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Caroline Rauscher über die Ernährung im Profi-Sport Teil #1

Spitzensportler wollen gut beraten sein, wenn es um ihre Ernährung geht. Welche Rolle die Nährstoffzufuhr für die Leistung spielt? Expertin Caroline Rauscher erklärt, wie Erfolg und Ernährung zusammenhängen. #Teil 1 Wettkampfvorbereitung.

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Laufen, Schwimmen, Radfahren – Sportarten im Ausdauerbereich. Der Körper muss über lange Distanzen funktionieren, beim Marathon und Triathlon, beim Langstreckenschwimmen und bei Ultra-Rennen. Energie wird unerlässlich benötigt. Bei der Wettkampfvorbereitung, während des Rennens und in der wettkampffreien Zeit. Wie die Ernährung in diesen Phasen die körperliche Leistung und Entwicklung der Performance unterstützt, erklärt Ernährungsexpertin Caroline Rauscher in einer dreiteiligen Serie. Denn so individuell die Ernährung jedes einzelnen ist, so unterschiedlich ist sie auch in den einzelnen Trainingsphasen.

In der Wettkampfvorbereitung geht es darum, den Körper auf das Event vorzubereiten, damit er am besagten Tag das Leistungsmaximum zeigen kann. Welche Strategie die Ernährungsexpertin verfolgt, um Profi-Sportler fit zu machen und wie der „Ernährungs-Schlachtplan“ von Ironman-Weltmeisterin Anne Haug aussieht, erklärt Caroline Rauscher im #BeatYesterday-Interview.

Caroline Rauscher
Ernährungsberaterin Caroline Rauscher arbeitet mit Weltklasseathleten aus 15 verschiedenen Sportarten zusammen.

#BeatYesterday.org: Die Themen Sport und Ernährung sind weite Felder. Ich fange mal einfach an: Makro- und Mikronährstoffe. Was versteht man darunter? Was sollte ich als Sportler also zum Beispiel über Makronährstoffe wissen?

Caroline Rauscher: Als die sogenannten drei Makronährstoffe bezeichnet man Kohlenhydrate, Eiweiß und Fette. Aus diesen drei Nährstoffen gewinnt unser Organismus die lebensnotwendige Energie. Sie dienen dem Körper also als Treibstoff, aber auch als Baustoff.

Kohlenhydrate sind unverzichtbar für den Aufbau von Zellstrukturen und für die Bildung sogenannter Glykogenspeicher, deren Aufgabe ich noch erklären werde.

Protein ist wichtig für die Neubildung von Gewebe und von Transportproteinen sowie für den Aufbau von Hormonen, aber auch für den Knochen-, Knorpel- und Muskelaufbau.

Fette dienen unserem Körper als größten Energiespeicher, sowohl im Unterhautfettgewebe als auch in der Muskulatur. Neben der Energielieferung sind sie ein wichtiger Wärme- und Aufprallschutz für unseren Körper. Fette sind unter anderem auch wichtig für die Bildung von Hormonen und Zellmembranen.

#BeatYesterday.org: Das ist höchst interessant. Welche Lebensmittel enthalten denn Makronährstoffe?

Caroline: Kohlenhydrate sind zum Beispiel in Nährmitteln wie Brot, Nudeln, Kartoffeln, Obst, Gemüse und Quinoa enthalten.

Eiweiß findest du zum Beispiel in Fleisch, Fisch, Eiern, Milchprodukten und Hülsenfrüchten.

Öle, Nüsse, Samen, fetter Fisch und Fleisch enthalten verschiedene Fette.

BeatYesterday.org: Und dann gibt es da noch die Mikronährstoffe.

Caroline: Das sind Stoffe, die unser Körper aufnehmen muss, ohne dass sie Energie liefern. Zu den Mikronährstoffen zählen in erster Linie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Omega-3-Fettsäuren.

Diese Stoffe sind für unseren Körper sehr wichtig. Sie haben keine direkte Treib- beziehungsweise Baustofffunktion. Vielmehr sind sie unverzichtbare Kofaktoren, damit alle biochemischen Prozesse in unserem Körper reibungslos ablaufen können. Dazu zählen sämtliche Stoffwechselprozesse wie Zellwachstum, Energiegewinnung, Weiterleitung von Nervenimpulsen, um nur wenige Beispiele zu nennen.

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#BeatYesterday.org: Dann haben wir jetzt schon einmal die Grundbausteine. Wie nutzt du diese, wenn du Sportler berätst?

Caroline: Zunächst einmal muss man wissen, dass die Länge eines Wettkampfs im Hinblick auf die ernährungstechnische Vorbereitung entscheidend ist. Nehmen wir einen Athleten, der eine Langdistanz im Triathlon absolviert. Dieser muss besonders darauf achten, seine Glykogenspeicher, also seinen Kohlenhydratspeicher, optimal vor dem Wettkampf aufzutanken. Der „Tank“ mit dem schnellstmöglich verfügbaren Treibstoff Glykogen sollte so voll wie möglich sein.

#BeatYesterday.org: Du sagtest schon, dass Kohlenhydrate als Treib- und Baustoff dienen. Sie liefern die Energie. Welche Aufgabe haben sie noch?

