Was sind Faszien?
Faszien sind Bestandteil des Bindegewebes. Sie bestehen unter anderem aus Wasser, Kollagen- und Elastinfasern und sind teils faserig, teils klebrig zäh. Faszien bilden ein sehr reißfestes und dennoch flexibles Netz, das unsere Organe, Muskeln, Gefäße, Knochen, Sehnen und Bänder miteinander verbindet. So sorgen sie einerseits für die Stabilität des Körpers und gleichzeitig für seine Flexibilität. Zum Beispiel ermöglichen sie, dass benachbarte Muskeln in einer Bewegung aneinander vorbeigleiten können oder befähigen uns zu Sprüngen, die wir mit unserer Muskulatur alleine nicht schaffen würden.
Neueste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Faszien auch eine tragende Rolle beim Abtransport von Abfallstoffen im Körper, sowie bei der Immunabwehr spielen. Deshalb werden sie auch gerne als das „geheime Organ“ betitelt.
Faszien an Muskelfaser
Faszien im Gewebezwischenraum | © Thomas Stephan
Intakte Faszien – alles ist im Fluss
In gesundem Zustand sorgen die Faszien dafür, dass Muskeln und Bänder geschmeidig, dehnbar und soft bleiben. Sie verleihen uns maximale Fitness, eine gute Haltung und eine knackige Figur.
Das beste Beispiel für intakte Faszien sind Kinder. Sie sitzen automatisch aufrecht, kommen spielend in den Spagat oder stecken sich auf dem Rücken liegend wie selbstverständlich den großen Zeh in den Mund. „Wenn man beobachtet, welche Bewegungen Kinder regelmäßig machen, dann kann man sagen: Sie bewegen sich „artgerecht“. Und das bedeutet, über das gesamte physiologisch mögliche Bewegungsspektrum“, erklärt Dr. Robert Schleip, Faszienforscher, Humanbiologe und Leiter des Fascia Research Project der Universität Ulm.
„Artgerechte Bewegung beim Homo Sapiens heißt affenähnlich. Der Schultergürtel hangelt, das Hüftgelenk wird im Hocksitz oder der Päckchenhaltung ganz gebeugt und ab und zu auch ganz gestreckt. Oder nach innen- und außengezwirbelt wie im Schneidersitz.“ So pflegen Kinder ihre Faszien ganz instinktiv nebenbei. „Außerdem haben Kinder Spaß an hüpfenden Bewegungen, wie zum Beispiel Seilspringen. Und: Kinder haben eine sinnliche Körperwahrnehmung. Sie machen noch spontane Tanzbewegungen und achten auf die Freude dabei. Wir Erwachsenen schielen oft nur auf die Leistung. Wie viel Kilogramm, wie schnell, wie weit“, ergänzt Dr. Schleip.
Verfilzte Faszien – ausgetrocknet und steif
Im Laufe der Jahre ist uns, bedingt durch moderne Lebensgewohnheiten, das kindliche Körperempfinden leider abhandengekommen. Mit dem Resultat, dass unsere eigentlich so flexiblen Faszien verfilzen, sich verhärten und verkürzen. „Ein typischer Stubenhocker beugt sein Hüftgelenk nur vom gestreckten Stehen bis zu 90 Grad im Sitzen. Die restlichen 145 Grad verfilzen und werden spröde aufgrund von Vernachlässigung“, erklärt der Humanbiologe.
Aber nicht nur Stress, Bewegungsmangel oder Schonhaltungen können die Ursache von verfilzten Faszien sein, sondern auch Überlastung, z.B. durch zu viel Sport. „Ein Athlet, der eine Bewegung mehr als 20.000 Mal in der Woche wiederholt, läuft Gefahr, dass es zu einer nassen Verfilzung seiner Faszien kommt. Die geht dann mit einer Entzündung, einem Anschwellen und Verklebungen einher.“ In beiden Fällen der Verfilzung ändert sich die regelmäßige, scherengitterartige Architektur der Faszien hin zu einer filzartigen, unregelmäßigen Fasergeometrie. Mit der Folge, dass wir unbeweglich und steif werden. Häufig verbunden mit Schmerzen.
