Running

Marathon im Alter: „Fast jeder kann einen laufen”

Monika Steinmetz hat mit 46 ihren ersten Marathon beendet. Trotz Übergewicht und einer angeschlagenen Ferse. Was sie dafür brauchte: viel Willen, klare Strukturen und einen starken Partner.

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Bei Kilometer elf wäre das Abenteuer fast vorbei gewesen. Ein unglücklicher Tritt in die Hacken, ein stechender, nicht abklingender Schmerz in der Ferse. Und noch über 30 Kilometer Asphalt bis zum Ziel.

Monika Steinmetz, 46, ist trotzdem angekommen. Mit Willen, Plan und Rechenspielen im Kopf. Es war ihr erster Marathon. Zuvor hatte sie nur selten Sport gemacht. Zu Beginn ihres Trainingsprogramms wog sie 90 Kilo. Und während ihrer ersten Läufe fragte sie sich immer und immer wieder: Wofür quäle ich mich?

Sie fand während des Trainings klare Antworten, einen neuen Lebensinhalt und sportlichen Ehrgeiz. Das alles ist mehr Wert als eine Finisher-Medaille. Ein Gespräch, das vor allem eines zeigt: Es ist nie zu spät für den ersten Schritt. Es braucht nur etwas Starthilfe, viel Struktur und ein gutes Team.

Trainingsstart mit 90 Kilo

#BeatYesterday: Monika, du bist mit 46 Jahren deinen ersten Marathon gelaufen. Wie kam es?

Monika Steinmetz: Mein Mann lief schon mehrere Marathons und engagiert sich sehr stark in unserer Laufgruppe in Emden. Ich war oft mit dabei, wenn wir mit dem Team Laufevents besucht haben. Zum Anfeuern oder um als Wasserträgerin zu helfen. Als Zuschauerin an der Strecke war mir immer klar: Irgendwann will ich auch mitlaufen und die 42 Kilometer schaffen.

#BeatYesterday: Zwischen dem Wollen und dem Machen sitzt bekanntlich der kläffende Schweinehund. Was war der finale Impuls, die letzte Motivation, um es wirklich durchzuziehen?

Monika: Ein Arztbesuch. Ich hatte Knieprobleme, wollte die Beschwerden abklären lassen. Da wurde mir gesagt, dass es in meinen Knien kaum noch Knorpelmasse gäbe. Dass ich mich dringend mehr bewegen muss. Sonst würde ich mein Leben lang Probleme haben.

#BeatYesterday: Und dann nimmst du dir gleich einen Marathon vor.

Monika: Mein Mann hat an demselben Abend den Berlin-Marathon für unsere Laufgruppe organisiert, also die Liste mit den Teilnehmern erstellt und viel telefoniert, um zu fragen, wer überhaupt dabei sein will. 40 Plätze hatte die Laufgruppe eingekauft. Da habe ich ihm gesagt, er soll meinen Namen auch mit draufschreiben.

#BeatYesterday: Wie hat er reagiert?

Monika: Er hat gefragt, ob ich verrückt bin. Er sagte verwundert: „Deine Knie sind dick und du willst deinen ersten Marathon laufen?” Er hat mich für bescheuert gehalten, mich dann aber trotzdem eingetragen. Mein Mann weiß, dass ich einen Dickkopf habe.

#BeatYesterday: Du hattest vorher kaum Sport gemacht. Wie war das Training?

Monika: Obwohl ich nicht die schlankeste Person war, ich wog damals 90 Kilo, hat mir das Training nach einer kurzen Übergangsphase Spaß gemacht. Wir haben uns ja sukzessive gesteigert. Von 20 Laufkilometer pro Woche auf 30, 40, dann 50, am Ende waren es um die 60. Einmal die Woche ein richtig langer Lauf. Ich musste Kilometer fressen und davon reichlich.

Mit Laufanalyse zum richtigen Schuh

#BeatYesterday: Was war deinem Mann, dem erfahrenen Läufer, in der Anfangszeit deines Trainings wichtig?

Monika: Mein Mann hat mir kleine Ziele gesetzt. Ich sollte stetig Verbesserung spüren und kleine Erfolge feiern, weil das eben besonders motiviert.

#BeatYesterday: Auf was muss man besonders achten, wenn man mit etwas mehr Gewicht läuft?

Monika: Wir haben in Aurich einen richtig guten Laufladen. Dort habe ich eine Laufanalyse machen lassen. Es war schnell klar, dass ich das Modell wechseln muss. Danach konnte ich relativ gut trainieren. Wer an den Schuhen spart, spart am falschen Ende.