Caroline: Neben Energie leisten Glykogenspeicher einen wichtigen Beitrag zur Hydrierung des Sportlers, ebenso wie für die Kaliumversorgung während des Wettkampfs. Man muss wissen, dass an jedem Gramm Muskelglykogen circa 2,7 Gramm Wasser hängen sowie ungefähr 19,5 Milligramm Kalium. Der Mineralstoff Kalium ist wichtig für den Mineralstoffhaushalt sowie den Wasser- und Flüssigkeitshaushalt des Körpers.

Glykogenspeicher versorgen den Körper im Wettkampf mit körpereigener Energie, Flüssigkeit und Kalium, zusammen mit den Fetten aus den Speichern und der von außen zugeführten Energie.

Die Größe dieses Kohlenhydratspeichers kann man durch die individuelle Ernährungsstrategie 48 Stunden vor dem Wettkampf beeinflussen. Bei normaler Mischkost speichert unsere Muskulatur circa 1,5 Gramm Glykogen je 100 Gramm Muskelmasse. Bei einer angepassten sogenannten Carboloading-Strategie, so wie ich sie verfolge, speichern 100 Gramm Muskelmasse dagegen 2,5 bis 3 Gramm Glykogen.

Je nach Körpergewicht kann ein Athlet seine Glykogenspeicher bis auf circa 750 Gramm erweitern. Nehmen wir beispielhaft einen Sportler, der 70 Kilogramm wiegt: Ist sein Glykogenspeicher maximal voll, enthält also um die 750 Gramm Glykogen, kann er während des Wettkampfs auf circa 3.000 Kalorien, zwei Liter Wasser und circa 13,5 Gramm Kalium zurückgreifen. Und das ist die Bilanz, die er ausschließlich über die ernährungstechnische Vorbereitung erhält. Die zusätzliche Energie aus der Fettverbrennung und aus der Nahrungszufuhr im Wettkampf kommt noch oben drauf.

#BeatYesterday.org: Über meine Ernährung kann ich also noch kurz vor einem Wettkampf Einfluss auf meinen Energiespeicher nehmen. Wie erreichst du dabei, dass Muskeln maximal Glykogen aufnehmen?

Caroline: Das sogenannte „Fueling up” vor einem Wettkampf erfolgt über eine individualisierte Carboloading-Strategie. Der Athlet führt cirka 48 Stunden vor dem Wettkampf eine individuell abgestimmte Menge an Kohlenhydraten und Flüssigkeit zu. Berücksichtigt werden dabei die Essgewohnheiten des Einzelnen, die praktische Umsatzbarkeit sowie Verträglichkeit der einzelnen Lebensmittel für diese Situation.

Auch für kürzere Wettkampfdistanzen, zum Beispiel bei der olympischen Triathlon-Distanz (ODT), ist eine ausreichende Kohlenhydratversorgung vor dem Wettkampf wichtig. Aber: Die mengenmäßige Umsetzung der Carboloading-Strategie sieht natürlich anders aus.

Anne Haug, die ich unter anderem betreue, musste mit dieser Strategie auch erstmal umdenken. Die erfolgreiche deutsche Triathletin und Ironman-Weltmeisterin 2019 kommt ursprünglich aus der olympischen Triathlon-Distanz. 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen waren ihre Einheiten. Jetzt absolviert sie Langdistanzen wie den Ironman. Dabei schwimmt sie mehr als das doppelte. 3,4 statt 1,5 Kilometer, legt mehr als die sechsfache Raddistanz zurück – insgesamt 180 Kilometer. Und läuft schlussendlich einen Marathon. Es wird klar, warum die ernährungstechnische Vorbereitung für den Ironman eine andere sein muss, als für die olympische Kurzdistanz.

Ein optimaler Zustand aus „Speicher-Sicht“ vor dem Start ist sehr wichtig für die Leistungsfähigkeit über den gesamten Wettkampf hinweg. Das kann auch im Hinblick auf einen möglichen Podestplatz das Zünglein an der Waage sein. Meine Aufgabe ist es, mit dem Athleten eine passende, umsetzbare Strategie zu erarbeiten, um ihn in einem bestmöglichen Vorstartzustand an die Startlinie zu bringen.

#BeatYesterday.org: Wenn ich also nun als Sportler zu dir komme und von dir betreut werden möchte, wie unterstützt du mich dann? Erhalte ich eine Art Ernährungsplan?

Caroline: Nein, ein Ernährungsplan im klassischen Sinn ist es nicht. Ein Sportler bekommt von mir das Werkzeug an die Hand, mit dem er dann in der Lage ist, seine Ernährung bedarfsgerecht zu periodisieren. Zusammen mit dem entsprechenden Hintergrundwissen und dem Wissen um Zusammenhänge, wie zum Beispiel Stoffe miteinander wirken, kann der Sportler seine Leistung langfristig optimieren und seine Gesundheit erhalten.

Anne Haug
Triathletin Anne Haug gewann 2019 auch dank der richtigen Ernährungsstrategie die Ironman-WM auf Hawaii.

