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Guido Kunze: „Die Angst zu scheitern, fährt immer mit“

Extremsportler Guido Kunze aus Mühlhausen will für das „Abenteuer Schokolade“ mit 50 Kilogramm Kakaobohnen durch Südamerika und Europa radeln. Warum tut er das?

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Seine Aktion sei eigentlich „wie ein Brötchen“, sagt Guido Kunze. Entscheidend ist aber, was drin ist: die Füllung, die Botschaft. Er will nicht einfach nur eine wahnsinnig lange Strecke mit dem Fahrrad fahren, sondern den Aufwand auch mit einem Zweck belohnen, der nachhaltiger kaum sein könnte. Das Vorhaben liest sich wie ein klassisches Abenteuer: Mit dem Rad wird der 52-Jährige von Ecuadors Kleinstadt Palanda 3.500 Kilometer bis zur kolumbianischen Küstenstadt Cartagena fahren, die manche vielleicht aus den Romanen von Gabriel García Marquez („Hundert Jahre Einsamkeit“) kennen. Dort ein Sport-Segelboot chartern, den Atlantik überqueren, in Lissabon anlegen – und dann noch einmal 4.500 Kilometer bis nach Erfurt strampeln. Immer mit dabei: ein Sack voller Kakaobohnen, ca. 50 Kilo schwer. Sechs Wochen lang. Was für ein Höllenritt.

Bohnen auf großer Reise

Guido Kunze ist ein sehr freundlicher und bescheidener Mann. Kein rastlos-kribbeliger Adrenalin-Junkie mit irrem Blick, wie man vielleicht vermuten würde. „Radfahren ist für mich wie ein Tagtraum. Wenn ich auf dem Sattel sitze und nachdenke, dann entstehen eigentlich die meisten Projekte“, sagt er beim Interview mit breitem Thüringer Dialekt. Die Idee für „Abenteuer Schokolade“ kam ihm aber nicht auf dem Fahrrad, sondern ausnahmsweise in einem Mühlhäuser Supermarkt. Dort griff er ins Regal und zeigte seinem 14-jährigen Sohn Marvin eine Tafel Milka-Schokolade für schlappe 39 Cent. Der Vater legte die Stirn in Falten und grübelte: Davon lassen sich doch maximal die Materialkosten decken, aber niemals eine 100 Gramm Tafel Schokolade produzieren. Er tauschte sich mit Alex Kühn, einem befreundeten Chocolatier aus, der ihm versicherte, dass bei einer Massenproduktion keiner von den Kakaobohnenproduzenten etwas daran verdient. Und dann machte es Klick.

Radfahren ist für mich wie ein Tagtraum. Wenn ich auf dem Sattel sitze und nachdenke, dann entstehen eigentlich die meisten Projekte.

Guido Kunze, Extremsportler

Auf den Spuren von Humboldt

„Ich dachte, man müsste den Leuten mal vor Augen führen, wie lange so eine Kakaobohne eigentlich unterwegs ist, damit sie bei uns zu Schokolade verarbeitet wird. Wer immer nur eine Tafel für 39 Cent kauft, verliert früher oder später ein Gefühl für die Wertigkeit des Produkts. Deshalb bringe ich die Bohnen nach Deutschland aus denen dann einzigartige Schokolade gemacht wird“, sagt Kunze. Die Goldhelm Schokoladen Manufaktur von Alex Kühn arbeitet bereits mit kleineren Kooperativen in Peru und Vietnam und produziert klassische Fair-Trade-Schokolade, jetzt will man Kooperativen in Ecuador und Kolumbien unterstützen – und ganz nebenbei auf den Spuren Alexander von Humboldts wandeln, der bei seinen Südamerika-Reisen Anfang des 19. Jahrhunderts den Kakao für sich entdeckte und zu dem Schluss kam, „dass es eigentlich keine andere Pflanze gibt, wo die Natur so viele gesunde Inhaltsstoffe reingepackt hat“, wie Kunze sagt.

