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Wespenallergie und Sport: Für alle eine unterschätzte Gefahr?

Schwellungen, Juckreiz, Atemnot: Ein Wespenstich könnte für Sebastian Breuer tödlich enden. Wie die Allergie den Alltag des Radsportlers beeinflusst – und wie er sich vor ihren Folgen schützt.

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Ein Wespenstich ist für Menschen ohne Allergie schmerzhaft, aber ungefährlich. Erwischt eine Wespe eine Person, die allergisch auf ihr Gift reagiert, gerät diese in Lebensgefahr. Je nach Allergietyp treten schon innerhalb weniger Minuten Symptome wie Schwindel, Krämpfe und sogar Herzstillstand ein.

Allein in Deutschland leiden etwa bis zu fünf Prozent der Einheimischen unter einer Bienen- und Wespenallergie. Sebastian Breuer gehört auch dazu. Der passionierte Gravel Biker erfuhr vor wenigen Jahren von seinen Beschwerden – als ihm erstmals nach einem Stich die Luft wegblieb und er um sein Leben bangte. Inzwischen weiß Sebastian mit heiklen Lagen umzugehen.

Welche Symptome er als besonders schlimm empfindet und wie er selbst im Notfall Ruhe bewahrt, erzählt Sebastian im Interview.

Sebastian Breuer beim Radfahren
Sebastian ist passionierter Gravel Biker und reagiert hochgradig allergisch auf Wespengift. © Sebastian Samek

#BeatYesterday.org: Sebastian, als Radsportler kämpfst du regelmäßig gegen deinen Schweinehund. Dabei hast du eine ganz andere tierische Endgegnerin.

Sebastian Breuer: Ich weiß seit dreieinhalb Jahren, dass ich hochgradig allergisch gegen Wespengift bin. Das war mir vorher nicht bewusst.

#BeatYesterday.org: Klingt, als hätte sich die Allergie erst im Laufe deines Lebens ausgeprägt.

Sebastian: Ja, genau. Ich wurde als Kind sehr oft gestochen und hatte nicht mehr als eine Rötung oder leichte lokale Schwellungen. Meine Ärztin meinte, dass es letztlich wohl ein Stich zu viel wahr.

Warum entwickelt sich erst im Alter eine Allergie?

Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens eine Allergie entwickeln. Neben einer genetischen Veranlagung, Prädisposition genannt, beeinflusst die Anzahl der Kontakte mit den jeweiligen Allergenen das Risiko.

Heißt bezogen auf Bienen und Wespen: Je häufiger eine Person im Laufe ihres Lebens gestochen wird, desto wahrscheinlicher prägt sie eine Allergie aus. Das Perfide: Die Substanzen, die Reaktionen hervorrufen, sind meist unbedenklich. Es sind die körpereigenen Schutzmechanismen, die in einer Über-Immunreaktion die Betroffenen gefährden.

#BeatYesterday.org: Wie hast du es herausgefunden?

Sebastian: Ich wurde gestochen und zum ersten Mal war die Reaktion krass. Ich wusste mir absolut nicht zu helfen. Es war eine neue und ziemlich beängstigende Situation für mich.

#BeatYesterday.org: Welche Symptome hast du als besonders schlimm empfunden?

Sebastian: Meine Kopfhaut hat total gebrannt. Ich dachte, meine Haare stehen in Flammen. Ich versuchte, mit meinen Fingern dagegen anzukommen und habe wie wild gekratzt. Auch die Atemnot war fürchterlich. Ich versuchte panisch das bisschen Luft, das ich bekam, einzuziehen. Irgendwann war ich in einem Stadium, in dem ich nicht mehr viel mitbekommen habe.

#BeatYesterday.org: Wie bist du der Notlage entkommen?

Sebastian: Ich hatte Glück. Eine Passantin, die selbst unter der Allergie leidet, kam vorbei, hat mich gesehen und wusste sofort, was los ist. Sie hat den Notarzt gerufen. Im Krankenwagen habe ich Adrenalin gespritzt bekommen.

#BeatYesterday.org: Was hätte ohne die rasche Hilfe schlimmstenfalls passieren können?

Sebastian: Dass mein Herz stehen bleibt.

#BeatYesterday.org: Was war das Schlimmste an dieser Notlage?

Sebastian: Die Wehrlosigkeit. Man kann sich gegen einen Stich nicht wirklich schützen, insbesondere beim Radfahren ist das schwierig. In dieser Situation bleibt nur die Hoffnung auf Hilfe von Außen.

© Sebastian Samek

#BeatYesterday.org: Was passiert seither, wenn du von einer Wespe gestochen wirst?

