Flossing bezeichnet das gezielte Umwickeln und Abbinden von Muskeln, Faszien und Gelenken einer Extremität mit einem elastischen Gummiband (Flossband). Das Band besteht in der Regel aus Latex, ist einige Zentimeter breit und ein bis zwei Millimeter dick. Begleitet wird das Abbinden von aktiven oder passiven Bewegungen ohne Zusatzgewicht, die passiven Bewegungen führt ein Therapeut durch. Nach spätestens drei Minuten muss das Flossband wieder abgenommen werden.
Flossing soll die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren. Das Abbinden unterbricht den venösen Rückfluss, auch der arterielle Einstrom wird vermindert. Folge: Ein Blutstau entsteht – nach ähnlichem Prinzip funktioniert Kaatsu-Training, auch als Okklusionstraining bekannt.
„Vereinfacht ausgedrückt ist ein Flossingband eine Faszienrolle rings um das betroffene Gewebe. Löst man das Band wieder, wird der komplette Bereich kräftig durchgespült, Lymphe beispielsweise besser abtransportiert, es kommt – wortwörtlich – wieder Leben hinein“, erklärt Physiotherapeut und Flossing-Experte Ralf Blume.
Flossing stammt aus den USA. In Deutschland haben die beiden Physiotherapeuten Ralf Blume und Andreas Ahlhorn es zum Medical Flossing weiterentwickelt.
Flossing in der Praxis
Das Einsatzfeld im Bereich Medical Flossing ist groß. Ärzte, Osteopathen und Physiotherapeuten wenden Flossing bei Sportlern mit akuten und längerfristigen Problemen an. Dazu gehören Bewegungseinschränkungen, Verstauchungen, Zerrungen und Überlastungserscheinungen wie Sehnenscheidenentzündungen. Ziel der Behandlung: Schmerzlinderung, Beweglichkeitsverbesserung und das Lösen verklebter Faszien. „Wenn ich völlig beschwerdefrei bin, unterstützt Flossing die Regeneration“, sagt Sven Kruse, Leiter der medizinischen Abteilung des Eishockeyklubs Iserlohn Roosters.
Nach dem Entfernen der Bandage verschieben sich fasziale Strukturen – Verklebungen im Gewebe lösen sich (Kinetic Resolve). Das Gewebe wird mit Blut und Flüssigkeiten geflutet, dabei werden Stoffwechselendprodukte mitgespült (Reinigungsprozess). Das betroffene Gewebe saugt sich wieder mit Flüssigkeit voll. Durch diesen Schwammeffekt nimmt die Nährstoffversorgung zu.
Im Idealfall sind eine Schmerzlinderung und Beweglichkeitsverbesserung unmittelbar zu spüren. Die Erfahrungen mit Flossing in Profisportarten wie Fußball, Eishockey und Leichtathletik sind sehr positiv.
Wann Flossing tabu ist
Flossing kommt für dich nicht infrage, wenn du an einer Hautkrankheit wie Nesselsucht oder Schuppenflechte, arteriellen Verschlusskrankheiten oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche) leidest. Auch während der Schwangerschaft sowie bei Arthrose, strukturellen Schäden wie Bänderabrissen und Frakturen, chronischen Entzündungen und Tumoren sollte Flossing nicht angewendet werden.
Selbsttherapie hat ihre Grenzen
Kennst du die genaue Ursache für deine Knieschmerzen beim Joggen, das Zwicken im Ellenbogen beim Badminton oder das Zwacken in der Schulter beim Krafttraining? Mit selbst gestellten medizinischen Diagnosen solltest du sehr vorsichtig sein. Mit Selbstmassage und dem Ausrollen mit der Faszienrolle kannst du Wehwehchen entgegenwirken. Bei länger anhaltenden und größeren Problemen solltest du dich aber von einem Arzt oder Therapeuten beraten lassen.
Flossing – Anleitung durch einen Therapeuten unbedingt nötig
Flossing kannst du theoretisch selbst anwenden, solltest du aber nicht. Die Methode ist komplex und weitaus mehr als ein einfaches Abbinden. Das exakte Anbringen des Flossbands und der passende Druck sind sehr wichtig. Flossing tut etwas weh, die Bewegung muss aber ohne größere Schmerzen möglich sein. Sofort abbrechen musst du, wenn die Haut weiß oder die Extremität vollständig taub wird.
Wenn du Flossing selbst durchführen möchtest, lasse dir vorher unbedingt von einem Physiotherapeuten zeigen, wie es funktioniert – diese Therapieform gehört in Expertenhände.
Wie Flossing am Knie funktioniert, zeigt dir dieses Beispielvideo:
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