Der Extremsportler weiß um die Risiken auf den Strecken. | © Christian Habel

Abenteuer Südamerika

Am 17. März startet das „Abenteuer Schokolade“. Die Route: Von Frankfurt nach Madrid, dann nach Quito, anschließend ins peruanische Loja und schließlich mit dem Auto in die Region von Palanda in Ecuador. Warum gerade dorthin? „Ecuador beansprucht für sich, als erstes Land Kakao als Ackerpflanze kultiviert zu haben“, erzählt Kunze, „und in Palanda gibt es ein Naturschutzgebiet, wo mit Pflanzen von vor 4.000 Jahren gearbeitet wird. Wir fahren also an den Ursprungsort des Kakaos.“ Sein Vorhaben schlicht als „sportlich“ kleinzureden, wäre wohl etwas verfehlt. Von Palanda nach Cartagena sind es knapp 3.500 Kilometer. Start ist bei 500 Metern über dem Meeresspiegel, in Quito geht es streckenweise auf über 4.100 Meter hoch. Wer die Strecke bei Google Maps eingibt, bekommt nicht mal eine Fahrradverbindung angezeigt. Aber wäre es dann noch ein Abenteuer und nicht eher eine Spazierfahrt, wenn Google Maps einen Weg vorschlagen würde? Eben.

Ich dachte, man müsste den Leuten mal vor Augen führen, wie lange so eine Kakaobohne eigentlich unterwegs ist, damit sie bei uns zu Schokolade verarbeitet wird. Wer immer nur eine Tafel für 39 Cent kauft, verliert früher oder später ein Gefühl für die Wertigkeit des Produkts.

Guido Kunze, startet am 17. März sein „Abenteuer Schokolade“

200 Kilometer pro Tag, aber trotzdem allerhand Herausforderungen

„Ich habe eigentlich nicht viel Zeit zur Akklimatisierung. Die Strecken sind teilweise sehr steil. Was passiert dann mit der Atmung? Was mache ich, wenn ich mich in den Bergen erkälte?“, sagt Kunze. Seine Radtour startet er deshalb zunächst nur mit 25 Kilogramm Kakao, die er auf der ersten Kooperative in Palanda kaufen wird. Auf dem Weg nach Cartagena steuern er und sein Team – darunter zwei Fotografen, zwei Filmemacher und sein 14-jähriger Sohn Marvin im Begleitauto – immer wieder kleine Kakao-Familienbetriebe an, um weitere Bohnen zu kaufen, die in Taschen transportiert werden und am Rad, Lenker und Heck befestigt werden.

Die Idee für „Abenteuer Schokolade“ kam Guido nicht auf dem Rad, sondern ausnahmsweise im Supermarkt. | © Marco Kneise

Dieser Weg wird kein leichter sein

„Ich habe lange überlegt, ob ich einen Hänger mitnehme. In Ecuador haben wir eine Regenwaldroute, in Kolumbien geht es am Pazifik entlang. Aber wie ist die Beschaffenheit der Straßen? Ich habe auch gehört, dass viele Südamerikaner nachts ohne Licht fahren. Die orientieren sich dann einfach nach ihrem Gehör.“ Der Extremsportler weiß um die Risiken auf der Strecke. Hat er auch Ängste? Oder eine Machete im Kakaosack, falls er überfallen wird? „Nein, an solche Gefahren denke ich überhaupt nicht. Ich kann mich ganz gut selbst verteidigen! Ich glaube tiefgründig an das Gute im Menschen und bin der Meinung, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus. Warum sollte mir jemand etwas tun?“, so Kunze.

Natürlich hatte ich auch schon Niederlagen in meinem Leben, aber ich will definitiv nicht scheitern. Das ist wahrscheinlich die größte Angst, die mitfährt. Es gibt keinen Plan B.