Sebastian: Es fängt überall an zu jucken. Außerdem steigt eine Art Kühlgefühl aus den Füßen durch die Beine über den Brustkorb bis in den Kopf. Zugleich brennt meine Haut am ganzen Körper. Alles schwillt an, ich bekomme schlecht Luft und mir wird schwarz vor Augen.

#BeatYesterday.org: Oft sind Menschen nicht nur gegen Wespen, sondern auch gegen Bienen allergisch.

Sebastian: Bei Bienen sind die Folgen nicht ganz so schlimm, die Einstichstelle schwillt „nur“ an und brennt sehr stark. Komischerweise erwischen sie mich beim Radfahren immer zwischen Helm und Brille, also an der Augenbraue. Durch die extreme Schwellung sehe ich dann aus wie nach einer Botox-Behandlung. Das schaut zwar witzig aus, ist aber für mehrere Tage unangenehm. Nicht nur, weil die Haut danach austrocknet. Ich kann kaum gucken, habe Kopfschmerzen, bin träge und müde.

#BeatYesterday.org: Über die körperlichen Folgen haben wir gesprochen. Wie sehr fordert dich deine Allergie mental heraus?

Sebastian: Ich habe gar nicht so große Angst um mich selbst. Aber ich spüre die Verantwortung gegenüber meiner Frau, meiner Mutter und anderen mir nahestehenden Menschen. Die machen sich natürlich Sorgen! Ich betreibe eine nicht ganz ungefährliche Sportart und habe zusätzlich diese Allergie. Ich muss also besonders auf mich aufpassen. Deswegen habe ich immer meinen EpiPen dabei. Wenn ich ihn mal vergesse, erinnert mich meine Frau daran.

Epipens

#BeatYesterday.org: Was ist ein EpiPen?

Sebastian: Eine Art Stift, der mit Adrenalin gefüllt und einer dicken Nadel ausgestattet ist. Im Notfall hau ich mir den Pen ins Bein. Die Nadel – die sogar Jeansstoff durchdringt – schießt das Adrenalin in meinen Körper. Dadurch wird ein Herzstillstand vermieden. Zum Glück war es bisher noch nicht so brenzlig, dass ich den Pen benutzen musste.

© iStock / Getty Images Plus / CarrieCaptured

#BeatYesterday.org: Welche Medikamente befinden sich sonst noch in deinem Erste-Hilfe-Kit?

Sebastian: Ich habe immer zwei Ampullen mit flüssigem Cortison und Fenistil dabei, die man unter Umständen als Medikament trinkt. Weitere Hilfsmittel sind mir nicht bekannt.

#BeatYesterday.org: Bevor du zu deinen Notfallmedikamenten greifst: Wie reagierst du auf einen Stich?

Sebastian: Die ersten zehn Minuten sind entscheidend. Die muss ich abwarten. Ruhe bewahren, jedes Jucken sowie jede Rötung erkennen und beobachten. In dieser Zeit rufe ich meistens meine Frau an und teile ihr mit, dass ich gestochen wurde – damit sie schonmal Bescheid weiß. Im selben Moment versuche ich sie zu beruhigen, dass es mir (noch) gut geht. Das meinte ich eben mit Verantwortung.

#BeatYesterday.org: Um wirklich geschützt zu sein, müsstest du dir einen Ganzkörperanzug samt Gesichtsschutz überziehen.

Sebastian: Ja, gerade beim Radfahren bietet sich immer irgendwo eine Angriffsfläche. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, dass ich während der sportlichen Belastung mit geschlossenem Mund fahre. Ich schließe wenigstens die Zähne, damit mir Wespen, Bienen und Co. nicht in den Mund fliegen. Auch fahre ich nicht mehr mit weit geöffnetem Trikot, trage sehr große Brillen und ziehe meinen Helm möglichst tief ins Gesicht.

Sebastian Breuer beim Radfahren
Mit großer Brille, geschlossenem Mund und Trikot beim Fahren versucht Sebastian das Risiko möglichst gering zu halten. © Sebastian Samek

#BeatYesterday.org: 2022 bist du als Sieger aus den Badlands hervorgegangen. Das ist ein Ultrarennen auf dem Gravel Bike. 780 Kilometer durch Andalusien, mehr als 15.000 Höhenmeter. Auch 2021 hattest du teilgenommen, musstest aber abbrechen. Was war passiert?

Sebastian: Es war ein außergewöhnlich anstrengendes Rennen. Schon nach 150 Kilometern waren alle ziemlich am Anschlag. Mir war heiß, ich fühlte mich dehydriert und unterzuckert. Zu allem Übel hat mir noch irgendein Insekt in den Rücken gestochen.

