Active

Zurück zur Topform: Mit dem Gedächtnis deines Körpers

Früher superfit, dann aus der Form geraten. So geht es vielen Menschen. Auf alte Spitzenleistungen sollten sie nicht wehmütig blicken, sondern mit frischem Mut. Denn es steckt Erstaunliches in uns.

Teilen
0

Meine Bestzeit ist neun Jahre her. 2016. Ende November. Tempelhofer Feld. Berlin. Marathon-Staffel. Kalter Wind fegte über die alten Start- und Landebahnen des Flughafens, die nun Lauffeld sind. Schnee rieselte in Form eisiger Styroporkugeln vom Himmel. Ich war Läufer Nummer drei. Viel zu knapp angezogen. Shirt, kurze Hose, Sneakersocken bei einem Grad Celsius. Also lief ich. Mutig, unbeugsam, nach Körperwärme lechzend. Vor allem aber: schnell.

Ich rannte die zehn Kilometer in unter 45 Minuten – mit 89 Kilogramm Körpergewicht auf 1,84 Metern. Eine beachtliche Zeit. Seitdem habe ich sie nie wieder erreicht.

Stattdessen nahm ich zwischendurch 26 Kilo zu. Sport machte ich selten. Wenn ich mit dem Laufen wieder anfing, wirken die früheren Leistungen auf mich demotivierend. Wer mal unter einer 4:30er-Pace als leidenschaftlicher Lauflaie lief, fühlt sich bei 7:30 wie ein Opel Corsa mit Motorschaden. Die Erinnerungen an mein altes sportliches Ich verführten mich zum Aufgeben. Schaff ich eh nicht noch mal, kann ich sein lassen, dachte ich. Wie dumm das war. In Wahrheit ist es ganz anders.

Auch unser Körper hat ein Gedächtnis – und das ist stärker als wir denken

So wie bei mir läuft es bei vielen. Mich stoppte ein Bandscheibenvorfall und eine psychische Erkrankung. Bei anderen kommt Berufliches und Familiäres dazwischen. Vielleicht auch ein Eigenheim mit Zierkürbissen. Einmal dumm umknicken, das Knie oder das Sprunggelenk kaputt, und schon endet ein langjähriger Flow für viele Jahre. Das ist vor allem eines: menschlich.

Fakt ist, viele Menschen, die mal gut und sehr zufrieden mit sich selbst Sport gemacht haben, flutscht irgendwann der Faden aus den Händen. Trotz Bemühen kriegen sie ihn nicht rechtzeitig wieder in die Finger. Er ist dann einfach weg. Fast spurlos verschwunden.

Aber wie gesagt: Das stimmt nicht. Tief in uns sind diese Spuren weiterhin vorhanden. Versteckt in den Muskeln, in den Blut-Autobahnen unseres Herzkreislaufs. Und in unserem Nervensystem.

Dass es nicht nur Spuren sind, sondern eine richtige Infrastruktur, habe ich in den vergangenen drei Monaten erlebt. Ich begann nach einer krassen 1-Million-Schritte-Challenge mit dem Laufen. Seitdem sind 18 Halbmarathons in 17 Wochen gefallen. Mein Forerunner 970 von Garmin zählt 800 Trainingskilometer. Schlich ich zuerst mit einer Pace von 7:00 Minuten pro Kilometer über die Strecke, rannte ich vor Kurzem 10 Kilometer in einer 5:13-Pace. Meine Zeit hat sich also um etwa 18 Minuten verbessert. Auf der Halbmarathon-Distanz habe ich sogar 20 Minuten rausgeholt.

Ein Grund ist mein hartes, diszipliniertes Training. Und ein anderer, dass mein Körper sich auch Jahre später an frühere Leistungen erinnert. Es musste nur überall ein bisschen „staubgewischt werden“. Schauen wir uns die Magie unseres Körpergedächtnisses an!

Wie dich die Vergangenheit nicht mehr demotiviert, sondern motiviert

Früher warst du schneller, leichter, fitter. Und genau das ist jetzt dein Vorteil. Nicht als Vergleich, sondern als Referenz. Alte Bestzeiten sind kein Urteil, sondern Beweis: Du konntest das – also kannst du wieder dahin zurückfinden.