#BeatYesterday: Was war der Moment, wo du wusstest: Das, was ich vorhabe, ist realistisch. Das schaffe ich.

Monika: Als ich meinen ersten offiziellen Halbmarathon in Hannover trotz Hitze erfolgreich beendet habe. Zwei Wochen vorher trainierten wir noch im Schnee, in Hannover waren es dann am Wettkampftag über 20 Grad. Da dachte ich: Wenn ich die eine Hälfte schaffen kann, dann ist die andere auch noch möglich.

#BeatYesterday: Wie oft wolltest du – trotz des Spaßes – während deiner mehrmonatigen Vorbereitung aufgeben?

Monika: Warum mache ich das? Für wen tue ich das hier eigentlich? Es gab Momente, da habe ich mir diese Fragen gestellt. Ich könnte doch auf der Terrasse sitzen oder auf der Couch liegen. Aber dadurch, dass ich mit meinem Mann gelaufen bin und später auch mit einer Kollegin aus der Laufgruppe, spürte ich immer einen gewissen Druck. Ich wollte nicht diejenige sein, die absagt. Und die Antworten auf meine Fragen fand ich auch schnell. Ich tue das für mich. Nur für mich. Für niemand anderen.

#BeatYesterday: Was waren für dich die Schwierigkeiten in der Marathonvorbereitung?

Monika: Der heiße Sommer war ein Problem. Mir wird beim Sport immer schnell warm. Im Januar, als mein Training begann, lief ich mit T-Shirt und Dreiviertelhose, während mein Mann dick verpackt in langer Lauftight, Radlerhose, Jacke und Stirnband trainierte. Die hohen Temperaturen haben mich sehr geschafft.

#BeatYesterday: Wie habt ihr das Problem gelöst?

Monika: Mit unserem Wecker. Wir sind um 4 Uhr aufgestanden. Ob vor dem Arbeitstag, am Wochenende oder während des Urlaubs – immer um vier. Dann war es draußen halbwegs erträglich.

Ein kühles Weizen als Motivation

#BeatYesterday: Sport ist das eine. Ernährung das andere. Hattest du deine Ernährung umgestellt?

Monika: Ich habe normal weiter gegessen, nichts groß verändert. Auch vor den Trainings aß ich nicht besonders viel, weil mir das immer etwas auf den Magen schlug – es sich anfühlte wie Steine im Bauch. Die Kohlenhydrate habe ich mir nach den Trainings zurückgeholt. Was sich stark veränderte, war mein Trinkverhalten. Ich trank viel mehr Wasser, zu jeder Tageszeit.

#BeatYesterday: Andere Hobbyläufer verzichten auf Zigaretten und Alkohol, machen weniger Party. Du auch?

Monika: Ich rauche nicht. Und bei Feierlichkeiten haben wir uns jetzt nicht großartig eingeschränkt. Es gab eben statt einer Flasche Wein nur noch eine halbe, weil ich wusste, dass ich für eine ganze im Training büßen würde. Manchmal haben wir Grillabende und Geburtstagsfeiern auch an unseren Trainingsplan angepasst, zum Beispiel um einen Tag verschoben. Ich habe nicht anders gelebt als vorher, mich nur sehr viel mehr bewegt.

#BeatYesterday: Gab es einen Hack, einen zusätzlichen Anreiz, mit dem du dich für die harten Einheiten motiviert hast?

Monika: Ein kühles, alkoholfreies Weizenbier. Das habe ich nach jedem Lauf weggezischt. Egal ob abends oder morgens um acht. Sind wir 30 Kilometer gelaufen, hatte ich ab der 25er-Marke nur noch ein Ziel vor Augen – das Weizen.

#BeatYesterday: Nun bist du deinen ersten Marathon gelaufen. Es lief aber nicht alles glatt. Was ist passiert?

Monika: Es begann alles gut. Ich war nicht nervös, hatte gute Beine. Nach zehn Kilometern war unser Schnitt so gut, dass wir auf das Gesamtziel, unter sechs Stunden zu bleiben, schon 18 Minuten Vorsprung herausgelaufen hatten. Dann ist mir eine Läuferin in meine bereits angeschlagene und getapte Ferse gelaufen. Es hat mir den Schuh vom Fuß gerissen, sogar das Tape hat sich beim Aufprall gelöst. Meine Ferse war sofort angeschwollen und schmerzte extrem.

#BeatYesterday: Wie habt ihr darauf reagiert?

