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Gute Geschenke: Alt ist das neue Neu

Die Kölner Unternehmerin Sara Stichnote produziert nachhaltige Geschenkverpackungen und Stoffmasken. Im Interview spricht sie über soziale Gewinnmaximierung und das ideale Weihnachtsgeschenk.

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Weihnachten ist das Fest der Liebe und leider auch des Abfalls. Zwischen den Feiertagen entsteht bis zu 20 Prozent mehr Müll als zu normalen Zeiten. Das liegt auch am Geschenkpapier, das zuhauf verbeult und zerrissen nach der Bescherung in die Mülltonnen wandert.

Lange Jahre waren es vor allem Mütter und Großmütter, die sich am Heiligen Abend gegen den Müll aufbäumten. Sie sammelten das zerfledderte Packpapier ein und bügelten es für die nächsten Festivitäten wieder glatt. Dank Sara Stichnote, einer 33-jährigen Unternehmerin aus Köln, können sie wenig ökologisches Geschenkpapier gleich ganz vermeiden. Die Gründerin von Goodgive hat nachhaltige Geschenkverpackungen erfunden, die sie sozial produziert und fair vermarktet. Im #BeatYesterday.org-Interview sprechen wir mit Sara über soziale Gewinnmaximierung und das ideale Weihnachtsgeschenk.

Nachhaltige Geschenkverpackungen von Good Give
Die Geschenkverpackungen aus nachhaltigen Materialien werden in Deutschland hergestellt. © Goodgive

#BeatYesterday.org: Sara, erklär uns in einem Satz, was du machst.

Sara Stichnote: Ich habe eine Geschenkverpackung aus Stoff entwickelt, die wir immer wieder verwenden und dadurch ganz viel Abfall einsparen können.

#BeatYesterday.org: Wie bist du zu deinem Unternehmen gekommen, was oder wer hat dich inspiriert?

Sara: Ich habe während meines Auslandssemesters eine Uni in Kalifornien besucht. Es klingt paradox, aber besonders in den USA habe ich viel über Nachhaltigkeit gelernt. In Deutschland war das Thema weder in der Schule noch im Studium für mich präsent. In den Staaten wurde dann der Schalter umgelegt. Es gab auf dem Campus viele Initiativen und Aktionen, ich habe Vorträge zu den Themen besucht, überall las ich Parolen wie „ban plastic“. Diese Zeit hat mich geprägt.

#BeatYesterday.org: Wie hast du diese Impulse mit nach Deutschland gebracht?

Sara: Ich wollte schon andere Leute missionieren. Aber nicht mit dem Zeigefinger, nicht von oben herab, sondern in dem ich sage, was mir wichtig ist, und indem ich selbst nach diesen Vorstellungen lebe.

#BeatYesterday.org: Wie ist aus diesen Erfahrungen dein Unternehmen entstanden?

Sara: Ich komme aus einer großen Familie. Und da war Verpacken und Schenken zu Weihnachten häufig Thema – besonders nachdem ich immer selbstbewusster meine Haltung zu den Themen sozialer Konsum und Nachhaltigkeit vertrat. Manchmal haben sich meine Eltern oder Geschwister richtig entschuldigt, wenn sie meine Geschenke normal verpacken mussten, weil sie keine Alternative zur Hand hatten. Das war bei uns ein Running Gag. Aber genau diese Momente haben mich zu meiner späteren Geschäftsidee inspiriert und mir gezeigt, dass es ein Bedürfnis gibt.

#BeatYesterday.org: Müll ist zwischen Weihnachten und Silvester ein Riesenproblem. Durch Geschenkpapier, Lametta und das höhere Paketaufkommen steigt der Anteil von Abfall über die Feiertage um bis zu 30 Prozent. Warum sind deine Alternativen ökologischer?

Sara: Weil man die Verpackung immer wieder verwenden kann und dadurch eben weniger Müll entsteht. Dazu wird alles lokal in Deutschland genäht, und außerdem suchen wir nachhaltige Materialien aus. Es gibt mittlerweile viele Alternativen für Plastik, Gummi oder andere weniger ökologische Materialien. Dabei die richtige Lösung auszuwählen, ist komplex. Spannend waren zum Beispiel Stoffe aus alten Orangenschalen. Wir haben uns vorläufig für Stoffe aus zertifizierter Bio-Baumwolle entschieden. Als Zusatzkomponente kommt ein Band aus recycelten PET-Flaschen dazu. Beide Materialien werden in Deutschland final hergestellt, dort sind die Produktionsprozesse transparent einsehbar. Uns ist es wichtig, möglichst lokale Wertschöpfung zu fördern.

