Hula Hoop: Ein Ring, sich zu knechten

Es begann bei einem Stück Kuchen. Kristin Rein, damals Mitte dreißig, konnte ihre Gabel plötzlich nicht mehr halten. Sie fiel klirrend zu Boden. Ihre Hände und Füße waren taub geworden, hatten Kraft und Gefühl komplett verloren. Die Diagnose: Bandscheibenvorfälle in Lenden- und Nackenwirbelsäule. Eine Operation schien fast unumgänglich. Zu lange hatte Kristin ihre Rückenprobleme ignoriert.

Der zweifachen Mutter gelang es trotzdem, den Eingriff zu vermeiden. Sie wehrte sich mit Rückentraining gegen die Schmerzen. Nachdem ihr ein Arzt Bauchtanz als Muskelaufbau-Sport empfohlen hatte, landete sie über Umwege beim Hula Hoop. Eine beinahe schicksalshafte Fügung.

Acht Jahre später hat sich die Nischensportart zu einem Social-Media-Phänomen entwickelt. Auf Plattformen wie Instagram oder TikTok posten Influencer*innen und Freizeitsportler*innen unzählige Bilder und Videos mit den bunten Hoops (Reifen). Allein auf Instagram wurde der Hashtag #hulahoop bereits über eine Million Mal verwendet.

Auch das Berufsleben von Kristin Rein dreht sich mittlerweile teilweise um bunte Reifen. Sie ist ausgebildete Gesundheitstrainerin und produziert mit ihrem Team der Firma „Hooperella“ handgefertigte Kunststoffringe. Sie sagt: „Jeder kann mit dem Hula-Hoop-Reifen arbeiten. Egal, ob supersportlich oder etwas weniger fit, egal, ob weiblich oder männlich. Auch die Figur ist nicht entscheidend.“

Doch was bewirkt das Training mit Hula-Hoop-Reifen? Wie findet jeder die passenden Ringe? Mit welchem Workout können Einsteiger*innen mit dem Sport beginnen? Unsere Expertin beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was bringt das Training mit dem Hula Hoop?

#BeatYesterday.org: Was wird beim Hula Hoop trainiert?

Kristin Rein: Hula Hoop ist ein Ganzkörpertraining. Viele denken, der Sport würde nur die Hüfte oder den Bauchbereich trainieren. Das stimmt nicht. Schon bei den Basics wie dem Kreisenlassen des Reifens auf Taillienhöhe bewegt sich der gesamte Körper. Bauch, Brust, Beine, Arme, Po, Schulter und Hüfte werden gefordert. Mit verschiedenen Übungen lassen sich zudem bestimmte Muskelgruppen gezielt ansprechen. Durch die große Anstrengung eines Workouts absolvieren wir zudem ein effektives Cardiotraining.

Hula Hoop fördert außerdem für die Beweglichkeit. Wer ein bisschen mit dem Reifen übt, wird spüren, wie die Steifheit nachlässt und alles beweglicher wird. Besonders die sogenannten Off-Body-Übungen, bei denen der Reifen um Beine oder Arme schwingt, sorgen für die Entspannung der Arme bei Einsteiger*innen.

#BeatYesterday.org: Wie viel Kalorien verbraucht man beim Training mit einem Hula-Hoop-Reifen?

Kristin: Schon bei den Einsteiger*innen-Übungen verbrennen wir pro Stunde mindestens 600 Kalorien. So viel wie bei einer lockeren Laufrunde. Und die Intensität lässt sich noch deutlich steigern, beispielsweise durch Tanzbewegungen oder das wechselnde Anheben eines Beins. Ich habe schon total fitte Fußballer*innen und Boxer*innen in meinem Kurs gehabt, die richtig rot geworden sind und denen der Schweiß über die Stirn rann.

#BeatYesterday.org: Macht Hula Hoop eine schmale Taille?

Kristin: Definitiv! Wobei besonders Einsteiger*innen aufpassen sollten. Einige Hersteller behaupten, das schwere Ringe oder Reifen, die innen genoppt sind oder Massagewellen besitzen, das Bindegewebe straffen würden. Das ist ein Märchen. Eine schlanke Taille ist beim Hula Hoop das Resultat der anhaltenden Bauchspannung und der dauerhaften Beanspruchung des gesamten Muskelkorsetts der Körpermitte.

Hula Hoop bringt uns übrigens sehr viel mehr als sportliche Erfolge. Dadurch, dass man sich komplett auf sich selbst und seine Bewegungen konzentriert, verbessert sich rasch das eigene Körpergefühl. Man bekommt eine viel bessere Haltung. Dazu ist Hula Hoop gut für die Psyche, weil es unfassbar glücklich macht, wenn der Reifen oben bleibt. Viele haben das in der Schule nie geschafft. Mit dem passenden Equipment und den richtigen Technik-Tipps klappt es aber bei den allermeisten.

