Fitness

Trainingsmethode Tango: Immer geschmeidig bleiben

Tänzer werden von manchen belächelt. Dabei „tanzen“ Fußballprofis und Boxer häufiger als viele denken. Taugt der Tanzsport vielleicht als Trainingsmethode? Eine Annäherung.

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Die besondere Begabung von Sven Felski bemerkten sogar Laien. Der einstige Eishockey-Star der Eisbären Berlin raste anders als seine Mitspieler über das Eis. Während die einen trampelten, schien Felski zu schweben. Eine Augenweide.

Felski hatte das Schlittschuhlaufen als Kind bei den Eiskunstläufern erlernt. Bis zu seinem elften Lebensjahr tanzte er auf dem Eis. Sprang, knickste und verbog sich zum Takt der Musik, drehte Pirouetten. Beim Eishockey wand sich der Flügelstürmer später aus der Umklammerung seiner Gegner und lief ihnen dann davon. Auch wegen seines Spielstils wird Felski im Osten Berlins verehrt.

Da ist Tanz drin

Nicht alle Tänzer haben so viel Glück. Oft werden sie belächelt, die Leistung der Tanzenden abseits einer quietschbunten Show im Privatfernsehen gering geschätzt. Aufmerksamkeit und Akzeptanz findet der Sport nur in Nischen. Dabei steckt in populären Sportarten viel mehr Tanz, als manche glauben.

Diego Armando Maradona tanzte sich in den 80er-Jahren durchs Mittelfeld. Evander Holyfield, ein Schwergewichtsboxer, entwich mit tänzelnden Füßen den Hieben von Mike Tyson und zahlte dafür mit seinem Ohrläppchen. Britta Heidemann, eine deutsche Fechterin, tanzte mit ihrem Degen federleicht zu olympischem Gold. Taugt das Tanzen vielleicht als Trainingsmethode für Fußballspieler, Ausdauerathleten und Kampfsportler?

Ungewöhnliche Trainingsmethoden

Der Fußballtrainer Christoph Daum ließ seine Spieler von Bayer Leverkusen wie Fakire über heiße Kohlen und Scherben schleichen.

Die Profis des FC Bayern München sträubten sich, als Ex-Trainer Jürgen Klinsmann Yoga-Stunden in den Trainingsplan integrierte. Wehrten sich die Spieler vor über einem Jahrzehnt erfolgreich, sind Yoga-Einheiten mittlerweile im Profifußball eine gängige Praxis.

Auch NBA-Superstar Dirk Nowitzki experimentierte während seiner aktiven Laufbahn. Er ging zum Fechten und Boxen.

Zwischen 100 und 300 Bewegungen pro Minute

„Seitdem ich tanze, hat sich mein gesamtes Körpergefühl verbessert. Ich spüre die Bewegungen besser, bin agiler. Besonders beim Laufen fühle ich mich leichter als früher”, sagt Sabine Weinkauf. Die drahtige Freizeit-Triathletin und Marketing-Managerin aus München, die für Garmin Top-Sportler und Events betreut, tanzt seit drei Jahren Tango Argentino.

Der Tango Argentino ist einer der beliebtesten Tänze der Welt – und einer der anstrengendsten. Zwischen 100 und 300 Bewegungen müssen die Tänzer pro Minute absolvieren. Anders als bei der Standardvariante des Tangos darf sich die Kreativität der Schwofenden grenzenlos austoben. „Es entsteht eine einmalige Verbindung aus der Interpretation der Musik und der non-verbalen Kommunikation zwischen den Tanzpartnern. Die Stimmung kann jedes Mal völlig anders sein”, erklärt Sabine.

Sabine Weinkauf beim Training
Sabine Weinkauf verbringt als Triathletin viele Stunden auf dem Fahrrad. Dabei profitiert sie von ihrem „ertanzten Körpergefühl”. © privat

Ein traditioneller Akt

Einer führt, der andere folgt – das Grundprinzip des südamerikanischen Volkstanzes lässt sich simpel beschreiben. Der Führende fordert auf, es ist ein traditioneller, ein beinahe archaischer Akt, der Beginn der tänzerischen Balz. Zudem kreiert er als Taktgeber den Tanz, manövriert sich und die Partnerin durch die Ronda, die kreisrunde Aufstellung. In dieser bewegen sich die verschiedenen Paare während eines Tanzfestes, einer sogenannten Milonga. Der Führende, der auch eine Führende sein kann, muss kreativ sein und gleichzeitig die Freiheit der anderen Pärchen bewahren. Das Anrempeln anderer Tänzer ist beim Tango verpönt.

