Wer genau hinsieht, kann zurzeit ein tolles Phänomen beobachten. Ob in Stockholm, London, Berlin oder New York – durch viele Metropolen laufen freiwillige Aufräum-Milizen. Ihre Uniform: Funktionsklamotte, Laufschuhe und Einweghandschuhe. Fleißig lesen sie das vom Boden auf, was von anderen achtlos fallen- oder zurückgelassen wird – bei einem Grillfest im Park etwa oder nach einem Snack in der Mittagspause. Müll ist für uns Großstädter ein stetiger Begleiter geworden, doch von ganz allein verschwindet er leider nicht. Also sind erstmals in Schweden Jogger ambitioniert drauf losgeflitzt, haben sich Plastiktüten unter die Arme geklemmt, um während des Trainings fleißig Müll einzusammeln. Und zack, war ein neuer Lauftrend geboren. „Plogging“ nennt sich diese nachhaltige Laufeinheit – eine Wortkreation aus dem schwedischen Wort „plocka“ für „pflücken“/„aufheben“ und dem Wort „Jogging“. Ihre prall gefüllten Mülltüten wie einen Seesack über die Schulter geworfen hinterlassen die Plogger blitzblanke Gehwege und saubere Wiesen. Klar wird das persönliche Karma-Konto gleich mit poliert. Aber vor allem wird der Lauf an sich durch das regelmäßige Bücken zu einem abwechslungsreichen Workout – Plogging eben.
Plogging – wer genau hat’s erfunden?
Der schwedische Umweltaktivist Erik Ahlstöm war der erste Läufer, der sich mit Müllbeutel auf die Laufstrecke begab. Als er vom ländlichen Åre nach Stockholm zog, konnte er nicht tatenlos zusehen, wie die Grünflächen seiner neuen Nachbarschaft durch den großstädtischen Wegwerfwahn zu vermüllen drohten. Doch anstatt etwa wütend über den Gartenzaun zu schimpfen, entschied er sich dazu, selbst die Initiative zu ergreifen: Bewaffnet mit einem Müllsack und Einweghandschuhen sagte er dem Unrat den Kampf an und joggte einfach los. Seit jeher baumelt stets ein gefüllter Müllsack in seiner Hand, wenn er von seiner morgendlichen Laufrunde heimkommt.
Plogging wurde dank Social Media zum weltweiten Trend
Ziemlich schnell bemerkte der Godfather des Ploggings, dass er seine Mitmenschen durch sein Tun inspiriert. Mittlerweile zählt seine Facebook-Seite mit dem Namen Plogga mehrere Tausend Likes. Auch eine deutsche Plogging-Community bringt regelmäßig Menschen zusammen, die gemeinsam das nachhaltige Fitnessprogramm absolvieren. Durch das abwechselnde Bücken und Aufrichten, um etwas einzusammeln, und die dazwischenliegenden Sprints entsteht sogar eine Art Intervalllauf, der es in sich hat. Zusätzlich nimmt mit immer voller werdender Tüte auch das zusätzliche Gewicht zu. So wird auch noch die Armmuskulatur trainiert. Und am Ende hat man nicht nur trainierte Muskeln und Ausdauer, sondern vor allem ein gutes Gewissen, etwas für die Umwelt getan zu haben.
Den Schwarzen Peter nicht weiterschieben. Handeln!
Toll, dass es die Plogging-Bewegung gibt! Schöner wäre es natürlich, wenn es sie nicht geben müsste, weil alle Mitmenschen ihren Müll richtig entsorgen. Doch genauso, wie es für diese rücksichtslosen Menschen normal zu sein scheint, Müll einfach dort fallen zu lassen, wo er entsteht, ist es zum Glück für Plogger ganz selbstverständlich, Müll aus der Natur zu entfernen – weil er dort einfach nicht hingehört und großen Schaden anrichtet.
Auch als Nordic-Walker oder Spaziergänger kannst du auf deinen Touren durch die Landschaft zukünftig einen Müllsack mitnehmen. Plogging kannst du überall machen. Selbst Surfer halten mit einer Plastiktüte am Arm die Meere etwas sauberer. „SUP-picking“ nennt sich das Aufräum-Workout am Strand oder auf dem Wasser dann. Und wieder angelehnt an die erstmals in Schweden beobachteten Wassersportler, die auf Stand-up-Paddleboards stehend Plastikmüll mithilfe eines Keschers am Paddel aus dem Wasser fischen.
Was brauchst du zum Plogging?
Um selber loslegen zu können, brauchst du nicht viel. Es reichen der obligatorische Müllbeutel und vielleicht ein paar Handschuhe. Damit kannst du im Zweifel auch beherzt nach einem Stück Alufolie greifen, in dem noch ein Rest Dürüm-Döner hängt. Laufe los, raus in die Natur, laufe durch Straßen und Parks deiner Stadt. Krieche auf allen Vieren unter Parkbänke. Mache dich schmutzig. Greife nach der zerdrückten Capri-Sonne und stopfe sie in deine Mülltüte. Wenn dich jemand erstaunt beobachtet, den Kopf schüttelt und dich einen Spinner nennt, ignoriere ihn. Nein! Fordere diese Person auf, es dir gleichzutun. Zurre dann stolz deinen Beutel fest und laufe weiter, immer das nächste Stück Plastik im Hinterkopf, das sicher schon irgendwo in einem Grasbüschel lauert. Nachdem du deine erste Scheu einmal überwunden hast, wirst du schnell merken, wie du eine Art Superman-Röntgenblick entwickelst, mit dem du deine Umgebung nach potenziellem Füllmaterial für deine Tüte abscannst. Ab heute ist kein Müll mehr vor dir sicher! Auf, ihr Plogger, fertig … los!
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