Body & Soul

Hypnose – „ein unspektakuläres Verfahren mit grandioser Wirkung!“

Mental Coach Janin Tesmer-Laß gibt im Interview Einblicke in das Thema Hypnose: Wann hilft sie weiter? Was passiert in Trance? Kann jeder hypnotisiert werden?

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In Hypnose nutzt man den Trancezustand als bewusstseinsverändernden Zustand, um tiefliegende Prozesse anzustoßen, Kräfte zu mobilisieren oder Emotionen im Unterbewusstsein zu erreichen, die mit eingeschaltetem Verstand nur sehr schwer erreichbar sind. Die Einsatzgebiete von Hypnose reichen von der Bekämpfung von Phobien, Versagensängsten oder Nikotinsucht über das Therapieren von Depressionen, Migräne, Übergewicht oder chronischen Schmerzen bis hin zur schmerzloseren Geburt („Hypnobirthing“). Aber nicht nur im medizinischen Bereich wird Hypnose erfolgreich eingesetzt, sondern auch im Leistungssport. Hier spricht man dann von mentalem Coaching. Hypnotherapeutin Janin Tesmer-Laß erklärt im Interview unter anderem, wie die Sportler durch Hypnosetechniken fokussierter, selbstbewusster und erfolgreicher werden können.

BeatYesterday (BY): Mythos Hypnose: Was ist dran am willenlosen Ausgeliefertsein? Und dem Glauben, sich im Anschluss an nichts mehr erinnern zu können?

Janin Tesmer-Laß  (JTL): Der Mythos ist darin begründet, dass es tatsächlich Techniken gibt – oder viel mehr Anbieter, die mit Hypnose in meinen Augen Schindluder betreiben. Das Versetzen in tiefe Trance wird in diesen Fällen zu Showzwecken oder Demonstrationen von Macht und Kontrolle genutzt. Das sind dann Einsätze von Hypnose, die berechtigterweise Misstrauen schüren und definitiv unethisch sind.

BY: Wenn Prominente in Hypnose-Shows plötzlich ein Huhn auf der Bühne zum Besten geben und sich im Anschluss scheinbar an nichts erinnern, dann wirkt das wie Fake. Laut dir, scheint das aber doch wahr zu sein.

JTL: Es ist möglich. Eine Showhypnose läuft meist so ab: Der Hypnotiseur holt viele Menschen auf die Bühne und macht dann so genannte Suggestibilitätstests. So sucht er sich über verschiedene Stufen systematisch diejenigen aus, die eine hohe Bereitschaft haben, sich in Trance hineinzusteigern und die Kontrolle abzugeben. Das scheinbar willenlose Ausgeliefertsein, das die Zuschauer da sehen ist also real. Allerdings hat es nichts mit seriöser Hypnosearbeit zu tun.

Nahezu jedermann kann in Trance gehen, deshalb kann auch jedermann Hypnose nutzen.

Janin Tesmer-Laß

BY: Was verstehst du unter seriöser Hypnose?

JTL: Hypnose ist eine Technik, die den Trancezustand als bewusstseinsverändernden Zustand nutzt. In Trance ist man in der Lage, Prozesse anzustoßen, Kräfte zu mobilisieren oder Emotionen im Unterbewusstsein zu erreichen, die mit eingeschaltetem Verstand nur sehr schwer erreichbar wären. Und genau darin liegt die therapeutische Kraft der Hypnose.

Mit seriösen Techniken „hypnotisiert“ man auch niemanden, sondern der Betreffende geht in Trance. In meiner Rolle als Coach nutze ich mein theoretisches und technisches Wissen, um dem Unterbewusstsein gewisse Impulse anzubieten, damit der Klient dann für sich herausfinden kann, was ihn weiterbringt. So erreichen wir als Team das Ziel.

BY: Wie kann ich mir das in der Praxis vorstellen? Kann sich jeder Mensch in Trance versetzen lassen?

JTL: Nahezu jedermann kann in Trance gehen, deshalb kann auch jedermann Hypnose nutzen. Trance ist im Grunde wie Tagträumen. Wenn ich jetzt zu dir sage: „Stelle dir vor deinem geistigen Auge einen Baum vor.” Was passiert dann?

