimmen lernte, schwimmt auch heute noch seine Bahnen. Das ist beeindruckend.

#BeatYesterday: Wie wichtig ist es, dass Erwachsene ihre Kinder früh zum Schwimmen schicken?

Peter: Es ist essenziell. Ich appelliere oft an die Eltern und sage: Schickt eure Kinder möglichst früh zum Schwimmtraining. Ihr tut damit nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Je früher wir anfangen, desto leichter haben wir es später. Und Schwimmen ist für mich nichts, was man einfach nur gelernt haben muss. Schwimmen ist eine Lebensgrundlage.

#BeatYesterday: Dein Schlusswort an alle Erwachsenen, die nicht schwimmen können.

Peter: Es ist nie zu spät, um das Schwimmen zu lernen.

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Über diesen Artikel

Hannes Hilbrecht

Autor:

Hannes Hilbrecht

Hannes ist mittlerweile seit mehr als zehn Jahren als Journalist tätig – davon fünf als …

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