Faszien können elastische Energie speichern
„Ein großer Durchbruch in der Sportmedizin war allerdings die Erkenntnis, dass Faszien auch elastische Energie speichern können, wie eine Bettfeder aus Edelstahl“, erklärt Dr. Robert Schleip. Entdeckt haben dies die Forscher bei den Kängurus. Ihre besonders langen Sprünge haben sie nämlich nicht vermeintlich dicken Beinmuckis zu verdanken: „Nach jahrelangem „Stochern“ in den rötlichen Muskelfasern der Tiere, hat man dann schließlich das beteiligte weiße Gewebe, bestehend aus Sehnen und Muskelhüllen, unter die Lupe genommen und festgestellt, dass dieses eine federartige Wellenstruktur aufweist. Dadurch ist es in der Lage Bewegungsenergie elastisch zu speichern und anschließend wieder wie ein Katapult blitzschnell zu entladen“, so Dr. Schleip weiter. Das wurde auch bei anderen springenden Tieren, wie beispielsweise den Antilopen entdeckt. Und fantastischerweise besitzen auch wir Menschen diese hochelastische und wellenartige Struktur, und zwar in der Achillessehne. Das erklärt unsere Fähigkeit zu rennen und zu springen. Unter den Affen sind wir Menschen die Kängurus.
Faszientraining – so wirkt es
Es gibt viele Möglichkeiten, deine Faszien zu trainieren und gleichzeitig geschmeidig zu halten, bzw. zu „entfilzen“. Durch Dehnung und Druck werden die Faszien in ihrer Elastizität trainiert und ausgetrocknete, verklebte Strukturen wieder mit Flüssigkeit aufgetankt. So können sich die Faszien nach und nach regenerieren und wieder ihre volle Funktionsfähigkeit erreichen.
Turnvater Jahn lässt grüßen!
Durch hüpfende, wippende Bewegungen kannst du die Speicherung der elastischen Energie trainieren. Verschiedene Sprünge aus dem Functional Training, regelmäßiges Seilspringen oder Tanzen bieten sich dafür an.
Regelmäßiges Dehnen
Entweder die Klassiker nach jedem Training oder ein bis zwei Yoga-Einheiten pro Woche sind optimal, aber auch fließende Bewegungen wie bei Pilates oder Tai Chi lieben deine Faszien.
Faszienmassage mit der Hartschaumrolle
Du kannst deine Faszien aber auch passiv durch mechanische Massage entfilzen und dadurch ihre Dehnbarkeit wieder erhöhen. Die Faszien-Massage mit der Hartschaumrolle oder Foam Roll, auch “Self Myofascial Release” genannt, eignet sich bei hartnäckigen Muskelverspannungen und Faszienverfilzungen, weil du lokalspezifisch besser an die verhärteten Regionen herankommst und sie noch intensiver in die Mangel nehmen kannst.
Aber auch für die schnellere Regeneration deiner Muskeln zwischen den Trainingseinheiten eignet sich regelmäßiges Rollen.
„Die schnellere Regeneration nach dem Sport und dass die Leute kurzfristig in der Dehnung weitergehen können, bevor es wehtut, das sind die bewiesenen Effekte, die es bisher zur Foam Roll gibt. Durch einen vibrierenden Einsatz für das Rolleninnere werden diese sogar noch erhöht,“ sagt Dr. Schleip.
Was passiert mit den Faszien beim Training mit der Foam Roll?