Sara von Good Give mit nachhaltiger Geschenkverpackung in der Hand
Idealerweise sorgen die wiederverwendeten Verpackungen jedes Jahr für weihnachtliche Freuden. © Goodgive

#BeatYesterday.org: Wann ist aus der ersten Vision unternehmerische Wirklichkeit geworden?

Sara: Ich habe auf einem Gründungsworkshop meine Idee vorgestellt. Da habe ich von echten Profis sehr gutes Feedback bekommen und wurde ermutigt, mein Konzept weiter auszuarbeiten. Bis dahin war die Selbstständigkeit kein großes Thema für mich. Nach den Eindrücken des Workshops entwickelte ich aber das nötige Selbstvertrauen.

#BeatYesterday.org: Verkaufst du nur zu Weihnachten deine Artikel?

Sara: Das ist eine schwierige Frage, weil mir schlicht die Erfahrung fehlt, um sie richtig zu beantworten. Ich habe im Oktober 2019 mit dem Verkauf begonnen, da sind wir direkt ins Weihnachtsgeschäft gerutscht und wussten nicht, wie wir bei den vielen Anfragen hinterherkommen sollen. 2020 war durch die Corona-Pandemie auch für uns kein normales Jahr. Wir hatten Stände auf vielen Märkten geplant, wollten unsere Marke bekannter machen. Das hat Corona verhindert. Umso neugieriger sind wir, wenn wir bald unseren Erfahrungen in einem hoffentlich normalen Geschäftsjahr machen dürfen.

#BeatYesterday.org: Ihr habt im Laufe des Jahres auch mit der Maskenherstellung begonnen.

Sara: Der Verkauf der Masken war nicht geplant, das entsprang keinem Kalkül. Uns haben Kunden und Interessenten angesprochen, die nachhaltig produzierte Mundschutze erwerben wollten. Dann haben wir gemeinsam mit lokalen Schneidereien begonnen, diese zu nähen. Und dabei sollten die gleichen Bedingungen wie bei den Geschenkverpackungen gelten: umweltschonende Stoffe, eine nachhaltige Produktion und hochwertige Produkte zu fairen Preisen. Für jede verkaufte Maske spenden wir eine Maske an die Organisation Amani Kibera, die sich für Jugendliche in Kenia einsetzt. 

#BeatYesterday.org: Mittlerweile gibt es in jedem Baumarkt 50er-Packs mit Masken für wenig Geld. Eure Masken sind deutlich teurer. Warum sollte man sich trotzdem für eure entscheiden?

Sara: Viele tragen den Mundschutz nur kurzzeitig und entsorgen ihn dann eben, weil er nichts gekostet hat. Uns war wichtig, dass unsere Stoffmasken wiederverwendet werden können, dass wir nicht immer wieder Energie und Ressourcen für die Herstellung neuer Masken verbrauchen müssen.

#BeatYesterday.org: Was war das größte Problem bei der Produktion eurer Masken, die ja nicht zu teuer sein durften, aber trotzdem zwingend nachhaltig sein sollten?

Sara: Wir wollten auf Gummibänder verzichten. Die sind zwar günstig und sehr benutzerfreundlich, aber überhaupt nicht nachhaltig. Wir haben stattdessen mit Stoffschnüren gearbeitet. Die sind teurer, auch weil sie die Produktionszeit für die Masken erhöhen. Wir hätten mit üblichen Gummibändern wesentlich mehr verkaufen und unsere Gewinne maximieren können. Aber darum ging und geht es uns nicht.