#BeatYesterday.org: Wie ging es weiter?

Sebastian: Mein Körper war durch das Rennen bereits am Limit, deswegen ist mein Kreislauf zusammengesackt. Mir wurde schwindelig, ich hatte Schüttelfrost. Mir ging es total dreckig. Trotzdem bin ich locker weitergefahren und habe versucht, den Kreislauf nicht zu überfordern. Zum Glück ist alles glimpflich ausgegangen und die Einstichstelle schwoll nur leicht an. Das Rennen musste ich trotzdem abbrechen.

#BeatYesterday.org: Insektenstiche sind nicht nur während einer Wettkampfsituation bedrohlich. Was tust du, wenn du im Alltag gestochen wirst?

Sebastian: Ich bitte schnellstmöglich Passantinnen und Passanten, zehn Minuten mit mir zu warten, damit sie im Zweifelsfall einen Krankenwagen rufen können. Leider gehen in Deutschland viele weiter oder gaffen nur. Obwohl ich meinen EpiPen neben mich lege und den Leuten verdeutliche, in welcher heiklen Lage ich mich befinde. Kaum jemand möchte Verantwortung übernehmen und mir gegebenenfalls das Leben retten. In anderen Ländern stoße ich auf weitaus mehr Hilfsbereitschaft.

#BeatYesterday.org: Was ist deine größte Sorge?

Sebastian: Dass ich im Schlaf von einer Wespe gestochen werde und es nicht mitbekomme. Andreas Kappes, ein ehemaliger Radrennprofi und guter Bekannter von mir, ist so gestorben. In der Regel fliegen die Viecher aber nicht nachts.

#BeatYesterday.org: Macht sich Panik breit, wenn du beispielsweise draußen im Café sitzt und sich eine Wespe auf deinem Unterarm niederlässt?

Sebastian: Bei mir nicht, aber bei meiner Frau! Ich bin eher entspannt, denn auch eine Wespe sticht nicht einfach zu. Allerdings schaue ich mittlerweile genau hin, ob eine Wespe auf meiner Kuchengabel sitzt oder im Getränk hängt. Bei einem Stich in der Mundhöhle oder im Rachenbereich wäre ich wahrscheinlich chancenlos.

Sebastian Breuer beim Essen
Beim Essen und Trinken ist Sebastian besonders achtsam. © Sebastian Samek

#BeatYesterday.org: Die Garmin-Geräte der inReach-Serie übermitteln im Notfall eine SOS-Nachricht an vorher festgelegte Kontakte. Wie wichtig können die Geräte bei einer allergischen Reaktion werden?

Sebastian: Blöd gesagt: Sie entscheiden über Leben und Tod. Besonders in ländlichen Regionen hat man mit dem Handy oft keinen Empfang. Das inReach ist unter Umständen die einzige Möglichkeit, um Hilfe zu bekommen. Gekoppelt mit der Garmin Explore App kann ich außerdem meine Gesundheitsdaten hinterlegen. Dort habe ich beispielsweise meine Allergie vermerkt. So ahnen Rettungskräfte sofort, was mein Problem sein könnte. Ich schätze das inReach gerade auf langen Rennen und Reisen.

#BeatYesterday.org: Für wen lohnt sich die Anschaffung?

Sebastian: Für alle, die aktiv und in Gegenden unterwegs sind, in denen es häufig keinen Handyempfang gibt. Selbst wenn das inReach nur ein einziges Mal zum Einsatz kommt, zahlt sich die Investition möglicherweise durch das Retten eines Lebens aus. Außerdem kannst du mit dem Gerät auch Hilfe leisten: Ist jemand im Gelände verunglückt, kannst du einen Notruf absetzen.

#BeatYesterday.org: Alle Menschen können plötzlich von einer allergischen Reaktion überrascht werden. Was sollten sie tun, wenn sie weder Medikamente noch technische Hilfsmittel zur Hand haben?

Sebastian: Natürlich ist das stark situationsabhängig. Es ist etwas anderes, ob ich alleine im Wald oder auf einem Marktplatz umringt von Menschen bin. Aber grundsätzlich gilt: Ruhe bewahren, die Einstichstelle beobachten, abwarten und gegebenenfalls Leute ansprechen.

#BeatYesterday.org: Sebastian, abschließend: Deine drei Tipps für Betroffene.

Sebastian:

  1. Genieße das Leben! Es gibt definitiv schlimmere Erkrankungen als eine Allergie.
  2. Habe deine Notfallmedikamente immer dabei. Das gibt dir und deinen Liebsten Sicherheit.
  3. Erstelle dir selbst eine Art Raster, nach dem du im Fall der Fälle handelst.

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