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Anti-Tennisheld Felix Hutt: Der glückliche Verlierer

Tennisspieler Felix Hutt hatte einen Traum: Einen Punkt ergattern, um in der offiziellen Weltrangliste der Tennisprofis aufzutauchen. Er reiste um die halbe Welt und schrieb ein Buch darüber.

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An einem einzigen Tag verdichtet sich alles. Dieser ist die Keimzelle seiner Motivation, sein persönlicher Erweckungsmoment. Am 29. Januar 2017 schaut der Münchner Felix Hutt ein Tennisspiel im Fernsehen. Roger Federer spielt im Finale der Australian Open gegen Rafael Nadal. Es ist das Duell der ewigen Rivalen, der zwei Giganten. Auf dem Court duellieren sich vielleicht die zwei besten Spieler, die der Tennissport bislang hervorgebracht hat. Federer ist bereits 35 Jahre alt, ein Tennis-Senior. Er hat vor den Australian Open aufgrund einer Knieverletzung die halbe Saison verpasst. Jetzt ist der „GOAT“ zurück, der Größte aller Zeiten.

Als das Finale in den fünften und entscheidenden Satz geht, sitzt Felix Hutt bereits seit mehreren Stunden gebannt vor dem Fernseher seiner Ferienwohnung in Südafrika und leerte ein halbes Dutzend Bierdosen. Seine Frau Sina liegt am Strand, sie interessiert sich nicht für Tennis. Als Federer den Matchball verwandelt, schießen dem Sieger die Tränen in die Augen. Felix Hutt weint auch. Vor Glück. Beflügelt von Federers Comeback-Leistung fasst er einen Gedanken: Noch ein letztes Mal angreifen. Endlich einmal einen offiziellen Punkt ergattern, um in der offiziellen Tennis-Weltrangliste geführt zu werden. Felix Hutt ist an diesem Tag bereits 39 Jahre alt.

Felix Hutt wird von einer Physiotherapeutin massiert.
Auf seiner Weltreise führte Felix Hutt seinen Körper an seine Grenzen. © ullstein-verlag

Feierabend-Profi mit knapp 100 Kilo Körpergewicht

„Ich glaube, ich wollte einfach einer verfrühten Midlife-Crisis aus dem Weg gehen und schauen, zu was ich in meinem Alter fähig bin“, sagt der Münchner heute, knapp drei Jahre später. „Ich wollte nicht, dass ich irgendwann in meinem Leben an den Punkt komme, wo ich voller Wehmut sage: Verdammt, hättest du es doch damals versucht. Ich wollte es einfach wirklich ausprobieren.“ Als Jugendlicher hat er in den 90er-Jahren zu den besten Jugendlichen in Deutschland gehört. Im Jahr 2017 spielte er immerhin noch in der Regionalliga für die Herrenmannschaft des STK Garching. „Jungseniorentennis” von Hobby-Spielern auf gehobenem Niveau. Als Hutt seinen Traum erfüllen will, ist er nicht mal in der Top-500-Rangliste Deutschlands gelistet.

So einer will in die Weltrangliste? In die Top-1.500 der Welt? Die Voraussetzungen waren zu diesem Zeitpunkt alles andere als optimal. Hutt ist ein Genussmensch. Schweinebraten und Augustiner-Hell stehen für den Bayern regelmäßig auf dem Speiseplan. Hutt ist fast zwei Meter groß, knapp 100 Kilo schwer. Eher ein Koloss auf dem Court, kein leichtfüßiger Maestro wie sein Vorbild Federer.

Morgens um 6 Uhr zum Training und „böse fighten“

Felix Hutt entwirft trotzdem seinen Masterplan: Um einen Weltranglistenpunkt zu ergattern, muss er bei einem sogenannten Future-Turnier hintereinander zwei Matches in der Qualifikation und eines im Hauptfeld gewinnen. Irgendwo auf der Welt. Ganz egal, wo. Future-Turniere bilden dabei die unterste Kategorie der Turniere der Association of Tennis Professionals, kurz ATP.  Felix Hutt aktiviert verschiedene Experten in seinem Netzwerk: Trainingspartner, Physiotherapeuten und frühere Tennis-Profis, die ihm Tipps geben sollten, wie es mit dem einen Punkt klappen könnte. Darunter ist auch der Ex-Profi Jörn Renzenbrink, der früher mal in den Top-100 stand und ihn mit pragmatischen WhatsApp-Nachrichten versorgte wie: „Du musst einfach nur böse fighten.“

Und Hutt kämpft. Er fährt morgens um 6 Uhr in die Tennishalle nach Garching, anschließend in die „Stern“-Redaktion, wo er damals noch als Redakteur arbeitet. Abends macht er 10-Kilometer-Läufe entlang der Isar. Kein Sabbatical und keine Job-Pause. Um seinen Traum zu erfüllen, will er allenfalls seinen Jahresurlaub opfern. Tennis-Profi und normaler Alltag. Eigentlich ein unmögliches Unterfangen.

