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Stressor Live-Sport: Wie du deine Nervosität zügelst

Live-Sport ist für viele Fans mehr als Unterhaltung. Emotional fiebern sie vor dem Bildschirm mit. Das Problem: Manchmal entwickelt sich die freudige Anspannung zur Qual. Was du dagegen tun kannst.

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Scheinbar ewig segelt der Ball durch die Luft. Fliegt über die Köpfe der baumlangen Verteidiger und Stürmer hinweg. Er scheint für alle unerreichbar. Eine missratene Hereingabe, eine vergeudete Chance? Mitnichten. Am Strafraumeck erwischt der plötzlich auftauchende Stürmer den Ball perfekt. Zielt aufs lange Eck. Tor. Stünde ich nicht seit 20 Minuten, würde es mich vor Ekstase von der Couch reißen.

Kaum etwas versetzt mich so in Aufruhr wie Live-Sport. Fußball, Basketball, Wintersport oder ikonische Radrennen – komplett egal. Ganze Tage habe ich bereits geflucht, gebangt, gejubelt. Vor allem: gelitten. Denn die Nervosität treibt mich und andere um. Ich tapere umher. Schwitze stark. Meine Hände zittern. Oft kann ich nicht hinsehen. Mir ist schon flau im Magen geworden, ich hatte Sodbrennen. Meine Familie, die oft mitguckt, fragt besorgt: Kevin, geht es dir gut? Und wenn ich ehrlich bin: nicht wirklich. In Mitleiden steckt zurecht das Wort „leiden“.

Warum du beim Sport mitfieberst

So wie mir geht es vielen – vielleicht auch dir. Dein Lieblingsteam steht vor einer wichtigen Partie und schon Stunden vor Spielbeginn steigt die Nervosität in dir auf. Während des Spiels wird ist es meist nicht besser. Du bist unruhig, besorgt und hibbelig. Selbst Unbeteiligte zieht der Live-Sport oft in seinen Bann. Bei großen Events leiden auch Fußballmuffel oft mit. Warum ist das so? Der ARD-Forschungsdienst nahm sich dieser Frage an und lieferte gleich mehrere Erklärungsansätze.

Die Erwartungshaltung

Ein ganz wesentlicher Faktor: Identifikation. Die Zuschauenden konsumieren den Sport meist mit einer Erwartungshaltung. Zum Beispiel ein Sieg des eigenen Teams oder aber – mit Schadenfreude – die Niederlage eines Rivalen. Das steigert die Chance auf positive Gefühle, erhöht aber zugleich das Risiko für negative Emotionen. Gegensätze, die Live-Übertragungen besonders attraktiv machen. Voraussetzung dafür ist natürlich eine Affinität zur konsumierten Sportart – und den Menschen, die sie auf einem hohen Niveau ausüben. Die lokale oder nationale Verbundenheit zu den Athletinnen und Athleten sorgt dafür, dass wir uns diesen eigentlich völlig fremden Menschen plötzlich sehr nah fühlen.

Spannende Ergebnisse

Außerdem geht es bei Live-Übertragungen immer um Spannung. Gewinnt der Favorit oder kann David gegen Goliath auftrumpfen? Gelingt das Comeback nach hohem Rückstand? Anders als andere TV-Formate wie Serien oder Filme gibt es beim echten Sport kein Drehbuch – und oft kein Happy End. Gewiss ist nur das Ungewisse, es kann immer etwas passieren.

Forschende der staatlichen Universität im US-amerikanischen Michigan unterstrichen mit einer Studie, wie stark dieser Effekt ist. In einer Untersuchung zeigten sie den Teilnehmenden Sportvideos die entweder nach Drehbuch oder völlig zufällig abliefen. Die Ergebnisse verrieten, dass der ungeplante Sport den Zuschauenden mit Abstand die meiste Freude bereitete.

Die Bewegung der Anderen

Einen weiteren Grund für das Mitfühlen bei Sportübertragungen benennt der Diplom-Psychologe Johannes Schneider im Gespräch mit der Branchenzeitung w&v. Er sagt: „Das hängt insbesondere mit den sogenannten Spiegelneuronen zusammen, die die neuronale Basis für Empathie darstellen. Auch wenn wir nicht selbst auf dem Platz oder Feld stehen, so agieren die Aktiven auf dem Bildschirm stellvertretend für uns.“

Infografik über Prozentzahlen von Frauen und Männern, die gerne Live-Sport im Fernsehen gucken
Quelle: Statista

Wie wirkt sich Live-Sport auf meinen Körper aus?

