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Streitfrage: Sind Noten im Schulsport notwendig?

Sind Schulnoten im Sport und die Bundesjugendspiele überflüssig? Eine viel diskutierte Frage – auch in der #BeatYesterday.org-Redaktion! Schreib uns deine Meinung gerne in die Kommentare.

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Pro Schulnoten: Ansporn schaffen

von Kevin Berg

Kaum einem Schulfach fieberte ich so entgegen wie dem Sportunterricht. Besonders schätzte ich das Wetteifern mit meinen Mitschülerinnen- und -schülern. Sei es im Sprint, beim Werfen oder im Weitsprung. In ungeliebten Disziplinen strengte ich mich sogar etwas mehr an, weil ich den Anschluss nicht verlieren wollte.

Klar, nicht in jeder Sportart erzielte ich vorzeigbare Ergebnisse. Beim Geräteturnen hagelte es Vieren und Fünfen. Eine Demütigung?

Mitnichten. Vielmehr waren die Noten für mich ein Ansporn. Klammerte ich mich als jugendlicher Steppke mit zitternden Armen ans Reck, gelang es mir schon ein Jahr später besser. Statt einer Fünf notierte meine Lehrerin eine Drei. Ein Erfolgserlebnis.

Viele Stimmen plädieren momentan für eine Abschaffung der Schulnoten im Sport. Sie seien demotivierend und würden den Spaß an Bewegung schmälern. Ein Vorhaben, das vor allem weniger talentierte Schülerinnen und Schüler schützen und ihnen Freude am Sport vermitteln soll. Schüler wie mich. Das ist ein ehrbarer Gedanke.

Aber hilft er wirklich weiter? Und wie sollen Kinder ihre sportliche Leistung einordnen, wenn keine einheitliche Bewertung existiert? Ein textliches Feedback, wie es einige Schulen praktizieren, kann ebenso entmutigen wie eine Note. Dazu wird die Bewertung durch die Lehrkräfte noch subjektiver. Entscheidet vielleicht auch das Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern über das konkrete Feedback? Das Schöne am Sportunterricht sind ja bislang die klaren Bewertungsmaßstäbe.

Und: Würde das Verschwinden der Noten nicht die Tore für gelangweiltes Traben in unbeliebten Laufdisziplinen und einem demotivierten Hüpfer in die Sandgrube öffnen?

Wenn ich früher beim verhassten 12-Minuten-Lauf in beinahe provokantem Schritttempo über die Tartanbahn schlurfte, war eine Fünf die gerechte Belohnung dafür. Das sollte auch so bleiben. Als Ansporn und Lehre, dass man im Leben auch mit Rückschlägen umgehen können muss.

Jedes Schulfach belohnt Talent und Fleiß, vor allem Durchhaltevermögen. Warum sollten Schülerinnen und Schüler noch nach Verbesserung streben, wenn das Minimum zum Durchkommen genügt?

Ist nicht eine klare Einordnung der Leistung – über eine Note – die Grundlage dafür, dass man sich verbessern will, dass man an sich arbeitet. Dass man sieht, dass sich Training lohnt?

Was sich stattdessen ändern müsste

Bei ungenügenden Leistungen in Mathematik schicken Eltern ihre Kinder zur Nachhilfe. Warum nicht beim Sport? Kurse nach dem Unterricht, in denen sie gezielt für die nächste Leistungskontrolle trainieren können, würden helfen. Ohne Druck und die vielleicht wertenden Blicke der Sportskanonen. Mit einem erreichbaren Ziel.

Das würde nicht nur mehr Freude an Bewegung vermitteln. Auch würden Kinder lernen, dass Training etwas bringt – wie fast überall im Leben. Der Lohn wäre dann eine bessere Note in der nächsten Leistungskontrolle. Dieses potenzielle Erfolgserlebnis, was auf das ganze Leben ausstrahlen kann, sollten wir ihnen nicht nehmen.

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Kontra Schulnoten: Freude am Sport wiedergewinnen

von Juliana Meyruhn

Es war kein Zuckerschlecken. Ich meine damit eine Sportstunde in der sechsten Klasse. Schon eine Woche vorher wusste ich, dass die Leistungskontrolle im Stangenklettern auf dem Plan steht. Ich fürchtete mich davor.