Felix Hutt bei seinen Fitnessübungen
Laufen, Tennis, Gymnastik: Felix Hutt kämpft mit viel Einsatz um seinen Traum. © ullstein-verlag

Beim gleichen Turnier wie Stefanos Tsitsipas

„Ich habe mich hingesetzt und geschaut, wo auf der Welt die Chancen auf einen Punkt am größten sind. Dort also, wo die Teilnehmerfelder nicht so stark besetzt sind“, sagt Felix Hutt. Sein erstes Turnier spielt er an Ostern auf Sardinien, in der Nähe von Cagliari. Dort gewinnt er ein Spiel gegen einen 15-jährigen Italiener, verliert aber kurz darauf das zweite Match. Hutt ist frustriert. Genauso wie seine Frau, die davon genervt ist, dass ihr Mann während des Urlaubs nur an Tennis denkt und nicht abschalten kann. Kurios: Durch die gleiche Qualifikation muss auch ein gewisser Stefanos Tsitsipas, ein damals noch weitgehend unbekanntes Talent. Heute ist der Grieche einer der besten Spieler der Welt.

Hutt kehrt nach München zurück und fängt an, wie ein Besessener zu trainieren. In den kommenden zwölf Monaten folgen Reisen zu Future-Turnieren nach Südafrika, Kambodscha, Israel, Pakistan und Uganda. Der Feierabend-Profi steigert sich von Turnier zu Turnier, erlebt dennoch herbe Rückschläge. Irgendwann spielt er mit einer komplett lädierten Schulter – und kommt seinem Ziel in kleinen Schritten zum Greifen nah. Schließlich beendet er seine Abenteuerreise ohne Weltranglistenpunkt. Tennis spielt er immer noch.

Tennis als Sinnbild für die tägliche Motivation im Leben

In seinem Buch „Lucky Loser“ erzählt Hutt von der schwierigen Balance zwischen krankem Ehrgeiz und großen Selbstzweifeln, die ihn ständig begleiten. Er beschreibt detailliert, wie wenig die Future-Events mit dem Glamour der Grand-Slam-Turniere gemeinsam haben. Viele Plätze sind in katastrophalem Zustand. Beinahe alle Spieler gehen ins finanzielle Risiko, teilen sich aus Geldmangel mit mehreren Personen ein Hotelzimmer. Sie ernähren sich schlecht und skypen abends geplagt vom Heimweh mit ihren Eltern. In Kampala darf Hutt einmal sein Hotelzimmer nicht betreten, weil eine meterlange Python eingefangen werden muss. Tags darauf werden die regennassen Plätze mit Flammenwerfern trockengelegt. Und in Islamabad beschreibt er, wie russische Tennisprofis gemeinsame Sache mit der Wettmafia machen.

Felix Hutt beim Aufschlag beim Tennis
Provinzsportplatz statt Stadion: Hutt schaut trotzdem nach oben. © ullstein-verlag

„Das Kapitel über Pakistan habe ich bewusst ,Im Paradies’ genannt, weil es sich dort wirklich paradiesisch anfühlte. Ein sehr nettes Land mit unglaublich warmherzigen Menschen. Man kann dort wunderbar wandern oder sogar skifahren. Wir kennen ja Pakistan eigentlich nur als Terrorstaat aus der Tagesschau”, sagt Felix Hutt. Als er am Ende seiner Reise ankommt, ist er nicht nur ein besserer Tennisspieler geworden, sondern auch ein geläuterter Mensch. Er sagt: „Ich musste das ganze Projekt mit meiner Frau und meiner Arbeit arrangieren. Ich habe viel über meinen Körper und über Disziplin gelernt, aber vor allem hat es sehr viel Spaß gemacht.“

Im letzten Kapitel seines Buchs schreibt er einen schönen Gedanken auf: „Man kann vom Tennis lernen, immer nach vorne zu schauen. Nur an die direkte Zukunft zu denken. Zu versuchen, sie zu gestalten, statt zu beklagen, was falsch gelaufen ist. Was zählt, ist nicht das, was man nicht mehr ändern kann. Sondern das, was kommt.“

Ober er Ziel erreicht hat, das verrät er am Ende seines Buches “Lucky Loser”. 240 Seiten, Ullstein Verlag.

Zur Person:


Felix Hutt, Jahrgang 1979, war Redakteur beim „Stern“ und arbeitet derzeit beim Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Er hat in den 90er-Jahren zu den erfolgreichsten Juniorenspielern in Deutschland gehört und spielt heute in der Herren-30-Bundesliga für STK Garching aus München.

Felix Hutt
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