#BeatYesterday.org: Du betreust viele namhafte Sportler. Nehmen wir zum Beispiel Triathletin Anne Haug. Wie berätst du sie?

Caroline: Gemeinsam analysieren wir ihr Training für unsere Zwecke, also bezogen auf die Ernährung. Dann erarbeiten wir einen individuellen „Schlachtplan“, der für sie in ihrem Alltag umsetzbar ist. Wir schauen uns ihre individuelle Versorgung im Training an, die die vielen harten Trainingsstunden in Leistungssteigerung übersetzen soll. Wichtig ist dabei auch, dass die Ernährung insgesamt gesund ist. Zusätzlich dazu werden ihre individuellen Sportgetränke auf ihre verschiedenen Belastungen angepasst. So ergänzen sie die Basisernährung optimal.

#BeatYesterday.org: Da gibt es wahrscheinlich große Unterschiede. Wenn ich nun zu dir komme, würdest du mich vermutlich völlig anders beraten als Anne Haug, oder?

Caroline: Nein, im Prinzip gibt es keine Unterschiede.

#BeatYesterday.org: Kannst du das genauer erklären?

Caroline: Auch der ambitionierte Amateur möchte das Maximum aus jeder Trainingseinheit herausholen. Der Körper soll sich bestmöglich an das Training anpassen, es adaptieren. Und auch optimale Leistungsentwicklung und Gesunderhaltung stehen für ihn an oberster Stelle. Diese Ziele erreicht er, ebenso wie der Top-Athlet, über eine intelligent angepasste Ernährungsstrategie. Das betrifft die Basisernährung wie auch die Ernährung während einzelner Einheiten. Alles sollte so hochwertig wie möglich zusammengestellt sein: regional, saisonal, keine Zusatzstoffe, keine Gentechnik.

#BeatYesterday.org: Grob kennen wir jetzt die Unterschiede zwischen Mikro- und Makronährstoffen. Wir wissen, wie Energiespeicher aufgefüllt werden. Kann ich im Internet jetzt einfach nach Produkten mit diesen Nährstoffen suchen?

Caroline: Man sollte bedenken, dass jeder Körper über eine sogenannte biochemische Individualität verfügt. Das bedeutet, dass jeder Mensch einen unterschiedlichen Bedarf sowohl an Makro- als auch an Mikronährstoffen hat. Ebenso nimmt jeder Organismus die zugeführten Stoffe unterschiedlich auf beziehungsweise verwertet sie anders.

Im Mikronährstoffbereich ist es unverzichtbar, eine Zufuhr davon abhängig zu machen, wie die Versorgungssituation ist. Hat man zum Beispiel einen Eisen- oder Vitaminmangel, muss man darauf reagieren. Laborparameter und andere Anamnesedaten, die bei einer Blutuntersuchung ermittelt werden, müssen dafür ausgewertet werden.

Auch im Makronährstoffbereich sollten die Art und Menge der benötigten Makronährstoffe (Kohlenhydrate und Eiweiß) individuell und bedarfsgerecht an den Menschen und sein Training angepasst werden. Das betrifft vor allem die Sportgetränke, die während der Belastung und der Regeneration getrunken werden. Langfristig gilt es dann, Produkte kontinuierlich feinzutunen.

#BeatYesterday.org: Die entscheidende Frage zum Schluss: Wenn ich mich richtig ernähre, steigert das automatisch die Leistung? Werde ich zum Beispiel schneller, und kann ich sogar einen Ironman gewinnen?

Caroline: Leistungssteigerung beziehungsweise Leistungsentwicklung ist von vielen Faktoren abhängig. Die Wissenschaft beschreibt den Einfluss der individualisierten Ernährung auf die Leistungsentwicklung aber sehr treffend: „… Good food choices will not make a mediocre athlete into a champion, but poor food choices may prevent the potential champion from realising his/her potential….“ Heißt übersetzt so viel wie: Eine optimal angepasste Ernährung – also nicht one size fits all – hilft, gesund zu bleiben, das Maximum aus jeder Einheit rauszuholen und somit die Leistungsentwicklung optimal zu unterstützen.

Auch zu sehen am Beispiel von Anne Haug. In einem Interview sagte sie mal, bei der Kurzdistanz sei sie immer kurz davor gewesen, nicht mehr zu können. Mit einer angepassten Ernährung haben wir das geändert – und haben sie damit auch auf der Langdistanz erfolgreich gemacht.

Über #BeatYesterday.org-Autorin Caroline Rauscher

Ernährungsexpertin Caroline Rauscher

Als Pharmazeutin und Ernährungsberaterin arbeitet Caroline Rauscher mit Weltklasseathleten und Athletinnen aus etwa 15 verschiedenen Sportarten zusammen. Darunter Olympiasieger wie Skirennläuferin Viktoria Rebensburg und Biathlet Arnd Peiffer sowie Triathletin Anne Haug. Caroline Rauscher betreut genauso Fußballklubs und Amateursporttreibende. Als Coach erstellt sie individuelle Sport- und Ernährungskonzepte. Besuche sie auf der Webseite NFT-sport oder höre in ihren Podcast „Pasta Party“ rein.

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