„Was wir allerdings wissen ist, dass sich in nass verfilzten Faszien abgestandenes Wasser befindet, angereichert mit Abfallprodukten der Mitochondrien, wie freien Radikalen, oder häufig auch mit Entzündungsbotenstoffen“, erklärt Humanbiologe Dr. Schleip. „Eindeutig bewiesen ist es am lebenden Menschen bisher noch nicht, aber wir Faszienforscher nehmen aufgrund von Grundlageversuchen im Organbad an, dass durch den Druck der Rolle abgestandenes Gewebewasser aus der Faszie gepresst wird. Durch das Nachlassen des Drucks saugt die Faszie während des Wiederausdehnens wie ein Schwamm frische Gewebeflüssigkeit und vor allem mehr davon auf.“
So rollst du richtig
Je nach Art der Verfilzung und dem gewünschten Effekt auf die Faszie empfiehlt Faszienforscher Dr. Schleip verschiedene Rolltechniken und –intervalle.
„Will man hartes und verfilztes Bindegewebe weichmachen, wie beispielsweise beim typischen Läuferknie, einer schmerzhaften Verhärtung an der Außenseite des Oberschenkels, dann sollte man optimalerweise jeden Tag rollen. Und das in der langsamst möglichen kontinuierlichen Rollgeschwindigkeit. So wird der Abbau von altem Kollagen angeregt. Wenn man aber Cellulite hat oder auch anderweitig gerne die Spannkraft spezifischer Faszien erhöhen möchte, dann möchte man die Kollagenproduktion anregen. Dafür ist herzhaft-kräftiges und schnelles Rollen sinnvoll, allerdings nur zwei bis dreimal die Woche“, so Dr. Schleip.
Geduldig sein
Auch im Faszientraining liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Regelmäßigkeit. Denn das Fasziengewebe verändert sich nur langsam, dann aber umso nachhaltiger. Das anfangs schmerzhafte Training wird zunehmend erträglicher oder sogar schmerzfrei. „Das ist ja das Tolle: verfilzte Faszien sind reversibel! Das geht nur nicht in drei Wochen, eher dauert es drei Monate“, erklärt Dr. Schleip.
Meine Faszienrolle und ich: Liebe auf den zweiten Blick!
Soweit die Faktenlage. Hier kommt mein Fazit, bzw. mein persönlicher Erfahrungsbericht für dich: Auch wenn einiges noch nicht bewiesen ist, gehen meiner Ansicht nach die Annahmen in die richtige Richtung. Doch um zu dieser Erkenntnis zu gelangen und ein wahrer Foam-Roll-Junkie zu werden, hat es sehr sehr lange gedauert. Schade! Und sorry, meine lieben Faszien, dass ich euch so stiefmütterlich behandelt habe!
Dabei waren meine Ansätze fast schon pionierartig: Meine erste „Hartschaumrolle“ besorgte ich mir nämlich schon im Jahre 2006! Und zwar, als im Zuge des „WM-Sommermärchens“ Mark Verstegen als Fitnesscoach der Deutschen National 11 mit seinem Core Performance-Programm für Leistungssportler auch den Hobbysportlern ein Begriff wurde. Ich kaufte mir nicht nur sein Buch und trainierte nach seinem Prinzip, sondern eben auch das von ihm empfohlene Dehnseil und die Hartschaumrolle. Beides Tools für die so wichtige Regeneration der Muskeln. In seinem Buch „Core Performance – Das revolutionäre Workout Programm für Körper und Geist“, schreibt er dazu: „Stellen Sie sich vor, Ihr Körper sei aus Ton. Die Hartschaumrolle macht den Ton geschmeidig, sodass Sie ihn in etwas Biegsameres, Funktionaleres umformen können.“
Doch genau den Part der Regeneration vernachlässigte ich schnell während des Trainingprogramms. Ich fand das Rollen einfach langweilig, weil es für nicht anstrengend genug war. Reine Zeitverschwendung, dachte ich. Irgendwann stand die Rolle nur noch als Deko im Regal.
