Running

Hanna Tempelhagen: Mindful Running

Achtsamkeitstraining lenkt den Fokus auf sich selbst. Wie diese Aufmerksamkeit speziell Läuferinnen und Läufer voranbringt, erklärt die Coachin Hanna Tempelhagen.

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Wie viele Gedanken hat ein Mensch pro Minute? Welche? Und warum genau in diesem Moment? Was für ein Durcheinander. Wie abgelenkt viele durch den Alltag laufen. Sie haben noch nicht erfahren, dass ein „klarer Kopf” das Leben besser macht.

Bist du selten achtsam, lebst du mit hohem Stresslevel und wenig Ich-Bewusstsein? Keine Panik: Du kannst lernen, dir selbst gegenüber aufmerksamer und mitfühlender zu sein. Davon profitierst du, deine Mitmenschen – und Sporttreibende noch ein bisschen mehr.

Das Programm „Mindful Running” soll Läuferinnen und Läufer mental und sportlich besser machen. Wie? Das verrät die ambitionierte Marathonathletin und Achtsamkeitstrainerin Hanna Tempelhagen.

Hanna Tempelhagen
Hanna Tempelhagen ist Marathonläuferin und trainiert Interessierte im „Mindful Running“. © Andy Falstack

#BeatYesterday.org: Hanna, der Begriff Achtsamkeit wird viel benutzt und nicht immer verstanden. Was bedeutet Achtsamkeit, und was bringt sie?

Hanna Tempelhagen: Es gibt unzählige Definitionen von Achtsamkeit und keine kann die „wahre“ Natur angemessen beschreiben. Es wird schnell komplex und fachlich. Ich beziehe mich daher gern auf Jon Kabat-Zinn. Der US-amerikanische Professor und Meditationstrainer sagt: „Achtsamkeit ist die Fähigkeit auf eine bestimmte Art und Weise aufmerksam zu sein. Mit all unseren Sinnen im gegenwärtigen Moment. Ohne zu urteilen, mit einer Qualität von Freundlichkeit. Es ist die Fähigkeit, zu wissen, was passiert, während es passiert.“

Wer Achtsamkeit trainiert, bekommt einen fokussierten Zugang zu sich selbst und nimmt wirklich Wichtiges bewusster wahr. Und trifft andere Entscheidungen für sein Leben. Mit Achtsamkeit wirst du automatische Vorgänge – körperlich und mental – bewusster leben. Es ist sogar möglich, den mentalen Autopiloten zu unterbrechen und eine andere, bewusstere Reaktion zu wählen. Auch im Alltag.

#BeatYesterday.org: Mit welchen Praktiken lässt sich die Aufmerksamkeit fokussieren und wirkt sie sich aus?

Hanna: Der Atem ist eine Möglichkeit. Über deinen Atem kannst du den Parasympathikus steuern. Das ist der Teil des Nervensystems, der deinen Stresslevel reguliert und Anspannung abbaut. Eine andere Methode ist der Bodyscan. Gedanklich beobachtest du nacheinander alle Körperregionen und achtest auf Körperempfindungen und auch mentale Reaktionen, wie bspw. Ungeduld, bewertest diese aber nicht.

Über deinen Atem kannst du deinen Stresslevel regulieren und Anspannungen abbauen. Diese und weitere Methoden lehrt Hanna ihren Schülerinnen und Schülern. © Andy Astfalck

#BeatYesterday.org: Deine Coachings richten sich an unterschiedliche Zielgruppen. Wem nützt Achtsamkeit besonders?

Hanna: Ich würde niemanden ausschließen. Achtsamkeit steht generell für ein bewusstes, selbstbestimmtes Leben. Die Teilnehmenden meiner Kurse könnte ich in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Intentionen aufteilen.

Die einen befinden sich kurz vor oder bereits in einem Erschöpfungszustand. Manche sogar in einem Burnout. Oder sie haben mental schwierige Situationen hinter sich und sind auf dem Weg zurück in ihren Alltag. Viele von ihnen machen anschließend mit Achtsamkeitsübungen weiter.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, mit Achtsamkeitsübungen zu beginnen, wenn es dir gut geht. Eine klare Absicht für tägliches Üben und Geduld sind wichtig. Spürbare Resultate brauchen Zeit. Das ist wie beim Marathon-Training. Da absolvierst für ihn auch mehr als einen Long Run in der Vorbereitung.

#BeatYesterday.org: Du bist selbst Langstreckenläuferin und hast das Konzept „Mindful Running” entwickelt. Wie dürfen wir uns dieses Achtsamkeitstraining vorstellen?

Hanna: Mein aktuelles Programm führe ich digital durch. Klingt verrückt, doch das Internet bietet eine tolle Möglichkeit, Läuferinnen und Läufer von überall zu erreichen. Das ist ein positives Learning aus der Pandemie.

Mein mehrwöchiges Training kombiniert Achtsamkeits- und Mitgefühlsübungen mit Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaft, der Positiven Psychologie, des systemischen Coachings, sowie dem Leistungssport. Es eignet sich für Beginnende ebenso wie für ambitionierte Läuferinnen und Läufer.

#BeatYesterday.org: Wie profitieren Läuferinnen und Läufer von den Übungen?

Hanna: Die Sporttreibenden empfinden durch die mentale Komponente (wieder) mehr Freude am Laufen. Sie bauen sich selbst weniger Druck auf, trauen sich mehr zu und haben weniger Angst vor intensiven Intervallen. Die Läuferinnen und Läufer gewinnen an Gelassenheit und gehen liebevoller mit sich um. Sie müssen sich nicht permanent pushen, sondern lassen auch ruhige Phasen zu.

