#BeatYesterday: Christoph, du hast den Engadiner bereits zum zehnten Mal absolviert. Trotzdem war es für dich ein ganz besonderes Event. Es hat mit der Familie zu tun. Erzähl doch mal.
Christoph Engel: Meine fünf Geschwister und ich waren das erste Mal gemeinsam am Start. Wir sind das Rennen also zusammengelaufen, wenn auch jeweils in einem anderen Tempo. Ich war früher auf sehr ambitioniertem Niveau Nordischer Kombinierer, also Langläufer und Skispringer. Dabei durfte ich mehrere Jahre an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Ich bin wegen der Trainingsbedingungen sogar für ein halbes Jahr nach Norwegen gezogen. Mein jüngster Bruder hingegen startete mit Langlauf erst in dieser Saison. Er stand erst zum zehnten Mal auf Langlaufski. Da ist es ja klar, dass wir nicht zeitgleich ins Ziel kommen.
Mit Garmin zum Engadiner
Trotzdem hatten wir einen starken Team-Spirit. Da ich als erster der Familie ins Ziel kam, habe ich mich sofort umgezogen und bin zurück an die Strecke, weil ich die anderen anfeuern wollte. Nach und nach kamen die anderen Geschwister dazu. Wir alle sind so lange dabei geblieben, bis der letzte, mein jüngster Bruder, über die Ziellinie fuhr. Eine fantastische Leistung von ihm, ohne jahrelanges Training sich so zu motivieren – und durchzubeißen.
Besonders war das Rennen auch, weil unsere Eltern dabei waren. Sie hatten über ein Gewinnspiel von Garmin die Reise zum Engadiner gewonnen und waren am Start und am Ziel mit dabei. Für sie war es ein echtes Erlebnis, alle sechs Kinder bei so einem Massenevent auf der Loipe zu erleben. Das erste Mal haben sie so alle ihre Kinder beim Engadiner angefeuert. Auch als Erwachsener ist es immer noch motivierend, wenn die Eltern vor Ort zuschauen.
15 Minuten langsamer als Cologna
Auch mit meiner Zeit, 1 Stunde und 37 Minuten, war ich sehr zufrieden. Dario Cologna, der beste Schweizer Läufer, ein Weltklasse-Athlet, war nur etwas mehr als 15 Minuten schneller. Das freut einen natürlich.
Wir Geschwister haben schon Pläne gemacht. Auch im nächsten Jahr könnten wir wieder ein Event gemeinsam erleben. Der Engadiner wird es nicht, weil mein Bruder zeitgleich als Profimusiker in Projekte eingebunden ist. Zum Glück gibt es Alternativen. Egal wo – unsere Eltern sind dann hoffentlich wieder mit dabei.
#BeatYesterday: Vor ein paar Jahren wurdest du mit einem Schicksalsschlag konfrontiert. Was war passiert und vor allem: Hat das deinen Blick auf den Sport verändert?
Christoph Engel: Die Ärzte haben bei mir Hodenkrebs festgestellt. Im Herbst 2014 war das.
Am Tag, bevor es für mich ins Krankenhaus ging, für die Operation, habe ich mich noch mal auf das Fahrrad gesetzt und eine anständig große Runde gedreht. Alles noch mal rausgehauen, richtig hart trainiert. Ich wusste ja: Nach so einer Operation und der Chemotherapie würde ich einige Zeit nicht auf dem Fahrrad sitzen können. Auch das Joggen war erst mal vorbei.
Während meiner Genesung profitierte ich enorm von meiner guten Fitness. Ich habe die OP gut überstanden. Und die Chemotherapie konnte ich womöglich auch aufgrund meines fitten Zustandes besser vertragen als vielleicht andere Patienten.
Der Engadiner war ein persönlicher Test
Das erste Großevent, das ich nach dem Ende der Chemo bestritt, war der Engadiner im Folgejahr. Es war ein persönlicher Test für mich. Ich wusste nicht, wie schnell ich noch laufen kann, was noch drinliegt. Aber der Lauf hat sich gut angefühlt, und für mich war es der Beweis: Ich bin wieder gesund. Wieder fit. Das hat meine restliche Genesung, auch die mentale, extrem beschleunigt.
Generell bedeutet mir Sport nach der Krankheit aber nicht mehr als vorher. Sport war immer ein bestimmender Teil meines Lebens, er war immer wichtig. War ich verletzt und musste pausieren, war das immer ein Problem für mich. Der Unterschied: Bei einem gebrochenen Knochen weiß man, dass er wieder zusammenwächst, dass er heilt. Beim Krebs war die Furcht, nicht zu genesen, sehr viel größer.
#BeatYesterday: Du bist Familienvater, hast drei kleine Kinder. Wie wichtig ist dir Sport als Erziehungsmittel?
Christoph Engel: Sport ist sehr wichtig. Draußen sein ist wichtig. Mein Sohn, er ist sieben, spielt seit dieser Saison Unihockey. Meine Tochter, sie ist sechs, möchte gerne Geräteturnen. Die dreijährige Kleinste entdeckt die Welt gerade noch sehr spielerisch.
Als Familie gehen wir viel wandern oder stehen im Winter auf den Langlauf- und Alpinski. Sport und Bewegung sind ja nicht nur gesund, sondern vermitteln auch Werte, Selbstbewusstsein und Freude. Das erlebe ich nicht nur als Vater, sondern auch als Sportlehrer auf dem Gymnasium, an dem ich unterrichte. Es gibt für viele Menschen in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, eigentlich nur zwei Dinge: Musik oder Sport. Gut die Hälfte der Kinder, welche ich unterrichte, sind in der Freizeit körperlich aktiv.
Die Aktivitäten der Kinder fördern
Was mir wichtig ist: Ich möchte die sportlichen Aktivitäten meiner Kinder fördern, aber sie nicht in eine Richtung pushen, in die sie am Ende gar nicht wollen. Wenn sie in den Leistungsbereich streben, unterstütze ich sie dabei. Wenn sie es nicht möchten und Sport alleine der Freunde dient, ist es für mich genauso schön.
Ein Vorteil meiner Vergangenheit als Leistungssportler ist, dass ich die Dinge ganz gut einschätzen kann. Mein Sohn spielt ja Unihockey, das ist noch kontaktlos. Aber in der Schweiz ist Eishockey sehr beliebt. Ein harter, für manche auch ein gefährlicher Sport. Ich würde ihm das aber nie verbieten, sondern genau beobachten, wie es ihm damit geht.
Auch beim Skispringen denken viele „Das ist doch gefährlich“. Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch: Übt man die Sportart mit Respekt aus, dann ist sie normalerweise nicht bedrohlich. Dieses Denken will ich meinen Kindern vermitteln.
Durch den Vollzeitjob als Lehrer und die Familie schmilzt für mich die Zeit, in der ich selber trainieren kann. Oft bleibt nur die Nacht, in der ich mit der Stirnlampe alleine auf den Loipen und Strecken bin. Umso schöner ist es, wenn man Events wie den Engadiner und die eigene sportliche Freude mit der wertvollen Familienzeit kombinieren kann.
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