Body & Soul

Raus aus den Schlafschulden

Viele Menschen in Deutschland, der Schweiz und Österreich schlafen schlecht. Besonders Berufstätige sind betroffen. Die Folgen von Schlafmangel können gravierend sein. Doch was kannst du dagegen tun? Im Gespräch mit Schlafexpertin Dr. Anda Baharav suchen wir Antworten.

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Ein paar Drinks. Gute Musik. Ein üppiges Buffet. Noch ein Bier in der hippen Bar an einer Amsterdamer Gracht und dann um Mitternacht ins Hotelzimmer. Um sechs am Morgen klingelt der Wecker. Egal, für eine True-Crime-Doku auf einem beliebten Videoportal bleibt trotzdem noch eine halbe Stunde. Schlaf ist überbewertet. Im Zug kannst du ihn ja nachholen.

Die Welt da draußen mit ihren Strobolichtern und der schallenden Popmusik ist viel zu interessant, um sie zu verschlafen. Morgens auf dem Weg zur Arbeit bist du dann häufig nicht im Land der Dichter und Denker unterwegs, sondern in der Bahn der Döser und Gähner.

Das klingt vielleicht witzig. Ist aber eine riskante Entwicklung. Fehlender oder schlechter Schlaf kann zu gesundheitlichen Problemen führen und die Lebensqualität mindern. Die israelische Ärztin Dr. Anda Baharav zählt zu den renommiertesten Schlafexpertinnen der Welt. Mit der Schlaf-Monitoring App „Sleeprate” hat sie bereits 40 Millionen Stunden Schlaf der Nutzer*innen getrackt. Sleeprate kooperiert dabei mit Garmin. Nutzer von Garmin-Uhren können den zusätzlichen Coaching-Service von Sleeprate besonders einfach nutzen.

Anda verfolgt dabei ein Ziel: mehr gesunden Schlaf für mehr Menschen. Wir haben sie in Amsterdam auf dem Garmin Health Summit, bei dem jedes Jahr internationale Gesundheitsexpert*innen zusammenkommen, getroffen. Im Interview erklärt Anda, wie jeder seinen Schlaf verbessern kann und warum Wecker nicht ins Schlafzimmer gehören.

Garmin Schlafanalyse


Tiefer Schlaf ist für die Erholung besonders wichtig. Blutdruck und Herzfrequenz nehmen ab, der Körper fährt auf Standby. Neben den ausreichenden Tiefschlafphasen ist auch ein verlässlicher Schlafrhythmus wichtig. Dieser baut sich aus verschiedenen Phasen auf, der Tief- und Leichtschlafphase sowie dem REM-Schlaf (Traumphase). Ist der Rhythmus gestört, leidet der Schlaf. Garmin-Wearables können den Schlaf minutengenau messen und analysieren. Dabei wird den Garmin-Nutzer*innen nicht nur die reine Schlafzeit angezeigt, sondern auch die jeweilige Dauer der unterschiedlichen Schlafphasen.

Schlafphasen auf der Garmin Venu 2S
Mit einer Garmin-Uhr kannst du deinen Schlaf analysieren und optimieren. © Garmin

#BeatYesterday.org: Anda, wie definierst du guten Schlaf?

Dr. Anda Baharav: Guter Schlaf ist, wenn wir erfrischt aufwachen. Wenn wir uns bereit fühlen, tagsüber bei guter Laune zu funktionieren und nicht unter Aufmerksamkeitsverlusten oder Tagesschläfrigkeit leiden.

#BeatYesterday.org: Du bist Ärztin und eine der renommiertesten Schlafwissenschaftlerinnen der Welt. Wie kommt es, dass du dich bei deiner Arbeit so sehr auf den Schlaf konzentrierst?

Anda: Als Ärztin habe ich viele Jahre nicht genügend schlafen können. Ich erlebte die Schwierigkeiten, die ein wechselnder Schichtdienst verursacht. Auch ich habe mich mit den Traumata beschäftigen müssen, die durch schläfriges Autofahren entstehen. Dadurch verstand ich, dass genügend und guter Schlaf ein wertvolles und oft unterbewertetes Naturheilmittel ist.

#BeatYesterday.org: Du betreust mit deinem Unternehmen Sleeprate mehr als 100.000 Nutzer*innen. Was sind die häufigsten Schlafstörungen?

Anda: Bei der Analyse der Daten aus den vergangenen zwei Jahren haben wir spannende Erkenntnisse gewonnen:

Von 53.513 Sleeprate-Nutzer*innen…

  • …beschweren sich 60 Prozent über Schwierigkeiten beim Einschlafen.
  • …klagen 53 Prozent über das plötzliche Erwachen in der Nacht.
  • …wachen 45 Prozent früher auf als geplant.
  • …fühlen sich 83 Prozent morgens nicht ausgeruht.
  • …haben 80 Prozent Probleme mit Tagesschläfrigkeit.