So drehst du die Perspektive:

  • Versteh deine alten Zeiten als Trainingsdaten, nicht als Nostalgie. Sie zeigen, welches Potenzial einmal abrufbar war.
  • Nutze das Gefühl von früher als Kompass. Dein Körper erinnert sich an Rhythmus, an Bewegungsmuster, an Pulsbereiche.
  • Bleib mutig. Jede Pause hinterlässt Spuren in den aktuellen Zeiten – aber auch Ressourcen für kommende Bestwerte.

Die Vergangenheit ist ein Datensatz – und du entscheidest dich dafür, was du daraus liest. Er sollte dich nicht daran erinnern, was du verloren hast, sondern daran, wo du wieder hinwachsen kannst.

Die Muskeln: Erinnerung in jeder Faser

Jede Muskelfaser, die du einmal trainiert hast, trägt ein Gedächtnis in sich. Selbst nach Jahren der Inaktivität bleiben die Zellkerne – die sogenannten Myonuklei – erhalten. Sie sind wie alte Werkshallen, in denen das Licht aus ist und Spinnenweben in den Giebeln hängen, aber die Maschinen noch stehen. Wenn du wieder anfängst zu laufen, fährt der neu eingespeiste Strom langsam hoch. Die Produktion startet erneut. Und sie läuft schneller an, weil alles schon einmal da war: die Infrastruktur, die Baupläne, ja auch die Laufbänder.

Wissenschaftlich belegt ist dieses „Muscle Memory“-Phänomen seit über einem Jahrzehnt. Studien der Universität Oslo zeigen, dass Myonuklei über Jahre – teils Jahrzehnte – im Muskel verbleiben. Sie ermöglichen, dass Muskelzellen bei erneutem Training rascher Proteine aufnehmen und sich schneller vergrößern. Wer also früher viel trainiert hat, trägt heute einen Wachstumsbeschleuniger in sich.

Denn: Selbst wenn Muskelfasern zwischenzeitlich schrumpfen, bleibt der zelluläre Bauplan intakt. Das ist der Grund, warum wir alte Kraft und Form nicht komplett neu erlernen müssen, sondern „nur reaktivieren“. Und dieser Gedanke ist fast poetisch: Unser Körper verlernt Leistung nicht. Er archiviert sie.

Wichtig für die Einordnung: Muskeln sind natürlich nicht intelligent in dem Sinne, dass sie sich etwas merken können. Der Begriff Muskelgedächtnis fasst den Effekt nur präzise und verständlich zusammen. Dr. Julian Bergmann, ein renommierter Sportwissenschaftler schreibt für die Akademie für Gesundheit und Sport:

„Deine Muskeln selbst können sich zwar nichts merken, aber sie sind voll von Neuronen, die mit deinem Nervensystem verbunden sind und beim motorischen Lernen wichtig sind.“

Das Herz-Kreislauf-System: Neuer Asphalt auf alten Straßen

Wer einmal regelmäßig gelaufen ist (gilt auch fürs Schwimmen und Radfahren), hat in seinem Inneren vielfältige Straßen aus Kapillarnetzen und elastische Arterien weiterentwickelt. Feinste Blutautobahnen, die Muskeln und Organe versorgen. Wenn der Verkehr jahrelang ruht, bröckeln manche Brücken, aber die Trassen bleiben erkennbar.

Beim Wiedereinstieg weitet sich dieses System wieder aus. Das Herz schlägt kräftiger, die Schlagvolumina steigen, der Ruhepuls sinkt. Die Dichte der Mitochondrien – unserer Kraftwerke in den Zellen – nimmt zu. Deshalb verbessert sich die Sauerstoffverwertung (VO2max) deutlich schneller als bei Menschen, die noch nie viel trainiert haben. Der Körper nutzt verbliebene Ressourcen von früher, damit er in rekordverdächtigem Tempo seine altbekannte Leistungsfähigkeit aufbauen kann.

