Body & Soul

Herbstblues ade: Wie du das Beste aus der Jahreszeit machst

Der Herbst kann dir das Gemüt verregnen. Aber Zusammenkauern ist keine Option. Wie du im Herbst Energie für das neue Jahr tankst – und warum Friluftsliv eine gute Idee ist.

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„Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.“

Derart drastisch beschrieb schon Rainer Maria Rilke den aufkommenden Herbst in seinem Gedicht „Herbsttag“. Er ist nicht der Einzige. Der prunkvoll umschriebenen goldenen Jahreszeit haftet in der Literatur ein düsterer Ruf an. Mal ist sie ein Schleier der Melancholie, mal die Zeit des Wehmuts. Poetische Umschreibungen, die auch die Wissenschaft bestätigt: Im Herbst steigt das Risiko für psychische Erkrankungen.

Aber muss der Herbstblues sein? Wie wäre es stattdessen, wenn du Energie tankst – du Dunkelheit und Schwermut gar nicht erst in deinen Alltag lässt? Zugegeben: Das ist leichter gesagt als getan. Aber es kann gelingen. Wie du den Herbst zu deiner Krafttankstelle machst, verrät dir dieser Beitrag.

Mies drauf im Herbst – warum ist das so?

Lass dich vom melodischen Klang nicht täuschen. Der Herbstblues ist alles andere als unterhaltsam. Er befällt dich und injiziert Antriebslosigkeit, Nervosität oder Müdigkeit. Noch dazu reduziert er deine Energie. Wie stark das ausfällt, ist individuell verschieden. Aber: Der Herbstblues kann alle erwischen.

Denn die saisonale Stimmungsschwankung entsteht durch äußere Einflüsse. Besonders das fehlende Tageslicht lässt dich schnell missmutig werden. Forschende vermuten, dass das an einer erhöhten Melatoninproduktion liegt. Dieses Hormon wird normalerweise durch Sonnenlicht unterdrückt und steigt erst abends an. Zeigt sich die Sonne im Herbst kaum, strömt das Schlafhormon vermehrt durch den Körper.

Gleichzeitig sinkt die Serotoninaktivität. Die Quelle deiner Stimmung und Motivation versiegt beinahe. Auch bildest du deutlich weniger Vitamin D. Das verstärkt die trübe Stimmung noch.

Ganz wichtig: Schlechte Laune im Herbst ist kein persönliches Versagen. Gegen die körperlichen Prozesse kannst du kaum etwas tun.

Auftanken statt ausharren – ein Perspektivwechsel

Wagen wir einen Ausflug in die menschliche Psyche. Denn neben den körperlichen Prozessen kann auch dein Kopf ein Einfallstor für die Melancholie des Herbstes sein. Besonders, wenn du das Stimmungstief der dunklen Jahreszeit bereits erwartest.

Expertinnen und Experten haben verschiedenste Bezeichnungen dafür – Self-fulfilling Prophecy, Nocebo-Effekt oder erwartungsinduzierte Emotionen. Sie alle bringen dieselbe Erkenntnis auf den Punkt: Wenn du negative Effekte bereits antizipierst, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie tatsächlich eintreten.

Ganz anders ist das bei der kognitiven Umstrukturierung. Eine Methode aus der Verhaltenstherapie. Dabei ersetzt du negative Denkmuster, wie beispielsweise „im Herbst fühle ich mich immer niedergeschlagen“, durch konstruktivere Gedanken. Bei schwerwiegenden Ausprägungen braucht es dafür natürlich Spezialistinnen oder Spezialisten. In leichteren Fällen kannst du die Methode aber auch selbst anwenden.

„Sie ist eine Art Selbstcoaching, bei dem ungünstige Gedanken und belastende Situationen kritisch hinterfragt werden und andere, weniger stressende Arten des Denkens überprüft und angewandt werden.“

Agnes Schiedt, Expertin für Stress- und Gesundheitsmanagement

Ein Beispiel: Betrachte den Herbst nicht als düstere Phase des Jahres. Klar, lange Grillabende mit Freunden fallen weg. Draußen stürmt und regnet es und das Thermometer kratzt kaum an 10 Grad Celsius. Ändern kannst du das aber eh nicht. Die Devise der dunklen Jahreszeit: Akzeptieren statt rebellieren! Der Herbst liefert dir perfekte Gründe für erholsame Stunden im warmen Domizil.