Nach großen Anlaufschwierigkeiten kommt unsere Liebe ins Rollen
Erst vor drei Jahren holte ich sie dann wieder heraus. Grund: ich merkte, dass meine Muskeln in den Beinen schnell an ihre Grenzen kamen, und dass ich keine Trainingsfortschritte mehr machte. Zusätzlich verspürte ich beim Joggen plötzlich Schmerzen im Quadriceps, die Richtung Knie ausstrahlten – das oben beschriebene Läuferknie eben. Parallel dazu ploppte das Thema „Faszien“ auf sämtlichen Sport- und Gesundheitskanälen in den Medien auf. Ich begann mich mehr für das „geheime Organ“ zu interessieren und mir wurde schnell klar: Meine Faszien sind ganz schön verfilzt!
Manchmal musst du dich zu deinem Glück zwingen!
Also habe ich meinen Beinen regelmäßiges Faszientraining mit der Hartschaumrolle auferlegt. Ja, ich musste mich anfangs dazu zwingen! Denn trotz des neu gewonnenen Wissens gesellte sich der Spaß nicht automatisch dazu. Schließlich tat es höllisch weh! Als Motivationskick las ich noch mal im Buch von Mark Verstegen nach und entdeckte folgenden Satz: „Die Hartschaumrolle ist ein ideales Barometer für die Qualität Ihrer Muskeln und des Bindegewebes. Je besser es sich anfühlt und je weniger es weh tut, umso besser sind die Bindegewebe.“ Und welche Frau möchte nicht perfektes Bindegewebe!? Nach drei bis vier Wochen wurde der Schmerz weniger.
Jetzt ist das Rollen geliebte Routine
Ich mache an drei Tagen die Woche Sport, an allen anderen rolle ich. Da ich dem „5 a.m.-Club“ angehöre, trainiere ich stets frühmorgens direkt nach dem Aufstehen. Ich rolle meine Gymnastikmatte im Wohnzimmer aus, greife nach meiner Rolle und starte mein Training. Nebenbei schaue ich Frühstücksfernsehen. Die Reihenfolge ist immer gleich: erst Oberschenkel vorne, dann seitlich (besonders schmerzhaft!), dann die Oberschenkelrückseite und die -innenseite. Danach kommt die Wade hinten und vorne dran. Dann wechsele ich zum anderen Bein. Insgesamt dauert mein Training 30 Minuten, also 15 Minuten pro Bein.
Der Weg zur „richtigen“ Technik
Anfangs rollte ich immer sehr schnell. Dann riet mir mein Physiotherapeut, mich in Streckenabschnitten von ca. 3 cm den Muskel entlang zu arbeiten und für einige Sekunden an derselben Stelle in ganz kleinen Bewegungen hin und her zu „walzen“. So kann man die schmerzhaften, weil stark verfilzten Stellen, effektiver bearbeiten.
Nach dem Interview mit Humanbiologe und Faszienforscher Dr. Robert Schleip änderte ich allerdings meine Technik: Die Oberschenkelrückseite rolle ich schnell, da ich dort keine Verhärtungen habe und die leichten Dellen glattbügeln möchte. Alle anderen Teile bearbeite ich in der langsamst möglichen Geschwindigkeit. Da sich dort, aufgrund meiner intensiven Workouts, schnell Verhärtungen bilden.
Mein Fazit
Beim Joggen habe ich keine Probleme mehr und im Beintraining konnte ich mein Trainingsplateau überwinden. Nach neuen Trainingsübungen hilft mir die Rolle den Muskelkater wieder schneller loszuwerden und mein Hautbild auf der Oberschenkelrückseite hat sich extrem verbessert. Ich fühle mich geschmeidiger und alles scheint funktionell im Fluss.
Es lohnt sich, deinen Faszien in Zukunft etwas mehr Aufmerksamkeit und Pflege zu widmen. Probiere es aus!
Dr. Schleip: „Faszien sind unser reichhaltigstes Sinnesorgan.“
Unsere Autorin Judith Sylla unterhielt sich ausführlich mit dem Faszienforscher – das vollständige Interview mit Dr. Robert Schleip kannst du hier nachlesen.
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