Das zeigt sich auch in zahlreichen Studien. Frühere Ausdauertrainierende erreichen nach nur wenigen Wochen Re-Training Werte, für die Einsteigende Monate brauchen. Der Grund liegt in dauerhaften Anpassungen an Herz und Gefäßen, in einer Art „kardiovaskulärem Gedächtnis“. Trainierte Herzen erinnern sich nicht nur an Leistung, sondern an Rhythmus. Also an dieses Wechselspiel aus Druck und Entlastung, Einatmen und Loslassen.

Das Nervensystem: Gemerkte Eleganz

Sport ist nicht nur Kraft und Ausdauer. Er beruht auch auf Motorik, auf Technik, besonders beim Laufen oder Schwimmen. Gut ist: Auch das Nervensystem verlernt Bewegungen nie vollständig. Schrittlänge, Fußaufsatz, Armarbeit: All das befindet sich noch irgendwo auf der körpereigenen Festplatte.

Mit jedem Training werden die Informationen reaktiviert, Synapsen feuern wieder in vertrauten Bahnen. Irgendwann stimmt der Rhythmus wieder. Und damit: Tempo, Timing, Temperament.

Neurophysiologisch gesehen bedeutet das: Motorik wird nicht nur von Kraft und Ausdauer getragen, sondern auch von unserem motorischen System. Dem Motorcortex (präzentraler Gyrus), den Basalganglien und dem Kleinhirn. Diese Netzwerke speichern und verfeinern Bewegungsmuster – das sogenannte prozedurale Gedächtnis.

Damit ist das Wissen darüber gemeint, wie man etwas tut. Es ist das gleiche Prinzip, das uns nach Jahren der Abstinenz wieder Radfahren, Klavierspielen oder Schwimmen lässt. Beim Laufen heißt das konkret: Dein Körper erinnert sich an das Zusammenspiel von Muskeln, Gelenken und Gleichgewichtssinn.

Experte Dr. Julian Bergmann schreibt in seinem lesenswerten Fachbeitrag weiter:

„Jede Bewegung erfordert Gehirnaktivität und wenn du eine Bewegung, auch eine komplizierte, oft genug wiederholst, werden in deinen für die Motorik zuständigen Gehirnregionen erkennbare Muster ausgelöst. Das führt zu einer erlernten Bewegung, die in Zukunft weniger Gehirnleistung erfordert.“

Wie du mit Garmin deinen Fortschritt sichtbar machst

Veränderung passiert oft leise. Aber sie ist messbar – wenn du weißt, worauf du in Garmin Connect schauen musst. Garmin liefert dafür drei Werte, die zeigen, wie sich dein Körper reaktiviert. Gemeint sind VO2max, Ruheherzfrequenz und Stamina.

  • VO2max – dein Sauerstoffindikator: Je besser dein Herz-Kreislauf-System arbeitet, desto mehr Sauerstoff gelangt in die Muskeln. Wenn deine Kapillarnetze, Mitochondrien und die Herzleistung wieder leistungsfähiger werden, steigt deine VO2max. Jeder Sprung ist ein Beleg dafür, dass deine Maschine messbar besser läuft.
  • Ruheherzfrequenz – dein Belastungsbarometer: Sinkt sie, schlägt dein Herz kräftiger und ökonomischer. Eine Reduktion um fünf bis zehn Schläge pro Minute im Alltag ist typisch, wenn das System wieder in Balance kommt. Das zeigt dir auch: Alles im Leben ist für deinen Körper entspannter bewältigbar.
  • Stamina – deine Energiekurve in Echtzeit: Sie zeigt, wie lange du dein aktuelles Tempo halten kannst – eine Art digitales Körpergefühl. Beobachte, wie du Woche für Woche länger über der 50-Prozent-Marke bleibst. Cool auch: Schon nach einer 5-Minuten-Pause wirst du sehen, wie sich dein Körper sogar während eines Laufes leicht erholt.

Die Zahlen ersetzen kein Gefühl. Sie bestätigen aber, was du spürst.