Monika: Mein Mann war in dem Moment gar nicht da, sondern auf der Toilette. Als er meinen Fuß sah, schüttelte er mit dem Kopf. „Kein Problem, wenn wir jetzt aufgeben”, sagte mein Mann. Ich wollte aber noch ein Stück laufen. Unsere Tochter wartete an bestimmten Streckenpunkten, um uns anzufeuern. Wir hatten uns verabredet. Sie sollte sich keine Sorgen machen, wenn wir nicht kommen.

Laufen, Laufen, Laufen. Die Marathonvorbereitung von Holger und Monika war hart. Im Sommer ging es oft morgens um kurz nach vier auf die Strecke, wegen der Hitze. ©privat
Laufen, Laufen, Laufen. Die Marathonvorbereitung von Holger und Monika war hart. Im Sommer ging es oft morgens um kurz nach vier auf die Strecke, wegen der Hitze. ©privat

Die 42-Kilometer-Qual

#BeatYesterday: Wie oft hast du überlegt aufzugeben?

Monika: Mein Mann hat das mehrmals angesprochen, er war besorgt. An Kilometer 21 wartete wieder unsere Tochter, wir trafen einen Entschluss. Bis dahin, nicht weiter. Als wir sie sahen, ist mein Mann zu ihr hingelaufen, ich jedoch bin auf die andere Seite gewechselt. Ich wusste, wenn ich stehen bleibe, nur für einen Moment, für ein Küsschen und ein Abklatschen, dann würde ich nicht weiterlaufen. Ich wollte aber finishen. Unbedingt.

#BeatYesterday: Wie hast du den Schmerz überwunden?

Monika: Ich bin Buchhalterin und sehr zahlenfixiert. Ich habe im Kopf alle 100 Meter gezählt und den Weg bis zum Ziel ausgerechnet. Das hat mich abgelenkt. Nur mein Mann konnte mich dadurch nicht so gut motivieren, wie er es vorgehabt hatte. Er sagte: So, komm, noch drei Kilometer. Ich wusste, dass er lügt. Es sind noch 4,5. Aber so war der Kopf bei den Zahlen und nicht bei den Schmerzen. Manchmal sind wir auch in Gehphasen gewechselt. Zum Leidwesen unserer Ankunftszeit.

#BeatYesterday: Du hast es geschafft. In 6 Stunden und 40 Minuten.

Monika: Der Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor war ein ergreifender Moment. Das wollte ich ja erleben. Als Zuschauer hatte mich das immer fasziniert. Diese sichtbare Anstrengung über das gesamte Rennen, die offensichtlich angespannten und genervten Läufer, die irgendwann auch verbal patzig wurden. Und dann am Ende diese gelöste Freude. Der Überschwang, die Erleichterung, das Glück mit der Medaille um den Hals. Dafür hatte ich mich durchgequält.

#BeatYesterday: Die meisten Marathon-Finisher sprechen ehrfürchtig von den letzten Metern.

Monika: Die letzten zwei Kilometer waren eine besondere mentale Qual. Vorher waren 42 Kilometer für mich nur eine Zahl. Erst durch den Marathon weiß ich, was sie bedeutet. Besonders schlimm – keine Kurve war die letzte. Immer kam noch eine und noch eine. Mein Mann und ich sind die letzten Kilometer Hand in Hand gelaufen. Es war ja ein gemeinsames Projekt. Auf der Zielgeraden war ich so perplex, dass ich nicht einmal mitbekam, dass sich mein Mann ein, zwei Schritte zurückfallen ließ. Er wollte unbedingt, dass ich vor ihm ins Ziel komme.

#BeatYesterday: Trotz der Schmerzen. Warst du jemals vorher so zufrieden?

Monika: Hundertprozentig zufrieden war ich trotzdem nicht. 6 Stunden 40, meine Zeit, war nicht das Ziel. Ich habe also noch eine Rechnung mit Berlin offen.

#BeatYesterday: Wie ging es mit der Ferse weiter?

Monika: Ich war am nächsten Tag beim Arzt und der war geschockt. Die Achillessehne war um das Fünffache geschwollen. Sie hätte jederzeit reißen können. Auch heute, ein halbes Jahr später, spüre ich sie noch. Es tut weh. Ich taste mich langsam heran. Jeden Lauf 100 Meter mehr, hat der Arzt gesagt. Momentan bin ich, nach meinem Wiedereinstieg ins Training, bei 2 Kilometer. Du kannst dir ausrechnen, wie lange noch, bis zum nächsten Marathon.