Besonders spannend ist jedoch, dass eine Übertragung, die du auf dem Sofa, auf der Fanmeile oder im Stadion verfolgst, weit mehr als psychologische Folgen hat. Das Wort „mitfiebern“ ist nämlich erstaunlich präzise gewählt.

Die Muskeln sind angespannter, die Körpertemperatur erhöht sich, du schwitzt mehr. Vor allem dein Blutdruck, deine Herzfrequenz und dein Stresslevel steigen. Vor ein paar Wochen habe ich es bei einem internationalen Spiel meiner Lieblingsmannschaft aus München selbst getestet. Dafür verfolgte ich während des Spiels meine Garmin-Daten und stellte fest, dass mein Ruhepuls doppelt so hoch war wie sonst zu dieser Tageszeit. Teilweise war kein Unterschied zu einer hügeligen Fahrradtour erkennbar, die ich in meiner Freizeit häufiger unternehme.

Pulskurve von Redakteur Kevin beim Bayern-Spiel
Die Pulskurve von Redakteur Kevin beim Spiel FC Bayern München gegen den FC Arsenal. © Garmin

Bist du vor und während (oft auch nach) einer Sportübertragung angespannt, schüttet dein Körper zusätzlich Stresshormone, Adrenalin und Endorphine aus. Das macht dich nervös, aber auch glücklich. Diesen Wechsel zwischen den Empfindungen, den Kick, erhoffen sich Menschen, die Live-Sport schauen.

Wie Sport im Fernsehen die Gesundheit beeinflussen kann

Während eines spannenden Spiels ist dein Körper in Aufruhr, was nicht schlecht sein muss. Zwar fühlt es sich für dich vermutlich nicht so an, wenn du vor dem Fernseher bangst, aber der Live-Sport kann deine Gesundheit auch fördern. Das wiesen Forschende der Universität in Singapur nach. Sie beobachteten bei ihren Untersuchungen, dass Sportübertragungen auf Dauer ähnliche Effekte haben wie ein zügiger Spaziergang. Denn der über ein, zwei Stunden leicht erhöhte Puls beeinflusst die Herzgesundheit ähnlich positiv wie eine seichte körperliche Aktivität.

Auch sollst du als Fan deine mentale Gesundheit fördern können. Forschende vermuten, dass du beispielsweise dein Selbstbewusstsein stärken kannst, wenn deine Mannschaft gewinnt. Liefert BAYER Leverkusen seit der letzten Saison plötzlich Medikamente für den Selbstwert?

Zudem kann Live-Sport den positiven Stress (auch Eustress genannt) auslösen. Dabei steht der Organismus zwar unter Stress, das aber nur zeitlich begrenzt. In dieser Phase können schädliche Stresshormone dem Körper guttun. Zusätzlich helfen die Übertragungen beim Abschalten vom stressigen Alltag, wenn du dich nur auf den Sport konzentrierst und dadurch nicht mehr an die Arbeit denkst.

Die positiven Effekte des Live-Sports klingen fantastisch – es gibt aber ein Risiko. Das legte eine Studie der medizinischen Klinik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München nahe. Das Forschungsteam fand heraus, dass ein spannendes Fußballspiel des favorisierten Teams das Risiko auf kardiovaskuläre Ereignisse wie einen Herzinfarkt steigern kann. Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits an einer Vorerkrankung des Herzens leiden. Der Herzinfarkt beim Fußball – er ist leider möglich.

Ist zu viel Sport schauen schädlich?

Olympische Spiele, ganztägige Fußballübertragungen oder populäre Turniere von Ballsportarten: Manche Sportevents fesseln dich den ganzen Tag vor dem Fernseher. Andere ziehen Nächte durch, um Events in Nordamerika nicht zu verpassen. Ist das gesund?

Jein. Es kommt auf die Dosis an. Besonders bei langen Übertragungen bewegen sich die meisten Menschen zu wenig. Sitzt du stundenlang vor dem Fernseher, kann das negative Auswirkungen auf deine Gesundheit haben. Das wiesen Forschende der Brown Universität in Rhode Island nach. Die Ergebnisse zeigten, dass auf Dauer bereits mehr als vier Stunden TV pro Tag das Sterberisiko steigern können.