BY: Mein Fokus verschwimmt und in dieser unscharfen Ebene erscheint ein Baum.

JTL: Genau! Du richtest den Blick nach innen. Und diese Fähigkeit hat jeder Mensch. Das ganze Verfahren ist eigentlich völlig unspektakulär,  weil es einen natürlichen Mechanismus nutzt. Die Wirkung ist aber grandios!

BY: Was erreicht man im Trancezustand?

JTL: Im bewussten Zustand ist die linke Hirnhälfte, die zuständig ist für Logik, Sprache und Verstand, dominant. In der durch Hypnose erreichten Trance ist zusätzlich die rechte Hirnhälfte besonders aktiv. Vorstellungsvermögen und Visualisierungsfähigkeiten nehmen deutlich zu und schaffen einen direkten Zugang zum Unterbewusstsein und zu unbewussten Prozessen. Der Verstand ist zwar nicht ausgeschaltet, kann sich aber nicht als „innerer Kritiker“ einmischen. So können gezielt verhaltensverändernde Impulse gesetzt und verankert werden.

Ob Leistungssteigerung im Sport, Heilung von Phobien oder als Vorbereitung auf eine anstehende Operation oder Geburt – lies hier, wie dich Hypnose im Leben weiterbringen kann.

BY: Wenn du als Hypnotherapeut den Trancezustand begleitest, findet also ein stetiger Dialog zwischen deinem Klienten und dir statt? 

JTL: Ja, ich arbeite mit aktiver Hypnose, das heißt, wir sind in Interaktion. Ich finde es wichtig, dass meine Klienten mitbekommen, was passiert. Deshalb arbeite ich in einer leichten bis mittleren Trancetiefe. So haben wir den  Verstand mit an Bord. Er kann beobachten, schaltet sich aber nicht aktiv ein und blockiert dadurch Impulse – sofern sich der Klient sicher fühlt. Mein Klient bestimmt dabei also den Weg. Die Frage, welche Technik dann im Detail angewendet wird, entscheidet dieser Prozess.

BY: Hast du ein Beispiel parat aus deiner Praxis?

JTL: Ich arbeite gerne mit Techniken, die der Klient auch selbst zu Hause nutzen kann. Mit einem 80-jährigen Klienten, dem eine Herzklappenoperation bevorstand, habe ich zuvor nur zwei Sitzungen mit Selbsthypnosetechniken und Silent Subminimals gemacht. Er wollte am Tag der OP keine Beruhigungsmittel haben. Das Klinikpersonal dachte, die Geräte seien kaputt, weil der Patient so entspannt war und einen erstaunlich niedrigen Puls hatte. Die Operation ist komplikationslos verlaufen. Aber das Interessantere war: Er hatte so eine gute und schnelle Regeneration, dass die Ärzte sich das in seinem Alter nicht erklären konnten.

Silent Subliminals

Bei Silent Subliminals werden exakt auf den Klienten abgestimmte positive, motivierende Sprachbotschaften (Affirmationen) aufgezeichnet. Im Anschluss wird der hörbare Frequenzbereich aus der Audiodatei gelöscht. Übrig bleibt vermeintliche Stille. Hört man diese „tonlose“ Restsequenz über Kopfhörer an, dringt die Botschaft im niedrigen, für uns Menschen nicht hörbaren Frequenzbereich direkt ins Unterbewusstsein. Ohne vom Verstand blockiert oder als nervend empfunden zu werden. Silent Subliminals wirken so als unbewusste positive Verstärkung und erweitern damit das Wirkungsspektrum der Trance.

BY: Gibt es noch ein Beispiel, vielleicht aus dem Bereich der Sporthypnose?

JTL: Ein junger Tennisspieler mit großem Potenzial scheiterte bei Turnieren wiederholt bereits in der zweiten Runde. Der Druck, unter den er sich selbst setzte und die „Erwartungen“ der Sponsoren ließen ihn in der Wettkampfsituation nur 40 Prozent seines Könnens abrufen. Mit jeder Niederlage ging er noch ängstlicher in ein Spiel. Wir haben mit Hypnosetechniken die Blockierungen gelöst und positive Botschaften über Silent Subliminals in seinem Unterbewusstsein verankert. Bereits nach zwei Sitzungen ist er in ein Turnier gegangen und hat es direkt gewonnen. Das konnte er selbst kaum fassen.