Füße in warmen Wollsocken auf einem flauschigen Teppich.
© fotostorm / E+ / Getty Images

Wie du den Herbst für dich nutzt

Auszeiten in der Natur

Der Herbst mag düster wirken. Häufig überzieht ein dicker Wolkenschleier den Himmel. Sonnenlicht dringt nur selten hindurch. Auf der Couch solltest du dennoch nicht verharren. Das verstärkt Müdigkeit und Antriebslosigkeit nur.

Auszeiten in der herbstlichen Natur vereinen hingegen gleich mehrere Vorteile. Die Bewegung regt deine Serotoninproduktion an und dein Körper bildet Vitamin D. Ein Boost für deine Stimmung und Energie. So vermeidest du die Lethargie des Herbstes und die Überwindung zum aktiven Jahresstart. Dabei zählt jede Stunde, wie ein Forschungsteam der Universität in Melbourne zeigte.

Sportliche Aktivität

Die dunkle Jahreszeit muss dir nicht die Motivation rauben. Tu was bewusst dagegen – sonst gerätst du in die winterliche Abwärtsspirale. Je kälter und dunkler es wird, desto schwerer fällt es, am Ball zu bleiben. Deshalb ist der Herbst genau der richtige Moment, um deine Bewegung bewusst zu stabilisieren oder neue Routinen aufzubauen.

Du musst keine Ultra-Distanzen laufen. Schon leichte Bewegung verhindert, dass dein Energielevel weiter sinkt. So kannst du hormonelle Anpassungen deines Körpers abfangen. Netter Nebeneffekt: Mit seichter Aktivität wie Yoga, Slow Jogging oder Schwimmen stärkst du dein Immunsystem. Für einen erkältungsfreien Herbst.

Routinen und Rituale

Eigentlich wolltest du jeden Tag Atemübungen machen und mindestens 30 Seiten lesen. Durch lange Sommerabende mit Freundinnen und Freunden fiel das oft aus. Der Herbst schenkt dir mehr Zeit für dich. Gehe an, was du sonst immer aufschiebst. Lies endlich den dicken Schmöker, der auf deinem Nachttisch schon eine Patina ansetzt. Das beruhigt dein Nervensystem und du entfliehst der Reizüberflutung von sozialen Netzwerken.

Noch dazu kannst du effektiv Stress reduzieren, wie eine Studie der Universität in Quebec belegt. Regelmäßige Abendrituale unterstützen einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieser kann besonders im Herbst schnell aus dem Takt geraten. Rituale signalisieren deinem Körper Ruhe. Und lastet doch Schwere auf deinem Gemüt, löst du dich mit Journaling von stressigen Gedanken.

Tipp: Visualisiere schon jetzt, was du im neuen Jahr angehen willst. Das stärkt deine Motivation in der ungemütlichen Jahreszeit.

Eine Person sitzt auf einer Decke und liest ein Buch zwischen herbstlichem Laub.
© Alina Rosanova / iStock / Getty Images Plus

Schlaf und Ernährung

Schon um 18 Uhr müde? Das ist im Herbst normal, denn deinem Biorhythmus fehlt das Tageslicht. Nachgeben solltest du der Müdigkeit nicht. Behalte unbedingt feste Schlafenszeiten bei, damit dein Schlaf-Wach-Rhythmus stabil bleibt. So vermeidest du, dass du mitten in der Nacht aufwachst und tagsüber müde durchhängst.

Auch die Ernährung kann dich unterstützen. Suppen und Eintöpfe wärmen von innen. Und mit den richtigen Zutaten verhinderst du schrumpfende Energiereserven. Besonders Kürbis, rote Bete oder Kohl liefern wertvolle Nährstoffe fürs Immunsystem und helfen dir beim Auftanken. Zu besserer Stimmung verhelfen dir Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Ganz wichtig ist außerdem, dass du komplexe Kohlenhydrate konsumierst. Sonst schwankt dein Blutzucker.

Aber Vorsicht: Widerstehe dem Heißhunger auf Süßes oder Fettiges. Das lässt deine Energiekurve stolpern.

Was du aus Skandinavien lernen kannst

Hyggelig durch den Winter

Der Herbst in der DACH-Region zeigt sich oft noch gnädig. In manchen skandinavischen Regionen ist es zu dieser Jahreszeit nur wenige Stunden hell. Der Dunkelheit entkommst du nicht, aber du kannst sie dir angenehmer machen. Warmes und indirektes Licht vermittelt Geborgenheit und schenkt dem Nervensystem eine Erholungspause. Noch wichtiger: Es unterstützt einen stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus.