Eine Teilnehmerin erreichte derart vorbereitet eine neue Wettkampf-Bestzeit. Das berichtete sie mir sechs Wochen nach dem Kurs bei einem persönlichen Austausch, der fest zu dem Programm gehört. Dabei reflektieren wir auch, wie alle die Achtsamkeit in ihren Alltag integriert haben.

#BeatYesterday.org: Warum empfiehlt es sich, mentale Techniken von ausgebildeten Coaches zu erlernen?

Hanna: Jeder Mensch tickt anders. Mein Training richte ich individuell auf die Bedürfnisse aus. Ein Buch oder eine App kann diese Interaktion zwischen Coach und Teilnehmenden nicht ersetzen. Dazu gehen einige Übungen in den therapeutischen Bereich. Das erfordert Know-how und Verantwortungsbewusstsein. Es können Traumatas berührt werden, die im Vorgespräch nicht deutlich wurden.

Natürlich spricht nichts dagegen, einfache Entspannungsübungen oder Atemmeditationen mit der Smartwatch oder einer App in den Tagesablauf einzubauen.

Entspanne mit Atemübungen auf deiner Garmin Smartwatch

Gehe dazu in die Aktivitäten auf deiner Uhr und wähle „Atemtechnik“ aus. Du kannst nun unterschiedliche Atemübungen ansteuern. Wähle eine Übung aus und folge den Anweisungen auf der Uhr. Mit kurzen Vibrationen am Handgelenk teilt dir deine Uhr mit, wann es Zeit zum Einatmen, Luftanhalten oder Ausatmen ist. Du kannst deine Aufmerksamkeit somit komplett auf deine Atmung legen. Am Ende der Übung zeigt dir deine Uhr die durchschnittliche Herzfrequenz und die Änderung deines Stresslevels an. Du kannst also direkt nach der Übung sehen, wie sie auf dich gewirkt hat.

#BeatYesterday.org: Welche Achtsamkeitsübungen können Laufende auch zu Hause durchführen?

Hanna: Sehr gut eignen sich Übungen direkt nach dem Aufwachen. Du kannst noch im Bett ein bis drei Minuten die Aufmerksamkeit auf deinen Atem lenken. Oder einen kurzen Bodyscan durchlaufen. Tagsüber entspannst du dich, indem du beispielsweise bewusst den Kontakt zum Boden wahrnimmst und aus diesem Gefühl eine achtsame Minute machst.

Beim Laufen erreichst du einen guten Fokus, wenn du dich auf deine Schritte konzentrierst und zählst, wie viele du zwischen zwei Bäumen schaffst. Oder verfolge aufmerksam, wie sich dein Körper in bestimmten Situationen anfühlt.

Noch besser schulst du deine Aufmerksamkeit, indem du automatisches Verhalten vermeidest. Lauf deine Strecke mal in die andere Richtung oder probiere neue Routen aus. Verbinde deine Laufeinheit mit einer Intention. Wichtig ist, dass du regelmäßig übst.

Tipps für den Einstieg ins Mindful Running

  • Intention: Frage dich vor dem Training nach deiner Intention für den kommenden Lauf. Betrachte die Antworten, aber bewerte sie nicht.
  • Bewusstsein: Ziehe dir deine Laufschuhe und Laufbekleidung bewusst an. Wie fühlt sich der Stoff an? Spürst du in den Schuhen den Kontakt zum Boden?
  • Wahrnehmung: Gehe hinaus und nimm deine Umgebung bewusst wahr. Was siehst du? Was kannst du hören?
  • Bodyscan: Fühle in dich hinein. Beginne bei deinen Füßen und arbeite dich bis zum Kopf hoch. Was spürst du? Lasse Anspannungen beim Ausatmen los.
  • Warm-Up: Starte mit Aufwärmübungen und lass deine Aufmerksamkeit wandern. Wohin geht sie?
  • Anker: Suche dir einen Anker, wie bspw. deine Füße, Arme oder auch Schritte. Auf diesen Anker lenkst du deinen Fokus während des Laufes immer wieder zurück. Zähle zum Beispiel die Schritte, die du zwischen zwei Bäumen schaffst.
  • Cool-Down: Starte mit dem Cool-Down. Auch hier kannst du wieder beobachten, wohin deine Aufmerksamkeit wandert.
  • Bodyscan: Beende deinen Mindul Run wieder mit einem Bodyscan. Denke auch an deine Intention und den Beginn des Laufes. Genieße den Moment. Spüre die Dankbarkeit für die Me-Time, die du dir genommen hast.

#BeatYesterday.org: Wie setzt du deine Smartwatch von Garmin für Mindful Running ein?

Hanna: Aktuell trage ich einen Forerunner 235. Damit tracke ich meine Laufeinheiten und analysiere die Fitnessdaten in Garmin Connect. Diese Werte sind besonders für das achtsame Laufen aufschlussreich.

Ich lege mir allerdings bald ein weiteres Modell von Garmin zu, da ich für meine Online-Trainings mit Audiofiles arbeite und diese einspielen möchte. Mich begeistert auch das Aktivitätsprofil „Atemübung” der Wearables von Garmin. Es ist eine gute Ergänzung zu meinen Trainings.

Behalte dein Stresslevel im Blick

Finde heraus, ob du einen ruhigen, ausgeglichenen oder anstrengenden Tag hast. Lass dich zur Entspannung an kurze Atemübungen für zwischendurch erinnern.

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