Autorin Judith hat im Zuge ihrer Recherchen eine Hypnose-Sitzung bei Janin Tesmer-Laß getestet. Lies hier ihren Erfahrungsbericht.

BY: Mit Hypnose bekommt man also Versagensängste in den Griff. Wann kann Sporthypnose Leistungssportler noch weiterbringen?

JTL: Eigentlich immer! Sportler wünschen sich den „Flowmodus“. Den Zustand optimaler Leistungsfähigkeit und den kann man vor allem im Einzelsport über Sporthypnose programmieren und im Wettkampf dann auf Knopfdruck abrufen. Negative Gefühle wie Leistungsdruck oder Erfahrungen aus vergangenen Niederlagen verhindern diesen Flowmodus. Überall, wo Emotionen entstehen, ist Hypnose eine super Technik darauf einzuwirken. Denn das Gehirn kann zwischen Realität und Fiktion nicht unterscheiden, sobald Bilder aufgerufen werden. Wenn ich mich also aktiv in diese positiven oder negativen Situationen vergangener Erfolge oder Niederlagen während eines Trancezustands hineinversetze, kann ich verankerte Muster abrufen, aktivieren und dann tatsächlich nachhaltig verstärken oder verändern.

BY: Welche bekannten Spitzensportler nutzen Hypnose als Trainingsbaustein?

JTL: Meine Klienten kann ich leider nicht nennen. Wenn ich aber das Verhalten einiger Sportler in der Wettkampfsituation beobachte, kann ich doch ein paar Namen nennen. Beim amerikanischen Schwimmer Michael Pelphs wette ich zum Beispiel darauf, dass er Sporthypnose anwendet. Genauso wie Golfspieler Jayson Day. Auch viele Wintersportler wie Slalom- oder Bobfahrer. Mittels Visualisierung bereiten sie sich mental vor, in dem sie durch Abrufen innerer Bilder die Rennstrecke gedanklich abfahren. So geben sie ihrem Organismus das Gefühl, er kenne diesen Kurs schon, er sei ihn schon tausendmal gefahren. Je öfter die Sportler diese Technik anwenden, umso sicherer werden sie dann im richtigen Durchlauf.

BY: Merkst du auch einen Zulauf von Breiten- bzw. Hobbysportlern?

JTL: Ja! Jeder, der einen aktiven und ambitionierten Sport betreibt, weiß genau, dass sich im Grunde alles im Kopf entscheidet. Mindsets wie Selbstvertrauen und Fokussierung, kannst du mittels Selbsthypnose festigen und gleichzeitig Ängste, Stress und Selbstblockaden abbauen. Und das kommt natürlich jedem Sportler zugute. Ich sage immer: Nicht jeder braucht Sporthypnose. Nur eben diejenigen, die mehr Spaß und Erfolg haben wollen.

BY: Ernsthaft? Das hieße ja, jeder Sportler sollte Sporthypnose machen.

JTL: Egal auf welchem Niveau ich bin, wenn ich dafür sorgen kann, dass es mir besser geht, ich mehr Selbstvertrauen habe, dann ist meine Leistung auch besser. Aus dem einfachen Grund, weil mein Kopf frei ist.

BY: Und von welchen Sportarten genau sprichst du?

JTL: Konzentration, Fokussierung, schnell umschalten können, Druck und Stress bewältigen, Flowmodus erzeugen braucht man ja in jeder Sportart. Egal ob das Fußball, Golf,Laufen, Radfahren, Tennis oder Reiten ist.

Jeder, der einen aktiven und ambitionierten Sport betreibt, weiß genau, dass sich im Grunde alles im Kopf entscheidet.

Janin Tesmer-Laß

BY: In einem Artikel habe ich gelesen, dass sich perfekte Bewegungsabläufe in Hypnose erfolgreich „abkopieren“, sprich verinnerlichen lassen. Stimmt das?