Die oder der Folgende muss die Bewegungen des Partners blitzschnell begreifen und aufnehmen, sich auf Drehungen, Promenaden, Verbeugungen und andere akrobatische wie dramatische Wendungen einstellen. Und bei so viel Denkarbeit gilt das Grundgesetz des Tangos: immer geschmeidig bleiben.

Leistungssport Tanzen

„Professionelle Tänzer trainieren bis zu fünfmal die Woche. Leben können vom Leistungssport aber die wenigsten”, weiß Bundesjugendtrainer Sven Traut. Der Standardtänzer zählt zu den besten deutschen Turniertänzern aller Zeiten. Erfolge, die sich finanziell kaum lohnen. „Für die erfolgreichen Paare gleichen sich am Ende Ausgaben und Einnahmen aus. Trainingsstunden, Schuhe und Kleider, die Reisen – wer ambitioniert tanzt, muss investieren”, erklärt Traut.

Eine erfolgreiche Karriere kann sich trotzdem auszahlen, zum Beispiel wenn Profi-Tänzer mit ihrer Reputation Tanzschulen eröffnen oder übernehmen. Sven Traut ist in dritter Generation Tanzlehrer. Er sagt: „Wer professionell tanzt, will nicht vordergründig Geld verdienen. Es geht eher um Ehrgeiz und Leidenschaft.”

Wenn die Hüften zu Reglern werden

Wer professionelle Tangotänzer wie das russische Paar Dmitry Vasin und Esmer Omerova über das Parkett mäandern sieht, der rätselt manchmal, ob das jetzt Erotik ist oder Kunst oder von beidem etwas. Leidenschaftlich ist es und laut. Dann wieder zaghaft und leise. Der Tango Argentino verlangt die volle Körperbeherrschung der Tanzenden. Allein die Hüften sind die Regler, die entscheiden, ob es wild wird oder eine Bewegung plötzlich in einem Moment melancholischer Stille verharren darf.

Die Leiber der Tänzer sind angestrengt, sogar die Wangen scheinen zu pulsieren, und doch ist da eine atemberaubende Eleganz, die die Traumwanderer umflimmert. Besonders gute Tangotänzer wie Vasin und Omerova können auf kleinsten Raum, beengt wie in einem Hula-Hoop-Reifen, die halbe Welt ertanzen.

Die Grenzen der Leistungsfähigkeit

Bei einer Tanda, der etwa zwölfminütigen Tanz-Variante mit verschiedenen Musikstücken und schwankenden Tempi, loten Profis und ambitionierte Hobbytänzer die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit aus. Das Anschmiegen und voneinander Wegdrehen wechseln sich ab. Nur die Blicke kleben meist fest aneinander, verspielt und aufmerksam, während sich die Lungen nach Luft sehnen. „Die Muskeln glühen, der Schweiß rinnt einem in die Augen. Aber dann ist da dieses berauschende Glück. Das schubst das Gefühl der Anstrengung weit weg”, weiß Sabine.

Bis zu 20.000 Schritte setzt sie an einem mehrstündigen Tanzabend auf das Parkett. Männliche Tänzer verschleißen mehrere Hemden hintereinander. Bereits nach der ersten Tanda beschwert der Schweiß die luftigsten Stoffe. Einige Liter Mineralwasser oder Schorle stürzen die Tänzer herunter, aber keinen Alkohol. „Schon nach einem Glas Wein sinkt die Leistungsfähigkeit, der Kopf denkt langsamer. Aber um Alkohol geht es auf einer Milonga nicht. Wir ziehen den Spaß aus dem Tango, aus der Bewegung”, sagt Sabine.

Trainingseffekte

„Wer viel tanzt und fokussiert trainiert, gewinnt sicher an Mobilität”, sagt Sven Traut. Der Tanzlehrer empfiehlt Einsteigern besonders zum Anfang vielfältige Dehnübungen. „Der Körper ist unser Instrument, mit ihm kommunizieren wir zur Musik. Dafür muss er belastbar und beweglich sein”, so Traut.

Wer nach der Tanzschule seine tänzerische Leistung verbessern will, sollte laut Sven Traut einen Tanzverein aufsuchen. „Dort wird ganz sicher erkannt, ob einem eher der Standard- oder der Lateintanz liegt. Während musisch begabte Tänzer die Melodien aufsaugen, eher zum Standardtanz tendieren, begeistert der Lateintanz besonders Rhythmus-Talente”, erklärt der Experte.

