Die Sache mit dem Glück scheint besonders in Deutschland eine heikle Sache zu sein. Zuletzt verlor das Land einige Plätze im globalen Glücklichkeits-Ranking. Von Platz 16 ging es runter auf Platz 24. Auch sonst hört man vielerorts vor allem ein Be- und Wehklagen. Vieles ist blöd, die Stimmung mies, die Hoffnung scheint ganz schön eingestaubt. In der Schweiz (Platz 9) und Österreich (Rang 14) sind die Menschen momentan glücklicher dran.
Wer beim Thema Glück genauer hinschaut, erkennt jedoch auch etwas sehr Positives. So komplex ist das mit dem Glücklichsein gar nicht. Und man hat es doch mehr in der eigenen Hand, als man zunächst glaubt.
Vielleicht kommt es nur auf das richtige Verständnis der zwei unterschiedlichen Arten von Glück an, sagt Experte Micah Kaats. Was er damit meint, verrät der Harvard-Forscher im Interview.

Über Micah Kaats
Micah Kaats ist Doktorand in Public Policy an der Harvard Kennedy School. Zuvor arbeitete er am Wellbeing Research Centre der Universität Oxford. In seiner Forschung und schriftlichen Arbeit beschäftigt er sich mit den Themen Wohlbefinden, Wirtschaft und Ethik.
Beat Yesterday: Micah, du beschäftigst dich schon seit langem mit Glück und Wohlbefinden. Gleich zu Beginn eine sehr wichtige Frage: Wie glücklich fühlst du dich im Moment?
Micah Kaats: Genau jetzt, gerade in diesem Moment: sehr glücklich.
Beat Yesterday: Von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet: Was ist eigentlich Glück?
Micah Kaats: Ganz allgemein ist Glück eine subjektive Erfahrung. Es ist das, was wir fühlen. Es ist jedoch sinnvoll, zwischen unseren momentanen und unseren grundsätzlichen Gefühlen für unser Leben zu unterscheiden.
Die erste Definition von Glück betrachtet es als eine positive Emotion oder Stimmung, ähnlich wie Freude. Das ist wahrscheinlich das, was die meisten Menschen im Kopf haben, wenn sie an Glück denken. Die Forschung bezeichnet dies als positiven Affekt oder affektives Wohlbefinden.
Wir können Glück aber auch als eine positive Bewertung des Lebens insgesamt betrachten: Sind wir mit unserem Leben zufrieden? Spüren wir Sinn und Zweck? Dies bezeichnen Forscherinnen und Forscher als evaluatives Wohlbefinden. Darauf konzentrieren wir uns in der Regel in unserer Arbeit.