JTL: Ja, das geht. Das Hirn lernt extrem schnell. Und noch schneller, wenn sich nichts anderes einmischt. Das Lernen am Modell im Trancezustand ist somit das effektivste Lernverfahren, das es überhaupt gibt. So erreiche ich, dass mein inneres Ich quasi in das Vorbild hineinschlüpft, und mein motorisches Gedächtnis dadurch in der Lage ist, zu spüren, wie sich die optimale Bewegungsausführung anfühlt, ohne dass mein Körper in diesem Moment die Bewegung ausführt. Im Anschluss fällt es mir aber tatsächlich leichter, den Ablauf in der Realität korrekt umzusetzen.

BY: Zuschauen und alles gleich perfekt nachmachen – das klingt ja traumhaft. Gibt es ein erfolgreiches Beispiel dafür?

JTL: Um es wissenschaftlich zu untermauern, fällt mir eine Studie im Golfsport ein. Alle Probanden hatten noch nie einen Golfschläger in der Hand. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen geteilt: Die einen trainierten in einem ganz normalen Golfkurs, die anderen bekamen das Golfspielen nur durch diese Technik, ich nenne das jetzt mal „Bewegungshypnose“, vermittelt. Nach einigen Wochen trafen beide Gruppen auf dem Golfplatz aufeinander und sollten im Vergleich zeigen, was sie gelernt haben. Die Gruppe der Teilnehmer, die bis dato noch nie einen Schläger in der Hand hatten, schnitt tatsächlich besser ab als die andere.

BY: Das ist verblüffend. Wie ist das noch zu erklären?

JTL: Man sagt ja, man braucht 10.000 Wiederholungen – und zwar optimale Wiederholungen, damit eine Bewegung perfekt sitzt. Erst dann ist sie automatisiert und dauerhaft im motorischen Gedächtnis gespeichert. Wenn ich etwas live ausprobiere, dann gelingen mir bei zig Versuchen vielleicht nur zwei wirklich optimale Ausführungen. So laufe ich Gefahr, dass mein motorisches Gedächtnis mehr Fehler abspeichert, die im Nachhinein schwer auszumerzen sind. Wenn ich mir aber immer wieder die perfekte Bewegung ansehe und sie mir immer wieder vorstelle, dann denkt mein Gehirn in Trance, dass ich sie auch selbst tausende Male mache. Mit dem zusätzlichen Vorteil, dass es auch keine Fehlversuche und falsche Bewegungsabläufe gibt, die dazwischenfunken. Zusätzlich bin ich in Trance, durch Lahmlegen des Verstandes, in der Lage, die rechte Hirnhälfte, in der Emotionen und ein Teil des motorischen Gedächtnisses liegen, ungehindert anzusteuern.

BY: Woran erkenne ich einen guten Hypnotherapeuten?

JTL: Man kann sich an einem Wochenende in Hypnose schulen lassen. Aber wer möchte sich von einem Arzt operieren lassen, der in einem Wochenendkurs den Umgang mit dem Skalpell gelernt hat? Meiner Meinung nach erkennst du deshalb einen guten Hypnotherapeuten daran, dass er Psychologe ist. Es ist haarsträubend, was für Angebote im Internet zu finden sind. Hypnose ist etwas ganz Tolles und sie ist extrem wirkungsvoll. Gleichzeitig begeben sich sowohl Klient als auch Therapeut in einen Bereich, in dem einiges in Gang kommt. Es ist deshalb enorm wichtig, dass der Hypnotherapeut in der Lage ist, mit allem, was er anstößt und was hochkommen könnte, kompetent umzugehen weiß. Sonst wird der Klient mit möglichen Folgen im Anschluss alleingelassen.

Über Janin Tesmer-Laß


Janin Tesmer-Laß ist Diplom-Psychologin, klinische Psychologin, Sportpsychologin, Mental Coach und Hypnotherapeutin. Sie betreibt bis heute Golf und Beachvolleyball als Wettkampfsport und weiß aus eigener Erfahrung, wie stark sich die mentale Verfassung auf die Leistung auswirkt. In ihrer Praxis hilft sie mit therapeutischer- und (sport)psychologischer Individualarbeit, Workshops und Coachings Spitzensportlern, Profis und ambitionierten Hobbysportlern sowie Menschen aus anderen Bereichen zu „Mentalhelden“ zu werden.

© Janin Tesmer-Laß

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