Im Gespräch mit der österreichischen Zeitung „Kurier“ weist Prof. Dr. Thomas Dorner von der Medizinischen Universität in Wien auf weitere negative Auswirkungen hin. Er sagt: „Die, die täglich Sport im Fernsehen konsumieren, haben im Vergleich zu jenen, die sich maximal einmal wöchentlich Sport im Fernsehen ansehen, ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko, fettleibig zu sein“, erklärt der Experte.

Was kannst du effektiv gegen die Nervosität tun?

Wenn der Stress reinhaut, kannst du dich kaum auf das Spiel konzentrieren und verspürst einen erhöhten Bewegungsdrang. Auch kann es sein, dass du bis zur Jähzornigkeit reizbar wirst und deine netten Mitmenschen auch mal anblaffst. Möchtest du beim Schauen genießen und deine sozialen Kontakte erhalten, kannst du deine Nervosität mit verschiedenen Methoden lindern.

Was du vor dem Spiel tun kannst

Tabata-Workout

Du bist kurz vor dem Spiel total aufgeregt, steckst voller Adrenalin und bist jetzt schon ein Nervenbündel? Deine überschüssige Energie kannst du mit einem intensiven Tabata-Workout abbauen. Es dauert nur vier Minuten und lässt sich so unmittelbar vor dem Anpfiff durchführen.

Wähle für das Training effektive Übungen wie Liegestütze, Burpees oder Kniebeugen, die große Muskelgruppen beanspruchen. Zwar treibt das Workout deinen Puls zunächst weiter nach oben, laut Forschenden der McMaster Universität in Ontario sinkt dabei aber auch der Gehalt des Stresshormons Cortisol. Auch kicken die Glückshormone nach dem Tabata-Training besser als manche Fußballer.

Meditation

Hast du vor dem Spiel die nötige Ruhe, kannst du dich auch mit einer Meditation auf den nahenden Stress vorbereiten. Begebe dich dafür in eine bequeme Position und lausche dabei beispielsweise unserer #BeatYesterday Entspannungs-Playlist.

Fokussiere dich auf deinen Atem oder die Musik und bleibe mit den Gedanken im Moment. Bringst du deinem Körper vor einem stressigen Abend in Balance, kannst du die Reize eines Fußballspiels besser vertragen. Alternativ kannst du dich auch mit Apps wie Headspace, SonicTonic oder 7Mind durch die Meditation leiten lassen.

Was du während des Spiels tun kannst

Atemübungen mit deiner Smartwatch

In der Halbzeit mal kurz durchatmen – ja, das ist erstaunlich effektiv. Ob im stressigen Alltag oder beim Schauen einer wichtigen Sportübertragung – kontrollierte Atmung kann dich beruhigen und einen rasenden Puls reduzieren. Unterbrechungen und Pausen bei der Übertragung sind die perfekte Gelegenheit dafür. Deine Smartwatch von Garmin unterstützt dich dabei. Wähle dafür die Aktivität „Atemübung“ auf deiner Uhr. Bevor du startest, kannst du zwischen den verschiedenen Effekten der Übungen wählen. Anschließend leitet dich deine Smartwatch mit Vibrationen und Erklärungen durch die Aktivität.

Atemübungen auf der garmin Venu 2
© Garmin

Tipp: Stelle den Fernseher stumm oder führe die Übungen in einem ruhigen Bereich aus, damit du dich auf deine Atmung konzentrieren kannst.

Entspannungsübungen

Möchtest du die Unterbrechungen aktiver gestalten, kannst du Entspannungsübungen aus dem Yoga oder dem Tai Chi absolvieren. Sie können dich beruhigen und wirken gleichzeitig der erhöhten Muskelspannung bei Nervosität und Stress entgegen. Dafür eignen sich Übungen, die viele Bereiche deines Körpers ansprechen. Aus dem Yoga können das beispielsweise die Kopf-Knie-Stellung, der Stuhl oder der herabschauende Hund sein.

Drei Yoga-Übungen zur Entspannung
Die Kopf-Knie-Stellung, der Stuhl und der herabschauende Hund. © AzmanL / E+ / Getty Images Plus

Hinweis: Das Wichtigste überhaupt: Lass ein paar alkoholhaltige Bierchen oder Aperol weg. Denn die Kombination aus Alkohol und Stress kann zwei Folgen haben. Entweder sorgt sie dafür, dass du Hemmungen verlierst, dich also schlechter unter Kontrolle hast und Impulsen eher nachgibst. Genauso kann Alkohol aber auch sedierend wirken. Du wirst dann plötzlich sehr ruhig, fast abwesend. Und ganz ohne Nervosität macht Live-Sport doch nur halb so viel Spaß.

Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
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