#BeatYesterday.org: Wie lange schläft die oder der durchschnittliche*r Sleeprate-Nutzer*in?

Anda: Die gesamte nächtliche Schlafzeit beträgt im Schnitt 6,4 Stunden. Unsere Zahlen deuten darauf hin, dass 50 Prozent der Bevölkerung weniger als 6,5 Stunden pro Nacht schläft. Die empfohlene Schlafzeit für eine erwachsene Person liegt aber bei sieben bis acht Stunden. Viele Menschen mögen Schwierigkeiten beim Einschlafen haben. Aber das Hauptproblem ist die mangelnde Erholung am Morgen. Das ist keine Überraschung. Viele leben mit einer riesigen Schlafverschuldung.

#BeatYesterday.org: Ist Müdigkeit das einzige Anzeichen für schlechten Schlaf oder gibt es noch andere Symptome?

Anda: Intuitiv verstehen wir, dass wir müde und schläfrig sind, wenn unser Schlaf schlecht ist oder wir nicht genügend Schlaf bekommen. Die Tentakel eines schlechten Schlafes reichen aber viel weiter: Sie erhöhen unsere Reaktionszeit und Reizbarkeit. Unsere Stimmung ist insgesamt deutlich instabiler. Dazu kommen die Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und der Beurteilungsfähigkeiten. Auch sinkt unsere körperliche Leistungsfähigkeit und Produktivität.

Frau mit Schlafstörungen fühlt sich müde
Schlechter Schlaf macht uns nicht nur müde, er erhöht auch unsere Reaktionszeit und Reizbarkeit. © martin-dm/Getty Images

#BeatYesterday.org: Bedroht schlechter oder fehlender Schlaf nur unsere mentale Fitness, oder kann er auch physiologisch zu einem Problem werden?

Anda: Schlechter Schlaf stört unser Essverhalten. Wir neigen zu mehr Entzündungen und sind weniger immun gegen Krankheiten. All dies kann zu einem schlechten Gesundheitszustand mit Diabetes, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie vermehrten Arbeits- und Verkehrsunfällen führen. Unsere Beziehungen und unser soziales Leben können unter einem Schlafdefizit leiden. Wir schlafen – idealerweise – ein Drittel unseres Lebens. Schlafen wir also schlecht, kann sich das negativ auf unsere gesamte Lebensqualität auswirken.

#BeatYesterday.org: Dass wir immer weniger und schlechter schlafen, zeigen regelmäßige Erhebungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zwar verbessern sich unsere Lebensbedingungen und viele Menschen ernähren sich viel bewusster als früher. Allerdings kommt nachts davon anscheinend kaum etwas an. Woran liegt das?

Anda: Viele glauben, dass Schlaf ein entbehrlicher Luxus ist. Wenn wir auf ihn verzichten, können wir in der Zeit Social Media nutzen, die nächste Episode einer TV-Serie ansehen oder Spiele spielen. Diese Gewohnheiten können zu dem Stress führen, der später unsere Einschlaffähigkeit beeinträchtigt oder zu einer Fehlstellung unserer inneren Uhr führt. Wir tragen so zur Deregulierung unseres Schlafverhaltens bei.

#BeatYesterday.org: Viele verstehen also die große Bedeutung von Schlaf nicht. Was machen wir noch falsch?

Anda: Wir wählen die falschen Mittel, um besser einzuschlafen. Alkoholkonsum unmittelbar vor der Schlafenszeit kann manchmal helfen, rascher einzuschlafen. Aber im Verlauf der Nacht wird der Schlaf dann oft schlecht und sogar unterbrochen. Eine große Mahlzeit zu essen oder hungrig ins Bett zu gehen, mag müde machen – aber auch das beeinträchtigt die Schlafqualität.

#BeatYesterday.org: Können wir für einen guten Schlaf ähnlich wie bei Sportarten trainieren?

Anda: Wir müssen zunächst die Bedeutung des Schlafes verstehen. Das erfordert viel Zeit und Training. Doch die richtigen Anpassungen sind den Aufwand wert. Guter Schlaf ist erreichbar. Wir sind nicht dazu gezwungen, durch Übermüdung Lebensqualität zu verlieren.

#BeatYesterday.org: Mit welchen Maßnahmen können wir unseren Schlaf verbessern?

Anda: Nützliche Werkzeuge sind Bettzeit-Routinen mit zeitlichen Puffern zum Einschlafen. Sich mit dem eigenen Schlaf auseinanderzusetzen, ist eine Grundlage. Und wir brauchen viel mehr Entspannung und Achtsamkeit für unsere körperlichen Bedürfnisse.

#BeatYesterday.org: Um uns vom Trainingsbegriff zu entfernen: Ist schlechter Schlaf therapierbar?