Mann und Sara mit nachhaltigem Mundschutz
Die Stoffmasken lässt Sara (r.) unter fairen Bedingungen herstellen. Für jedes verkaufte Exemplar spendet ihre Firma an ein soziales Projekt in Kenia. © Goodgive

#BeatYesterday.org: Aus der Wirtschaft ist ein Vorgang leidlich bekannt: Jemand, der sehr engagiert ist, hat eine gute Idee, die bei den Menschen ankommt. Dann kommt eine größere Firma mit mehr Geld, kopiert den kreativen Ansatz und vergisst die sozialen Aspekte. Hast du schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Sara: Ich habe unsere Geschenkverpackungen und besonders unser ausgeklügeltes System, das beim Schließen des Reißverschlusses die Schleife unserer Verpackungen aufstellt, patentieren lassen. In der Gründungsphase diskutierte ich mit Anwälten, was ich wie markenrechtlich schützen könnte. Am Ende ist es so: Wenn ein größeres Unternehmen etwas nachmacht, heißt das nicht automatisch, dass es leicht ist, dagegen gerichtlich vorzugehen und auch recht zu bekommen. Außerdem profitieren wir alle davon, wenn mehr Menschen nachhaltige Verpackungen kaufen oder überhaupt von Verpackungsalternativen erfahren. Wir möchten weniger auf andere schauen, sondern mehr auf uns selbst achten und dafür sorgen, dass wir noch besser kommunizieren, wofür Goodgive steht.

#BeatYesterday.org: Ihr steht auch für eine besonders soziale Produktion. Was heißt das?

Sara: Wir arbeiten mit Initiativen und Einrichtungen zusammen, die Menschen mit Handicap die Chance auf einen Arbeitsplatz geben. In der Anfangsphase haben wir uns jedes dieser Projekte persönlich angesehen und mit den Beschäftigten gesprochen, die für uns die Geschenkverpackungen nähen sollten. Es gab sehr inspirierende Momente, zum Beispiel als wir sahen, wie eine Frau im Rollstuhl ihre Nähmaschine mit ihren Ellenbogen bediente und dabei sehr geschickt war. Für die Menschen in diesen Betrieben ist unser Projekt wichtig, sie sind stolz auf ihre Tätigkeit und geben sich sehr viel Mühe. Vor allem leisten sie tolle Arbeit. Das macht die Geschenkverpackungen für uns noch wertvoller.

#BeatYesterday.org: Meine Großmutter hat früher das von Kinderhänden zerknüllte Geschenkpapier eingesammelt und für das nächste Jahr wieder glattgebügelt. Sie hätte sich sehr über eure Produkte gefreut.

Sara: Omas und Mütter ab 50 gehören zu unseren treuesten Kunden. Die schreiben uns oft, wie sehr sie sich über unsere Produkte freuen. Endlich müssen sie nicht mehr das Geschenkpapier selbstständig recyceln, sondern können gleich wiederverwendbare Verpackungen kaufen. Sie fühlen sich mit unseren Produkten modern und voll im Trend.

#BeatYesterday.org: Ist es unhöflich, Geschenkpapier mehrmals zu benutzen?

Sara: Ich hoffe, dass Alt bald das neue Neu ist. Durch die Geschichte, die ein Produkt hat, steigt der emotionale Wert. Wir haben beispielsweise ein Tool entwickelt, mit dem jeder nachverfolgen kann, welche Reise seine Geschenkverpackung bereits zurückgelegt hat. Bestenfalls kann jemand, der in zehn Jahren eine heute produzierte Verpackung bekommt, auf unserer Website einsehen, wo seine Verpackung schon überall für Freude gesorgt hat.

#BeatYesterday.org: Wie funktioniert das?

Sara: Jede Verpackung ist ein Unikat mit eigenem Namen und Zahlencode. Jeder Beschenkte kann seine Stadt auf unserer Website hinterlegen und so einen Teil zur Geschichte dieser einen Verpackung beitragen.

#BeatYesterday.org: Weil du dich ja mehr mit Geschenken beschäftigt als andere: Was macht eine gute Gabe zu Weihnachten besonders?

Sara: Es gibt zwei Schenker-Typen: Die, die Wunschlisten machen und erfragen, was jemand möchte. Und diejenigen, die überraschen wollen. Ich gehöre zur zweiten Gruppe. Die Gedanken, die man sich macht, sind manchmal wertvoller als das eigentliche Geschenk. Zu überraschen – und auch überrascht zu werden – ist ein tolles Gefühl. Wer mit ökologischen Produkten glücklich machen möchte, kann sich auf den Websites der Impact-Factory und Goodbuy informieren. Dort werden Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsideen und starkem sozialen Engagement vorgestellt. Wer dort kauft, unterstützt die Richtigen.

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