Beat Yesterday: Können wir lernen, glücklich zu sein?
Micah Kaats: Ja! Aber wir sollten uns hier an den Unterschied zwischen Affekt und Bewertung erinnern. Beide hängen zusammen und können verbessert werden.
Die Sache ist aber, dass es für beide Arten des „Glücklichseins“ unterschiedliche Faktoren gibt. Zum Beispiel beeinflusst, wie gut wir in der Nacht zuvor geschlafen haben, was wir täglich tun und mit wem wir Zeit verbringen, unser Glück im Moment. Gleichzeitig können unser Wohnort, der Job und das Gehalt wichtiger dafür sein, wie wir uns in unserem Leben insgesamt fühlen.
Vieles davon können wir ändern und verbessern. Trotzdem gibt es auch Aspekte, die unser Glück beeinflussen, aber auf die wir keinen Einfluss haben. Unsere Gene, unsere Kindheit, die politische Lage und sogar das Wetter!
Beat Yesterday: Das sind einige Faktoren. Welche sind Ihrer wissenschaftlichen Erfahrung nach diejenigen, die langfristig am glücklichsten machen?
Micah Kaats: Die Qualität unserer sozialen Beziehungen erweist sich oft als eine der wichtigsten Determinanten des allgemeinen Glücks. Dies wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Der vielleicht beste Beweis stammt aus der Harvard-Studie über die Entwicklung von Erwachsenen. Diese hat über mehr als 80 Jahre kontinuierlich die Gesundheit, das Glück und die Lebensumstände einer Stichprobe von Harvard-Absolventinnen und -Absolventen verfolgt.
Die Studie ergab, dass soziale Beziehungen zu den wichtigsten Faktoren gehören. Auf der anderen Seite können Einsamkeit und soziale Isolation verheerende Auswirkungen auf unser Glück haben.
Eine Studie schätzt die mit Einsamkeit verbundenen Gesundheitsrisiken auf das Niveau von 15 gerauchten Zigaretten pro Tag.
Micah Kaats
Beat Yesterday: Ich frage aus einem bestimmten Grund nach der Langfristigkeit. Ich habe oft das Gefühl, dass die schnell wirkenden Glücksbooster am Ende eher unglücklich machen. Wenn man sich ständig mit Schokolade belohnt, kann es passieren, dass man irgendwann traurig ist, weil man mit seinem Gewicht unzufrieden ist oder sich einfach krank fühlt. Und das ist nur ein Beispiel.
Micah Kaats: Sehr richtig. Leider gibt es keine Garantie dafür, dass das, was uns im Moment glücklich macht, uns auch dauerhaft glücklich macht. Daher sollten die Menschen immer beide Perspektiven im Auge behalten.
Beat Yesterday: Kann man eigentlich zu glücklich sein? Sodass eine Art Abhängigkeit vom Glück entsteht. Wie bei einer Droge?
Micah Kaats: Mir sind keine Untersuchungen bekannt, die belegen, dass zu viel Glück zu negativen Ergebnissen führt. Aber es ist definitiv wahr, dass eine zu starke Konzentration auf eine Art von Glück auf Kosten der anderen gehen kann.
Wenn wir uns nur auf das Glück im Moment konzentrieren, schlagen wir womöglich einen wenig zufriedenstellenden Lebensweg ein. Wenn wir uns andererseits nur darauf fokussieren, mit unserem Leben insgesamt zufrieden zu sein, könnte dies dazu führen, dass wir Aktivitäten nachgehen, die uns im Moment nicht besonders glücklich machen.
Ich bin mir sicher, dass uns dazu diverse Beispiele einfallen. Von Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, aber im Alltag dennoch ziemlich unglücklich wirken.

Beat Yesterday: Gibt es so etwas wie eine ungefähre Zeitspanne, in der Menschen am glücklichsten sind? Und wenn ja, wo liegt sie?
Micah Kaats: Die Forschung hat Hinweise auf eine „U-Form“ des Glücks über die gesamte Lebensspanne hinweg gefunden. Das heißt: Jüngere und ältere Erwachsene weisen tendenziell ein höheres Glücksniveau auf als Menschen mittleren Alters.
Neuere Studien zeigen jedoch besorgniserregende Hinweise auf ein abnehmendes Wohlbefinden bei jungen Menschen. Insbesondere in westlichen Ländern ist das auffällig. Deshalb wird die U-Form von einigen Forscherinnen und Forschern infrage gestellt.
Beat Yesterday: Haben die Menschen tatsächlich eine grundlegende Tendenz, unglücklich oder glücklich zu sein?
Micah Kaats: Das ist eine heiß diskutierte Frage in der Wohlbefindensforschung. Meiner Meinung nach gibt es für beide Seiten ziemlich gute Belege.
Einerseits scheinen Zwillingsstudien zu zeigen, dass die Genetik bei der Bestimmung unseres allgemeinen Glücks eine wichtige Rolle spielt. Längsschnittstudien haben außerdem ergeben, dass sich Menschen im Laufe der Zeit sogar an größere Lebensereignisse anpassen und zu einem Grundniveau des Glücks zurückkehren können.
Wenn wir uns jedoch auf der anderen Seite umsehen, gibt es erhebliche Unterschiede im Wohlbefinden zwischen Regionen und Ländern. Menschen, die in glücklichere Länder migrieren, werden im Laufe der Zeit selbst glücklicher. Das lässt daran zweifeln, dass wir alle ein festes Grundniveau des Glücks haben. Außerdem führen einige Veränderungen der Lebensumstände tatsächlich zu bedeutsamen und dauerhaften Verbesserungen des Wohlbefindens.
Sowohl angeborene als auch Umwelteinflüsse sind wahrscheinlich wichtig. Zumindest bis zu einem gewissen Grad.