Anda: Eine der empfohlenen Interventionen bei Schlaflosigkeit und anderen verhaltensbedingten Schlafstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Die zielt darauf ab, den Schlafbedarf an die innere Uhr anzupassen. Auch müssen wir das Schlafzimmer wieder mit dem Schlaf verbinden – und nicht mit Unterhaltungsmedien.

#BeatYesterday.org: Sollten wir zunächst den Schlaf verbessern oder doch eher unseren allgemeinen Lebensstil ändern?

Anda: Tatsächlich sollten wir beides gleichzeitig tun. Wir müssen eine Schlafroutine schaffen und eine regelmäßige Zeit zum Entspannen finden. Dann kann die Magie des Schlafes an der „Wiederherstellung” des Körpers arbeiten: Unser Gedächtnis verdichtet sich im Schlaf. Emotionen lösen sich, während wir von der Außenwelt getrennt sind. Das Bewahren des Bettes als Ort für den Schlaf (und Sex) ist der Schlüssel zu einem gesunden Schlaf. Wir sollten im Bett nicht essen, fernsehen oder arbeiten.

Schlafexpertin Dr. Anda Baharav bei einem Vortrag
Schlafexpertin Dr. Anda Baharav erklärte beim Garmin Health Summit in Amsterdam, warum schlechter Schlaf so gefährlich ist. © Garmin Health

#BeatYesterday.org: Morgens endet die Nachtruhe für viele Menschen abrupt. Weil der Wecker rasselt. Wie wirkt sich das auf den natürlichen Schlaf aus?

Anda: Wenn wir genug schlafen, funktionieren unsere inneren Kontrollmechanismen gut. Unser Schlafbedarf und die biologische Uhr sind aufeinander abgestimmt. Wir schlafen jede Nacht um die gleiche Zeit ein und wachen spontan und erfrischt auf, wenn der Schlafbedarf gedeckt ist. Das passiert ganz natürlich. Die Wecker sorgen dafür, diese natürlichen Bedürfnisse zu überwinden. Sie zwingen uns zum Aufwachen, bevor wir den Job „Schlaf” erfolgreich erledigen haben. Wir häufen Schlafschulden an.

#BeatYesterday.org: Morgens haben vermutlich Millionen Menschen die gleiche Angewohnheit: Sie drücken wieder und wieder die Snooze-Taste. Wie beeinflusst das morgendliche Dahindämmern unsere Erholung?

Anda: Schlummern ist nicht hilfreich. Die wiederholten Schwankungen zwischen Schlafen und Aufwachen verderben die letzte Schlafperiode. Außerdem bekommen wir keine nützliche Wachsamkeit. Wir verschwenden beim Schlummern Zeit.

#BeatYesterday.org: Nun sind sicher viele Menschen gewillt, früher ins Bett zu gehen. Doch das Einschlafen fällt schwer. Sie wälzen Bücher vor dem Schlaf. Schreiben E-Mails. Schauen Serien. Denken über dieses und jenes nach. Der Frust, ja eh nicht einschlafen zu können, verhindert bestimmt sehr oft das frühe „zu Bett gehen”. Welchen Tipps haben Sie, um schneller einzuschlafen?

Anda: Um schnell einzuschlafen, das bedeutet normalerweise innerhalb von zehn bis 30 Minuten, müssen wir für unsere innere Uhr zur richtigen Zeit müde genug sein. Der wichtigste Ratschlag ist also, die regelmäßigen Aufwachzeiten einzuhalten und den Schlummer zu vermeiden. Er verzehrt unseren Biorhythmus schon zu Beginn des Tages.

#BeatYesterday.org: Wie wichtig sind Daten, die zum Beispiel Garmin-Uhren anzeigen, für die Verbesserung des eigenen Schlafverhaltens?

Anda: Wir bei Sleeprate verwenden die physiologischen Daten, die wir aus verfügbaren Wearables wie Sportuhren gewinnen. Das ist die Grundlage, mit der wir unsere Schlaflösungen entwickeln. Dabei sind die Rohdaten von Garmin von sehr hoher Qualität und ermöglichen es, nicht nur Aktivitäten und Anstrengungen, sondern auch Schlaf und Stress zu messen. So erhalten wir ein klares Bild vom Gleichgewicht zwischen Schlaf und Wachsein. Die Lösung von Problemen beginnt immer mit der Feststellung, dass diese Probleme überhaupt existieren. Nur dann können wir Wege für Lösungen finden und aufzeigen.

Besser schlafen mit Garmin

Guter Schlaf ist wichtig. Deine Garmin-Uhr liefert dir viele wertvolle Informationen zu deiner Schlafqualität und gibt dir Tipps, wie du deinen Schlaf langfristig verbessern kannst. Zeichne deine verschiedenen Schlafstadien, Herzfrequenz, Stress, Blutsauerstoffsättigung und Atemfrequenz im Verlauf der Nacht auf und analysiere sie am Morgen direkt auf der Uhr oder in Garmin Connect.

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