#BeatYesterday: Wärst du mit diesem Wissen bei Kilometer elf ausgestiegen?

Monika: Nein. Ich wollte finishen. Dafür war ich da, dafür die Trainingsqualen. Auch wenn es eine kluge Entscheidung gewesen wäre bei Kilometer elf aufzuhören – ich hatte mir was vorgenommen und das wollte ich erreichen. Um jeden Preis.

#BeatYesterday: Wie hat dich das Laufen als Mensch verändert?

Monika: Früher habe ich es nie verstanden, dass mein Mann grantelig wurde, wenn er nicht laufen konnte. Jetzt spüre ich es selbst. Jetzt bin ich frustriert.

Runter von 90 auf 80 Kilo

#BeatYesterday: Hat dir der Sport im Alltag geholfen?

Monika: Sehr. Auf der Arbeit hatte ich durch das Laufen den Kopf frei. Ich habe während des Trainings abgenommen, bin runter von 90 auf 80 Kilo. Ich spürte Muskeln, die ich zuvor nicht gekannt hatte. Ich war viel fitter im Alltag, vieles fiel mir leichter. Der Sport hat mich als Mensch zufriedener gemacht. Wenn ich heute mit dem Rad zu Freunden fahre, kommt manchmal Melancholie auf. Dahinten, bei den Bäumen und Büschen, bin ich vor einem Jahr noch gelaufen.

#BeatYesterday: Glaubst du, jeder kann einen Marathon laufen?

Monika: Es ist eine Frage des Willens. Ich war über vierzig, sicher nicht die schlankeste und in meinem Leben kaum mal mehr als fünf Kilometer am Stück gelaufen. Und ich habe es trotzdem geschafft. Und wenn mir das gelungen ist, kann das auch fast jedem anderen gelingen.

#BeatYesterday: Worauf kommt es abseits des Willens an?

Monika: Auf eine gute Planung. Eine gefestigte Trainingsstruktur hilft dabei, gar nicht erst nachzulassen. Und man muss sich eben auch zeitlich darauf einstellen. Ein 30-Kilometer-Training bedeutete für mich eben nicht nur eine vierstündige Laufeinheit, sondern auch das anschließende Richten der Knochen, die Erholungspause also, und eine lange Dusche. Da sind schnell fünf, sechs Stunden vom Samstag weg.

#BeatYesterday: Wenn man so viel trainiert, geht auch Freizeit verloren. Worauf hast du verzichtet?

Monika: Wir haben weniger im Garten gemacht. Aber das ist ja auch logisch. Kein großer Läufer macht vor einem Marathon anstrengende Gartenarbeit. Auch andere körperlich anstrengende Tätigkeiten haben wir vermieden. Wir haben andere Prioritäten gesetzt.

#BeatYesterday: Was würdest du den Frauen und Männern raten, die jetzt sagen: Ich will das auch machen, was Monika geschafft hat.

Monika: Sich Unterstützung suchen. Ohne meinen Mann hätte ich es nicht geschafft. Auch meine Tochter, die fast jede lange Strecke mit dem Fahrrad mitgefahren ist, um uns mit Getränken zu versorgen, hatte einen riesigen Anteil am Finish in Berlin. Und die Laufgruppe natürlich. Wir stecken uns alle gegenseitig mit neuen Zielen an. Unsere gemeinsamen Laufevents bereiten wir zum Beispiel mit Videos nach. Das sind zusammengeschnittene Filme mit Bildern und Sequenzen von den jeweiligen Rennen. Danach sind wir immer wahnsinnig motiviert. Unsere Marathongruppe, innerhalb der Emder Laufgemeinschaft, hatte vor ein paar Jahren noch zehn Teilnehmer, jetzt sind wir 40. Wir sind ein Team. Und Laufen ist eben nicht nur Einzel-, sondern auch Teamsport.

#BeatYesterday: Was hast du dir als nächstes Ziel vorgenommen?

Monika: Gesund werden. Ich bewege mich immer mehr, halte mich aber natürlich an die Anweisungen des Arztes. Ich will nicht noch länger ausfallen. Und dann gibt es nur ein Ziel. Berlin. 6 Stunden. Erst dann bin ich mit der Stadt quitt.

Die Emder Laufgruppe zelebriert gemeinsam Marathon-Events. “Ein Teamsport”, wie Monika – hier in 2. Reihe mittig – sagt. ©privat
Die Emder Laufgruppe zelebriert gemeinsam Marathon-Events. “Ein Teamsport”, wie Monika – hier in 2. Reihe mittig – sagt. ©privat

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