Kalorien schmelzen und Muskeln wachsen

Wie gut ein Tangoabend für die Figur ist, verrät der Blick auf die Leistungsdaten, die Sabine mit ihrer fēnix 6S aufzeichnet. An manchen Abenden schmelzen weit über 1.000 Kalorien. Normalerweise muss die 49-Jährige für eine vergleichbare Bilanz fast eineinhalb Stunden im hohen Tempo joggen.

Der Tango Argentino ist aber viel mehr als eine Konditionseinheit. Die Tänzer trainieren auch Kraft und Beweglichkeit. Die Hüft- und die seitliche Bauchmuskulatur sind permanent gefordert, der komplette Rumpf ist während des Tanzes angespannt. Nur die Schulterpartie und Arme bleiben locker und weich, um die Signale des Tanzpartners aufzunehmen und die Verbindung einzugehen. Füße und Beine müssen umso mehr Schwerstarbeit verrichten. „Zu Beginn haben wir in der Tangoschule barfuß getanzt, die Fußsohlen trainiert. Sie werden sehr strapaziert”, sagt Sabine.

Auch nach jahrelangem Training fühlt sie sich wie eine beflissene Einsteigerin. Sind Grundschritte und die Verhaltensregeln des Tangos schnell erlernt, ist die Seele des Tanzes – wenn das überhaupt möglich ist – erst nach vielen Jahren zu durchdringen. Mehrmals im Monat zieht es Sabine in die professionelle Tangoschule. Jede dieser Übungsstunden überrascht mit neuen Erfahrungen. Da eine unbekannte Kombination, dort eine hastigere Kehre. Und dann jedes Mal ein neues, noch nicht ausgefranstes Glücksgefühl. Mit jedem Tanz fällt das Aneinanderknautschen leichter – und doch steigen zugleich die Erwartungen an den nächsten Tango.

Paar beim Tango tanzen im Saal mit Band
Tolle Musik, ein Tanz nach dem anderen: Der Tango paist gut für die Beine. © Thorsten Janes

Keine Qual, sondern Glück

Für Sabine Weinkauf ist der Tango Argentino eine ideale Trainingsmethode. Mag Sport zeitweise zur Qual geraten, zu einer Sache der Selbstüberwindung, ist der Tango pures Glück. Sabine liebt die Nächte, die Musik, den Respekt, den die Tanzenden füreinander aufbringen. Die Begabtesten haben selten Scheu, Unerfahrene auf eine Traumwanderung zu entführen.

Auf der Laufstrecke, auf dem Rad und im Wasser spürt Sabine, wie der Tango ihre sportliche Motorik verfeinert. Sie hat mehr Spannung im Körper, wenn sie diese benötigt, und kann ihre Muskeln gezielter steuern. Im Wasser besitzt sie mehr Balance als früher. Beim Laufen im Gelände ertasten ihre Füße den Untergrund mit sensiblerer Sensorik. Beim Tanzen begriff Sabine, wie viel Druck und Kraft der Körper eigentlich an den Boden abgeben kann. Dieses Wissen hilft ihr bei Tempoläufen. „Unebenheiten und andere Stolperfallen umtänzel ich galanter als früher. Und ich bekomme mehr Energie auf die Strecke”, sagt Sabine.

Beim Tango Argentino hat sie ähnlich schweben gelernt wie die Felskis, Heidemanns und Holyfields dieser Welt. Das Glücksgefühl, das ihr dabei durch die Adern fließt, will sie nicht mehr missen. Genauso wenig wie den Respekt, den sie vor der Sportart gewonnen hat. Sabine sagt: „Tanzen ist für mich vielleicht eine Trainingsmethode. Ganz sicher ist es für viele andere ein Hochleistungssport.”

Tango lernen

Interesse an einer ersten Tangostunde? Viele Tango-Gemeinschaften organisieren sich über die sozialen Netzwerke. Dort kannst du dich nicht nur über Tanzabende in deiner Nähe informieren, sondern dich mit erfahrenen Tänzern austauschen. Wichtig: Der Besuch einer Tanzschule ist unumgänglich. Dort lernst du nicht nur die wichtigen Bewegungen, sondern bekommst auch Tipps, wie du Verletzungen vermeiden kannst. Ein Tangolehrer berät dich außerdem bei der Wahl des richtigen Schuhwerks.

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Meinungen
Joachim Bacher
13.01.2024 | 06:23 Uhr

Schade, dass es kein Programm für „Tanz“ gibt. Wie trackt ihr Eure Tanzeinheiten? (Hab die forerunner 965)

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Joachim Bacher
13.01.2024 | 06:23 Uhr

Schade, dass es kein Programm für „Tanz“ gibt. Wie trackt ihr Eure Tanzeinheiten? (Hab die forerunner 965)