5 Tipps für den Wiedereinstieg

1. Erkenne: Du startest nicht bei null

Dein Körper erinnert sich. Alte Muskeln, alte Laufwege, alte Bewegungsmuster. Sie sind – wie im Text erwähnt – nicht verschwunden, nur verstaubt. Wer früher regelmäßig trainiert hat, baut heute deutlich schneller wieder auf. Also: kein Neuanfang, sondern Reaktivierung. Du musst nichts erfinden. Nur anschließen. Und manchmal gar nicht so lange warten – beispielsweise beim Krafttraining. Sportwissenschaftler Dr. Julian Bergmann schreibt: „Forschungsergebnisse legen nahe, dass bereits 2 bis 4 Wochen Krafttraining neurologische Anpassungen in Form von Muscle Memory bewirken.“

2. Trainiere mit Respekt, nicht mit Reue

Viele scheitern, weil sie den alten Körper mit dem neuen vergleichen. Lass das.
Dein Körper kann vieles von früher abrufen – aber Strukturen wie Sehnen, Gelenke und Faszien brauchen Zeit. Wer zu früh zu viel will, verletzt sich im alten Ehrgeiz. Besser: dosiert steigern, auf Qualität statt Quantität setzen. Das zahlt sich aus – biochemisch und mental.

3. Arbeite mit deinen Systemen, nicht gegen sie

Wiederaufbau heißt: Alle Systeme synchronisieren – Herz, Muskeln, Nervensystem.
Längere Läufe im Grundlagenausdauerbereich verbessern die Kapillardichte. Kurze, gezielte Reize aktivieren das neuromuskuläre Zusammenspiel. Regeneration schafft Anpassung. So entsteht nachhaltiger Fortschritt – physiologisch sauber statt willkürlich forciert.

4. Nutze Daten – aber lass sie nicht führen

Herzfrequenz, Trainingsbereitschaft, VO2max: großartige Indikatoren, solange du sie als Rückmeldung, nicht als Befehl liest. Dein Körpergefühl ist die Stimme, die Uhr nur das Echo. Trainiere so, dass du Fortschritt spürst, bevor du ihn misst.

5. Lauf für das Jetzt, nicht fürs Damals

Comebacks scheitern oft am falschen Ziel: dem Versuch, die Vergangenheit zu überholen. Lauf nicht, um wieder „so schnell wie früher“ zu sein. Lauf, um wieder du zu sein. Dein neues Leistungsniveau ist kein Rückschritt, sondern ein zweiter Beweis. Dafür, dass in dir Strukturen arbeiten, die nie ganz aufgehört haben.

Fazit

Ein Bild, das während der Recherche in meinem Kopf aufploppte, hat mir besonders gut gefallen. Dass mit den verstaubten Maschinen, den Spinnenweben. Dieses notwendige Großreinemachen, das vor einem steht, kann Angst machen. Und den Instinkt auslösen, die Tür schnell wieder zu schließen. Aber wenn du einmal angefangen hast, bekommt das Aufräumen seinen Reiz. Es stellt zufrieden. Schafft Selbstwirksamkeit.

Mir hat ein Gedanke geholfen: Es ist kein fremdes Erbe, das ich da antrete, sondern mein eigenes. Ich selbst habe mir diese Spuren hinterlassen. Und es wäre eine Verschwendung und unfair gegenüber meinem alten Ich, sie nicht wieder auszufüllen.

Optimiere dein Lauftraining und hole das Beste aus dir heraus.

Ob Ironman, Marathon, 10 Kilometer joggen oder einfach nur ballern – die Uhren der Forerunner-Serie unterstützen dich dabei, deine Ziele zu erreichen. Kontrolliere dein Tempo mit der Pace. Optimiere dein Training gezielt und behalte deine Fitness immer im Blick.

Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
  1. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/jcsm.13043
  2. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2468867323000275
  3. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666337622000774
  4. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666337622000774
  5. https://www.frontiersin.org/journals/physiology/articles/10.3389/fphys.2023.1334766/full
  6. https://journals.physiology.org/doi/pdf/10.1152/japplphysiol.00761.2019
  7. https://physoc.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1113/JP285675
  8. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-031-62806-1_19

Über diesen Artikel

Hannes Hilbrecht

Autor:

Hannes Hilbrecht

Hannes ist mittlerweile seit mehr als zehn Jahren als Journalist tätig – davon fünf als …

Mehr Infos
Meinungen

Diskutiere über diesen Artikel und schreibe den ersten Kommentar:

Jetzt mitdiskutieren
Keine Kommentare

Diskutiere über diesen Artikel