Wo früher gedankenlos tonnenweise Druck-Erzeugnisse verteilt wurden oder sich Berge von Plastikbechern auftürmten, findet heute ein Umdenken statt. Sportevents sollen nachhaltiger werden.
Es geht darum, Müll zu vermeiden, die Natur, in der die Events stattfinden, zu schonen oder dem Nachwuchs ein Gespür für die Umwelt zu vermitteln – aber auch um das soziale Gewissen.
Das hat Frederic Werner früh im Leben entdeckt. Der Schweriner ist in der politischen Bildung tätig, leistet Aufklärungsarbeit. Und noch dazu hat er mit Kumpanen ein Laufevent entwickelt, was es vorher so nicht gab: den Schweriner Seentrail.
Die Route begeistert nicht nur mit ausufernden Seeblick-Passagen und ganz viel Wald: Das Event ist auch dazu da, um andere Verantstalter*innen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Frederic selbst ist die Verantwortung von Organisator*innen in Tschechien bewusst geworden. Beim Prag-Marathon schaute er einmal hinter die Messehalle und traf auf eine Müllhalde. Der Verpackungsmüll der durch sogenannte Goodie-Bags und Laufshirts entstanden war, stapelte sich zu einer kleinen Hügellandschaft auf. Für Frederic ein Frevel.
Im #BeatYesterday-Interview gewährt er einen Blick hinter die Kulissen des Schweriner Seentrails. Außerdem berichten vier andere Veranstalter*innen von ihren Initiativen für mehr Nachhaltigkeit.
#BeatYesterday.org: Frederic, der Schweriner Seen-Trail fand 2017 erstmals statt und ist damit noch ein „Newcomer“. Wie fing alles an?
Frederic Werner: Ursprünglich war das Ganze eher als Privatvergnügen gedacht, weniger als offizieller Wettkampf. Ich wollte mich auf den Rennsteiglauf vorbereiten und hatte zuvor mit meinem Trainingspartner Streckenteile um den Schweriner See ausgetestet. Kurzerhand meldeten wir den Lauf über die die Deutsche Ultramarathon-Vereinigung (DUV) an. Und dann kamen tatsächlich ein paar Leute. Insgesamt waren wir zu neunt.
#BeatYesterday.org: Neun Läufer*innen sind ja sehr überschaubar. Wie ging es weiter?
Frederic: Im zweiten Jahr waren wir schon 120, im dritten Jahr 250. Jetzt beim vierten Mal haben 350 Läufer*innen teilgenommen. Die Zahl der Teilnehmenden haben wir mittlerweile limitiert. Wir wollen sehr genau schauen, wie belastbar das Areal ist und wie viele Menschen so eine Strecke verträgt.
#BeatYesterday.org: War der Lauf von Anfang an auf Nachhaltigkeit ausgelegt?
Frederic: Uns war klar, dass wir die Natur nicht mit unserem Freizeitvergnügen belasten wollen. Das Ziel, einen nachhaltigen Lauf zu veranstalten, haben wir uns im zweiten Jahr gesetzt. Es gibt immer noch viele Läufer, die Natur wollen und dafür nach Lanzarote fliegen. Diesen Widerspruch wollten wir mit dem Schweriner Seen-Trail auflösen.
#BeatYesterday.org: Wie wird das Konzept von den Teilnehmenden wahrgenommen?
Frederic: Besonders am Anfang gab es auch viel Feedback, kamen Vorschläge und Ideen zu nachhaltigen Maßnahmen rein. Wir wollen aber nicht vordergründig viele Teilnehmer*innen akquirieren, sondern eher eine Vorbildfunktion in der Szene einnehmen. Wenn die Läufer*innen bei uns sehen, was alles möglich ist, nehmen sie diese Eindrücke mit nach Hause und geben sie dort hoffentlich weiter.
#BeatYesterday.org: Wie stark erhöhen sich die Kosten für die Ausrichtung eines nachhaltigen Laufs?