Und tatsächlich: Während die anderen nach zehn Sekunden die Decke berührten, kam ich nicht mal einen Meter hoch. Die Folge: Ich wurde danach bei fast jeder Teambildung für ein Sportspiel als letztes Kind gewählt. Ich sei nicht sportlich genug und würde den Notendurchschnitt in der Gruppe verschlechtern. Eine Demütigung, die ich bis heute nicht vergessen habe.

Aktuell kursieren Diskussionen über Schulnoten im Sportunterricht. Dass Bewegung besonders bei Kindern für die persönliche Entwicklung entscheidend ist, gilt als unbestreitbar. Deshalb geht es nicht um die Abschaffung des Schulsports generell, sondern um das Ende der Schulnoten, so wie wir sie bislang kennen.

Warum?

Die Benotung der individuellen Leistungen kann das Verhältnis von eher unsportlichen Kindern zum Thema Bewegung langfristig schädigen. Noch dazu mögen zwar Leistungen der einzelnen Kinder vergleichbar sein – die Voraussetzung für den Sport ist es oft nicht.

Manche Schülerinnen und Schüler können neben der Schule trainieren. Weil die Eltern entweder Zeit haben, sie zu den Trainings zu fahren. Oder weil sich die Familie das nötige Equipment überhaupt leisten kann.

Diese eher privilegierten Kinder haben somit einen anderen Leistungsstand im Ausdauerlauf als diejenigen, die diese Chance nicht haben. Warum sollen dann alle nach den gleichen Anforderungen bewertet werden?

Zum familiären Umfeld kommen auch Unterschiede bei den körperlichen Voraussetzungen. Kinder haben im gleichen Alter oftmals unterschiedliche Körpergrößen- und gewichte. Tom, der 150 cm groß ist, lange Beine hat und nur 45 Kilogramm wiegt, könnte physisch gesehen schnell sprinten. Hingegen ist Björn, der nur 140 cm groß ist, stämmiger gebaut ist und 50 Kilogramm wiegt, naturgemäß etwas langsamer unterwegs.

Vor allem in den Wachstumsphasen der Pubertät ergibt ein einheitlicher Bewertungsmaßstab im Sportunterricht aufgrund der unterschiedlichen Wachstumsstadien keinen Sinn.

Kinder, die sich genauso anstrengen, die sich bemühen, werden für Dinge, die sie nicht immer beeinflussen können, bestraft. Das ist demotivierend, verletzend. Und manchmal sogar gesundheitsgefährdend für die Psyche der Kinder.

Und es gibt noch ein weiteres Problem bei der Benotung im Sportunterricht. Schlechte Noten werden oftmals mit Unsportlichkeit gleichgesetzt. Dabei kann der schwere und stämmige Björn vielleicht irgendwann ein guter Ringer, Eishockeyspieler oder Speerwerfer werden. Vielleicht ist Björn auch längst ein Sportass – nur nicht im Hoch- oder Weitsprung. Im normalen Unterricht wird jedoch kaum berücksichtigt, dass es unterschiedliche Körpertypen gibt.

Für mich hat der Sportunterricht am Ende ohnehin nur eine einzige essenzielle Aufgabe: Den Kindern die grundsätzliche Freude an Bewegung vermitteln.

Vielen Kindern graut es jedoch vor der Sportstunde. Weil sie Gelächter und Ausgrenzung fürchten, vielleicht sogar die Reaktion der Eltern bei einer Fünf. Gibt es keine Noten mehr, nimmt man Kindern eine grundlegende Angst vor dem Sportunterricht und damit vor Bewegung im Generellen.

Was sich ändern müsste

Lehrerinnen und Lehrer können ja weiter benoten, aber das nicht mehr nach altbackenen Tabellen. Besser wäre es, wenn sie die Leistungssteigerungen der Kinder bewerten. Diese Bewertung würde nicht im direkten Vergleich zu anderen Mitschülerinnen und Mitschülern stehen. Stattdessen werden diejenigen positiv benotet, die langfristig ihre Leistungen verbessern, die sich dafür im Unterricht bemühen. Gleichzeitig werden auch die Sportskanonen noch intensiver gefördert. Der Ehrgeiz bliebe bestehen und die Freude für Bewegung könnte sich bei allen manifestieren.

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