Zwei Finger halten ein Streichholz und zünden damit ein Teelicht an.
© Bohdan Bevz / iStock / Getty Images Plus

Den Herbst zelebrieren

In Skandinavien würden sie Rilke wohl widersprechen. Dort ist im Herbst selten jemand allein. Stattdessen feiern sie die Jahreszeit mit Freundinnen und Freunden. Dunkelheit und Kälte sind Anlass für Nähe und kleine Freuden. Das wertet die dunklen Monate emotional auf. Zudem zeigte eine Studie der FOM Hochschule in Essen, dass Achtsamkeit Stress und depressive Verstimmungen reduziert.

Raus gehen ist Pflicht

Natürlich ist es kein Gesetz, aber in Skandinavien gehört es zur Kultur: Man geht raus. Und zwar bei jedem Wetter. Das ist tief in der Lebensweise verankert. In Norwegen nennt man das Friluftsliv – das Leben in der freien Natur.

Doch es ist mehr als nur ein Begriff. Es ist eine Haltung, ein Lebensstil. Eine Art, mit sich selbst, mit der Natur und mit den Jahreszeiten im Einklang zu sein. Ob beim Spaziergang, beim Radfahren oder auf Skiern: Entscheidend ist nicht die Aktivität, sondern das Draußensein an sich. Manche Unternehmen fördern diese Haltung sogar im Berufsalltag. Denn jede Minute bei Tageslicht zählt.

Studien belegen, dass Zeit in der Natur Stress reduziert und das subjektive Wohlbefinden stärkt. Durch mehr Ruhe, Erholung und mentale Klarheit. Norwegen rangiert im World Happiness Report regelmäßig unter den glücklichsten Ländern der Welt. Vielleicht liegt ein Teil ihres Geheimnisses darin, Dunkelheit nicht als Last zu sehen, sondern als Raum voller Möglichkeiten.

Fazit: Lebe mit statt gegen den Herbst

Der Herbst ist kein Gegner, den du bekämpfen musst. Er ist stiller Verbündeter des inneren Wachstums. Während die Natur entschleunigt, darfst du das auch tun. Löse dich von Stress und Druck, wie Bäume von ihren braunen Blättern.

Mit ausreichend Licht, sozialer Nähe und kleinen Ritualen erwächst der Herbst zu deiner Kraftquelle für das neue Jahr. Und selbst Rilke fand versöhnliche Worte. Ein Teil des Reims fehlt dir nämlich noch.

„Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben.“

Reiner Maria Rilke, Herbsttag – 1902
Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
  1. https://www.bbc.com/culture/article/20201030-the-scandinavian-way-to-tackle-winter
  2. https://www.bbc.co.uk/worklife/article/20171211-friluftsliv-the-nordic-concept-of-getting-outdoors
  3. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32150516/
  4. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34488088/
  5. https://forschung.fom.de/fileadmin/fom/forschung/arbeitspapiere/Arbeitspapiere-der-FOM/FOM-Forschung-Arbeitspapier-82-Lefrank-Graef-Einfluss-von-Achtsamkeit-2021-eBook.pdf
  6. https://klinikum-schloss-luetgenhof.de/blog/winterdepression
  7. https://www.diepta.de/news/raus-aus-dem-winterschlaf
  8. https://www.verso-premium-resort.de/training-im-herbst/
  9. https://hoteljaliscojesolo.it/de/blog-de/regeneration-im-herbst-tipps-wie-man-auch-zu-hause-langsam-lebt/
  10. https://www.uni-passau.de/zkk/aktuelles/nachgefragt-berichte/interview-mit-agnes-schiedt
  11. https://www.rnd.de/gesundheit/kraft-tanken-fuer-den-herbst-4A6RRPOCCZBFTB34K4JEGW3OOA.html
  12. https://www.suedostschweiz.ch/graubuenden/22-september-der-herbst-beginnt-von-wegen-herbstblues-so-tankt-ihr-kraft-in-der-kalten-jahreszeit
  13. https://www.institut-betriebliches-gesundheitsmanagement.de/im-herbst-entspannen-und-wohlfuehlen/
  14. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S014019711600049X

Über diesen Artikel

Kevin Berg © Redaktion

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Kevin Berg

Kevin Berg ist seit 2019 #BeatYesterday-Redakteur mit vielen Interessen. Als Journalist wurde Kevin an einer …

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