Frederic: Sie kostet nicht per se mehr, aber erfordert erhebliche Zusatzaufwände in der Vorbereitung und Recherche: Welche alternativen Produkte gibt es und wo kommen sie her? Sind die Lieferketten durchweg nachvollziehbar? Wo müssen wir selber kreativ werden? Das Porzellangeschirr, das wir leihen und abwaschen müssen, kostet im Vergleich zur Einwegvariante aus Plastik allerdings das Zehnfache. Auch ein T-Shirt, das aus Bio-Baumwolle hergestellt und fair gehandelt wurde, liegt im Einkaufspreis bei etwa 15 Euro. Konventionelle T-Shirts – drastisch ausgedrückt „von Kindern für Kinder“ – gibt es ab drei, vier Euro.
#BeatYesterday.org: Was hat sich bei der Umsetzung als besonders schwierig herausgestellt?
Vieles dreht sich darum, wie wir Abfall und insbesondere Plastikmüll vermeiden. Beim Thema Verpflegungsstationen stecken wir jedes Jahr viel Gehirnschmalz rein: Der faltbare, transportable Becher, den die Sportler gegen Pfand für die Dauer des Laufs leihen können, ist toll. Aber ob das auf lange Sicht wirklich das Non-Plus-Ultra ist, wissen wir noch nicht. Wir hatten auch überlegt, auflösende Stärkekugeln mit Wasser anzubieten. Aber unsere Selbstversuche haben gezeigt, dass das für 500 Läufer nicht herzustellen ist. Als Option wäre nur ein Import aus dem Produktionsland England geblieben, das war keine Alternative. Und dann kommen bei genauerem Hinsehen manche Sponsoren eigentlich nicht mehr infrage, weil sie in bestimmten Produktionsbereichen bislang nicht wirklich nachhaltig agieren. Da steckt man in einer Zwickmühle und muss sich eingestehen, dass man – noch – nicht alles haben kann.
#BeatYesterday.org: Warum tun sich deiner Meinung nach so viele Veranstalter noch schwer damit, ihre Events nachhaltiger zu gestalten?
Frederic: Der ursächliche Grund ist oftmals schlicht die Gewohnheit. Besonders bei etablierten Sportveranstaltungen höre ich: „Das haben wir aber schon immer so gemacht“. Viele Veranstalter*innen, die eher im Kleinen agieren, sind einfach froh, wenn die bewährten Abläufe möglichst reibungslos funktionieren. Deshalb dauert es selbst bei minimalen Änderungsvorschlägen häufig mehrere Jahre, bis sie diese tatsächlich umsetzen.
Das Streben nach mehr Nachhaltigkeit im Breitensport ist nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern ein Thema. Überall in Deutschland, Österreich und der Schweiz suchen Veranstalter*innen nach langfristigen und besseren Lösungen. Für den Blick über den Tellerrand befragte die #BeatYesterday.org-Redaktion die Verantwortlichen von vier weiteren Events. Das sind ihre Statements.
Andreas Maier, Pressesprecher Vienna City Marathon
„Der Vienna City Marathon ist nicht nur ein Stadtlauf, sondern auch eine Plattform für Charity-Organisationen. Wir veranstalten außerhalb der Rennen Laufinitiativen für Kinder, führen kostenlose Trainings mit Hobbysportler*innen durch und fördern damit die Begeisterung am gesundheitsorientierten Laufen.
Während der Veranstaltung achten wir darauf, dass der ökologische Fußabdruck so niedrig wie möglich bleibt. Dafür stellen wir das Event-T-Shirt aus verschiedenen recycelten Materialien her und sind mit Elektroautos unterwegs.