Eine Psychologin setzt die Reifen mittlerweile in ihrer Praxis ein. Ihre Patienten werden, wenn sie mit den Hoops spielen, deutlich unverkrampfter – körperlich und mental. Hula Hoop ist mit der richtigen Mucke viel mehr als Sport: nämlich geballte Lebensfreude.

Den passenden Hula Hoop für das Training finden

#BeatYesterday.org: Was für Hula Hoop Reifen gibt es?

Kristin: Von den derzeit überall angebotenen sogenannten „Fitness-Hoops“ bin ich nicht überzeugt. In meinen Augen ist jeder Reifen, der zu einer Person passt, auch ein Fitness-Hoop. Es kommt immer darauf an, was wir mit dem Reifen anstellen möchten. Ein Einsteiger-Hoop sollte nicht mehr als 700 Gramm wiegen und aus etwa 2,5 Zentimeter dickem Polyethylen-Rohr bestehen.

Es gibt aus dem gleichen Material auch 2 Zentimeter starke Hoops. Diese setzen Sportler*innen gerne beim Hoopdance, dem Tanzen mit dem Reifen, ein. Sie eignen sich aber auch für Kinder und mit größerem Durchmesser ebenso für Einsteiger*innen und sogar Schwangere. Im Fortgeschrittenen- und Profi-Bereich arbeiten die „Hoopies“ am liebsten mit sogenannten Polypro- oder HDPE-Hoops. Sie ermöglichen schnellere Richtungswechsel und kompliziertere Tricks.

#BeatYesterday.org: Und was ist mit dem Gewicht?

Kristin: Manche geben in den sozialen Medien damit an, dass ihr Ring am schwersten und am größten ist. Genau das kann gefährlich sein. Der viel zu schwere Ring, der meist aus Hartplastik geformt ist und bei den Körperberührungen nicht federnd nachgibt, schlägt mit dem durch die Fliehkräfte stark potenzierten Gewicht hunderte Male auf den Körper. Das verursacht mindestens üble Hämatome, wenn es richtig dumm läuft, können sich Hoop-Tänzer*innen an Wirbeln, Gelenken oder sogar inneren Organen verletzen.

Teilweise schicken mir Kunden*innen, die vorher viel zu schwere Reifen benutzt haben, Fotos von großen blauen Flecken und klagen über starke Schmerzen. Mit Produkten, die wie unsere aus flexiblen Kunststoffen wie Polyethylen gefertigt sind, passiert das nicht. Generell gibt es beim Gewicht eine Grundregel: Schwerer als 700 Gramm sollte der Reifen keinesfalls sein. Wer die Schwierigkeit erhöhen möchte, sollte folglich nicht Gewicht oder Hoop-Durchmesser erhöhen, sondern auf kleinere und somit leichtere Reifen zurückgreifen.

#BeatYesterday.org: Wie groß sollte ein Hula Hoop sein?

Kristin: Wenn du den Reifen vor dir auf den Boden stellst, sollte er dir bis zum Bauchnabel reichen. Wer also erstmals einen Ring bestellen möchte, sollte das Maß von der Sohle bis zur Nabelhöhe nehmen. So lässt sich der ideale Durchmesser relativ zielsicher bestimmen. Wer sich sehr sportlich fühlt, zum Beispiel Aerobic- oder Pilates-Erfahrung hat, kann vom Sohlen-Nabel-Maß gerne 5 bis 10 Zentimeter abziehen. Wer andersherum einfacher starten möchte, wählt 5 bis 10 Zentimeter mehr Durchmesser. Wenn es zu leicht wird, die Reifengröße nach und nach verringern oder das Material wechseln.

Das richtige Workout mit dem Hula Hoop

#BeatYesterday.org: Worauf sollte jeder beim Hula Hoop achten?

Kristin: Hula Hoop ist ein richtiger Sport mit all seinen Vorteilen, aber auch mit den verbundenen Risiken. Manche sind beim Training so beschwingt, dass sie nicht genügend trinken und Warnzeichen des Körpers ignorieren. Das kann zu Kreislaufproblemen oder einer Dehydration führen. Hula Hoop ist eben keine Rumdallerei, sondern eine, wenn wir es drauf anlegen, äußerst anstrengende Angelegenheit. Wer darauf achtet, eng anliegende Baumwollkleidung zu tragen (oder bauchfrei), möglichst aufrecht zu stehen und die lineare Push-Bewegung der Körpermitte mit lockeren Beinen ausführt, wird schnell erfolgreich sein.

Zudem gilt ein Leitsatz: Bloß nicht zu zaghaft sein! Hoop in den Rücken legen, möglichst horizontal Schwung geben und gleich mit genügend Power und Geschwindigkeit loslegen. Besonders Damen sind anfänglich meist zu zaghaft.

#BeatYesterday.org: Wie viel Platz braucht man für das Hula-Hoop-Training?

Kristin: Es braucht Freiraum. In meinem Wohnzimmer hat es bereits einige Vasen und Lampen erwischt. Im Rausch, besonders zu Musik, und wenn der Reifen auch beim Gehen und Tanzen auf der Hüfte bleibt, vergisst man schnell alles um sich herum.

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