Guido Kunze, geht gut vorbereitet auf Tour

Gute Vorbereitung ist der halbe Weg

Als Orientierung hat sein Team ein Navi im Auto, auch klassische Landkarten dienen als Back-up. Insgesamt hat Guido Kunze alle Streckenverläufe auf drei Geräten abgespeichert. Sein Fahrrad fährt mit Getriebeschaltung und 18 Gängen. Im Auto lagern zwei verschiedene Laufradsätze, ansonsten so wenige Ersatzteile wie möglich. Bei der Atlantik-Überquerung im Sport-Segelboot (ohne sein Team, das nach Lissabon fliegt) hilft in Notfällen ein klassisches Satellitentelefon. „Mal gucken, ob ich seekrank werde. Segeln kann ich nicht, das macht der Bootsbesitzer. Ich kann nur ’ne Büchse aufmachen, wenn es was zu essen geben soll“, sagt Kunze und lacht. Von Lissabon sind es dann „nur“ noch knapp 4.000 Kilometer bis nach Erfurt. Ankunft: 29. April.

Kein Stillstand: Nach dem „Abenteuer Schokolade“ warten bereits die nächsten Projekte! | © Micha Neugebauer

Ohne Ängste geht es nicht

„Ich habe schon viele Sachen gemacht, aber die waren alle nicht so lang. Wenn man während des Wettbewerbs in einem tiefen Loch steckt, weiß man immer noch, dass es nur maximal zwei bis drei Tage dauert, bis man es geschafft hat. Aber der Mensch ist keine Maschine. Wenn ich die Anden hochfahren werde, dann frage ich mich jetzt schon: Machen Knie und Nacken mit? Natürlich hatte ich auch schon Niederlagen in meinem Leben, aber ich will definitiv nicht scheitern. Das ist wahrscheinlich die größte Angst, die mitfährt. Es gibt keinen Plan B.“

Dann aber irgendwie doch. Denn Guido Kunze will nicht einfach nur die Bohnen nach Deutschland schaffen und sportliche Höchstleistung bringen. Bei seinem Trip soll der Stoff für eine Kino-Dokumentation entstehen sowie für 20-minütige Nachhaltigkeitsfilme, die gratis an deutsche Schulen gehen sollen. Sohn Marvin soll darin der Protagonist sein, der auf der Strecke verschiedene Schulen in Ecuador und Kolumbien besucht und somit die Brücke für ein deutsches Teenager-Publikum sein soll.

Guido Kunze freut sich sehr auf die Reise mit seinem Sprössling: „Mein Sohn ist bereits Feuer und Flamme. Wann hat man schon mal die Möglichkeit, so eine tolle Reise mit seinem Kind zu machen? Außerdem ist er total abgehärtet, war bereits im Alter von acht Monaten beim Grand Raid Ultramarathon auf der Karibikinsel Reunion dabei und mit zweieinhalb Jahren beim Badwater-Ultramarathon in den USA. Außerdem hat er just seine Prüfung zum Rettungsschwimmer gemacht“, sagt der Papa stolz.

Ich würde unglaublich gerne mal den K2 besteigen, nach dem Mount Everest der zweithöchste Berg der Welt. Den besteigt man nicht einfach so, den K2 muss man sich erarbeiten.

Guido Kunze, setzt sich nach dem „Abenteuer Schokolade“ auf keinen Fall zur Ruhe

„Es gibt noch viel zu tun“

Dass sich der Mühlhäuser Extremsportler nach dem „Abenteuer Schokolade“ zur Ruhe setzt, kann man bereits ausschließen. „Ich habe einen weiteren Traum. Ich würde unglaublich gerne mal den K2 besteigen, nach dem Mount Everest der zweithöchste Berg der Welt. Den besteigt man nicht einfach so, den K2 muss man sich erarbeiten“, so Kunze. Im Sommer stehen die nächsten konkreten Projekte bereits an, etwa eine 40-stündige Radtour von Flensburg nach München oder ein Höhenweltrekordversuch in den österreichischen Alpen. Warum er das macht, liegt auf der Hand. Er will den Trainingseffekt mitnehmen und direkt umsetzen. Oder wie er sagt: „Es gibt noch viel zu tun.“ Dann stets mit ein bisschen Schokolade in der Satteltasche.

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