Die Getränke an den Versorgungsstationen füllen wir in ökologisch abbaubare Becher. Im Zielbereich dürfen die Gastronom*innen kein Einweggeschirr und keine Wegwerfbehältnisse einsetzen. Am Wettkampftag haben wir in Wien – auf das Jahr betrachtet – die beste Luftqualität. Die Stadt sperrt an diesem Tagen den privaten Pkw-Verkehr weitgehend aus und sorgt dafür, dass Menschen auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen.“
Beatrice Born, Geschäftsführerin Grand Prix Bern
„Der Nachhaltigkeitsbericht ist uns nach jeder Veranstaltung sehr wichtig. Wir würden gerne mehr in diesem Bereich machen, müssen aber auch auf die Wirtschaftlichkeit achten. Seit sechs Jahren arbeiten wir mit einer auf nachhaltige Events spezialisierten Firma zusammen, die uns bei der Organisation berät.
Wir beschaffen möglichst viele Produkte regional. Außerdem gibt es für alle Teilnehmenden ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Das kostet uns jedes Mal eine erhebliche Summe, entzerrt aber die Staue in der Stadt und macht die Anreise deutlich ökologischer.
Zudem haben wir einen bewachten Veloparkplatz. Wir wollen immer mehr Leute dazu animieren, mit dem Rad und nicht mit motorisierten Fahrzeugen zur Veranstaltung zu kommen. Was wir feststellen: Den Profisportler*innen ist es eher egal, wie sie anreisen. Amateur*innen sind in puncto Nachhaltigkeit besser erreichbar. Und dieses Bewusstsein wollen wir bei ihnen mit jeder Aktion stärker schärfen.“
Heiko Wörrlein, Media Manager Triathlon Challenge Roth
„Die Geschichte des Triathlons in Roth reicht bis in das Jahr 1984 zurück. Zu dieser Zeit war das ökologische Bewusstsein in der Gesellschaft noch nicht so ausgeprägt wie heute. Doch schon damals setzten die Verantwortlichen Startbeutel aus Jute ein. Außerdem arbeiteten sie mit vielen regionalen und lokalen Partnern zusammen. Es war Pionierarbeit.
Heute schließen wir uns dem Motto unseres Event-Partners für Nachhaltigkeit an. Es geht um eine sichere, wirtschaftliche und ökologische Energieversorgung, denn es gibt keinen zweiten Planeten, auf den wir ausweichen könnten: „There’s no planet B“.
Wir denken groß. Arbeiten aber auch an den Details. Trinkflaschen für das Rennrad bestehen aus Zuckerrohr-basierten Materialien. Wir verzichten bei den Finisher*innen- und Helfer*innen-Shirts auf 90 Prozent der Verpackungen. Übrig gebliebene Kleidung spenden wir an Hilfsprojekte zugunsten bedürftiger Kinder in Ruanda und Simbabwe. Der Versand unserer Merchandise-Kollektion erfolgt klimaneutral. Es liefen bereits einige Nachhaltigkeitsstudien an Unis über uns. Wir unterstützen diese Forschungen gerne mit neuen Projekten und Ideen.“
Monika Fiedler-Proksch, Pressesprecherin Women’s Cycling Camp im Allgäu
„Die Anmeldung zum Event findet bei uns komplett digital statt. Nur vereinzelt setzen wir Flyer ein, um die Veranstaltung zu bewerben. Die Broschüren drucken wir auf Umweltpapier. Wir bieten für die Anreise Fahrgemeinschaften an. Diejenigen, die mit der Bahn kommen, holen wir vom Bahnhof ab.
Die Teilnehmerinnen erhalten hochwertige Goodie-Bags. Unsere Partner animieren wir dazu, nachhaltige Produkte zu produzieren. Wir vermeiden bei diesen Werbemitteln Plastik und unnötige Druckerzeugnisse. Insgesamt spüren wir eine sehr positive Resonanz der Teilnehmerinnen, denn vielen von ihnen ist das Thema Nachhaltigkeit extrem wichtig. Sie wollen, dass wir ökologisch und „Made in Europe” produzieren. Radfahrer*innen sind beim Thema Umwelt ohnehin sensibilisiert. Sie nehmen im Vergleich zu Autofahrenden die Natur direkter wahr.“
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