Beat Yesterday: In einer speziellen Studie erforschen Sie derzeit Glücksfaktoren. Erzählen Sie uns davon: Worum geht es dabei?
Micah Kaats: Wir haben gerade die globale „Health and Happiness“ Studie in Zusammenarbeit mit Garmin und Avicenna gestartet. Sie soll weltweit das tägliche Wohlbefinden von Menschen anhand von Daten aus Umfragen, Smartphones und Smartwatches erfassen. Es wird die erste Studie dieser Art sein.
Beat Yesterday: Wie wird die Studie ablaufen – und welche Ergebnisse erhoffst du dir?
Micah Kaats: Wer mitmacht, muss täglich einige kurze Umfragen zu seinen Stimmungen und Emotionen beantworten. Außerdem bitten wir die Probandinnen und Probanden um die Daten ihrer Smartwatch von Garmin.
Beat Yesterday: Warum sind Smartwatches beim Thema „Glück“ so relevant?
Micah Kaats: Smartphones und tragbare Geräte sind für viele Menschen unglaublich wertvolle Hilfsmittel. Sie messen ihre körperliche Gesundheit und helfen dabei, die Fitness zu verbessern. Nun wollen wir sehen, ob wir mit Smartwatches auch die psychische Gesundheit und das Glück messen können.
Beat Yesterday: Du suchst Frauen und Männer, die sich an der Studie beteiligen wollen. Wie können sich Freiwillige die Teilnahme generell vorstellen?
Micah Kaats: Ja! Alle, die möchten, können sich schon jetzt auf unserer Website für die Studie anmelden. Die Studie wird acht Wochen dauern. In dieser Zeit beantworten die Teilnehmenden über eine Smartphone-Anwendung täglich drei kurze Umfragen. Der Zeitaufwand pro Tag beträgt etwa fünf Minuten.
Beat Yesterday: Welche Vorteile hat die Teilnahme an der Studie?
Micah Kaats: Wir haben viele positive Rückmeldungen aus den Pilotstudien erhalten. Teilnehmende berichten, dass sie durch die Studie ihre täglichen Stimmungen besser verstanden haben. Außerdem wurde ihnen klarer, was sie in ihrem Leben glücklich macht.
Darüber hinaus verlosen wir kostenlose Garmin-Geräte und gewähren den Teilnehmenden Rabatte auf Garmin-Produkte. Diese Vorteile werden in verschiedenen Phasen der Studie freigeschaltet – je mehr Meilensteine man erreicht, desto mehr kann man profitieren. Mehr dazu kann man hier nachlesen.
Am Ende der Studie erhalten alle einen individuellen Bericht, der detaillierte Informationen zur persönlichen Gesundheit und zum Glücksniveau enthält.
Beat Yesterday: Zum Schluss: Welchen Rat gibst du als Glücksexperte für ein langes und glückliches Leben?
Micah Kaats: Halte dich an die Dinge, an die du dich nicht negativ gewöhnst. Die erfüllend und lohnend sind, egal wie oft du sie tust. Für mich ist das in der Sonne sitzen, neue Musik entdecken und lange Spaziergänge machen. Verbringe auch Zeit mit den Menschen, die dir wirklich wichtig sind.

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