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Fleischfreies Fest

Bockwurst. Ente. Karpfen. In Mitteleuropa wird es zwischen Weihnachten und Neujahr tierisch deftig. Doch unserem #BeatYesterday-Autor, bekennender Fleischfan, wird es langsam zu viel. Wo finden sich Alternativen?

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Das mit dem Fleischessen ist eine leidenschaftliche Angelegenheit. Besonders in meiner Familie. Mein Opa, ein gutherziger, humorvoller Mann, mit dem Talent gesegnet, sein Taschenmesser auf dem Dach seines Ladas zu vergessen, war Jäger mit allem Drum-und-dran. Meine Mutter hat, sagen wir es mal so, beruflich mit Fleisch zu tun.

Mein Lieblingsessen ist Hackbraten. Die Familie bekommt ihn, wenn er mütterlich zubereitet wird, in vier Variationen serviert. Klassisch. Mit Champignons. Mit Paprika. Mit Schafskäse.

Erinnere ich mich an meine Kindheit, gab es wenige vegetarische Gerichte, die es als sogenanntes „Armeleuteessen” gelegentlich auf den Speiseplan schafften: Senfei. Spinat mit Rührei. Eierkuchen. Und Gemüseauflauf. Wobei: Auch in dem schwammen sautierte Speckwürfel.

Besonders zu Weihnachten ergab sich der gesamte Clan der Völlerei. Ich möchte lieber nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Selbst zum Dessert tranchierte Opa Wildschinken.

Fleischessen ist ein Statussymbol

Der Fleischverzehr besitzt auf dem Dorf noch immer eine soziologische Dimension. Essen ist ein Statussymbol. Keine G-Klasse vor der Tür, dafür ein stattliches Buffet im Partypavillon. Die Qualität von aufgebahrten Speisen wird nicht nur nach Geschmack beurteilt, sondern danach, wie viel Reste am Ende übrig bleiben. „Sieh mal, Werner, das hat doch mehr als gereicht”, pflegte Oma stolz zu sagen.

Bockwurst. Ente. Karpfen. Das ist die feierliche Litanei in vielen mitteleuropäischen Esszimmern. Ich kenne Menschen, die den Döner stets veggie essen, sogar nachts um drei nach volltrunkenen Plüschgewittern in der Diskothek, zu Weihnachten aber nicht auf die traditionelle „Bocker” mit Kartoffelsalat verzichten mögen. Auch ich wollte meinen Serviettenlatz schon streifenfrei bügeln. Doch dann goren die Zweifel. Ist das, was wir tun, ähm essen, noch zeitgemäß?

Gedeckter Tisch an Thanksgiving in Amerika mit Truthahn
An Thanksgiving leben Truthähne in Nordamerika gefährlich. © iStock / Getty Images Plus / AlexRaths

Für Thanksgiving erwischt es 46 Millionen Truthähne

Meine aufkeimenden Zweifel rühren aus verschiedenen Einflüssen in den vergangenen Monaten und Jahren. Erst kürzlich habe ich während einer Sportübertragung einen aktuellen Bericht über die amerikanische Kulinarik an Thanksgiving gesehen. Allein an diesem Tag werden in Nordamerika 46 Millionen Truthähne verspeist. Für die Relation: Spanien zählt etwas mehr als 47 Millionen Einwohner.

Im Nachgang des Berichts suchte ich nach vergleichbaren Zahlen für Deutschland. Diese sind nicht so gravierend, machen aber kaum minder nachdenklich: Zwischen dem Martinstag am 11. November und dem zweiten Weihnachtstag landen 5,3 Millionen Gänse in deutschen Ofenröhren. Enten noch nicht mitgezählt.

Heilige Kuh

Apropos Truthahn. Als Student las ich den Roman „Heilige Kuh” von Schauspiel-Ikone David Duchovny. Die Geschichte handelt von einer Kuh, die nach Indien auswandern will und die Heiligsprechung anstrebt. Einem Schwein, das nach Israel schielt, weil Klauentiere dort aus religiösen Gründen auf dem Teller gemieden werden. Und einem magersüchtigen Truthahn, der aus nahe liegenden Motiven in die Türkei (Englisch: Turkey) emigrieren möchte.

Ein sehr leichtes und zugleich schwermütiges Werk, das unbequeme Gedanken anschubst. Duchovny, aka Fox Mulder und Hank Moody, lebt übrigens seit Jahren fleischfrei.

Am Schlafittchen meiner Doppelmoral

Am einprägsamsten: Neulich wurde ich in einer Studentenkaschemme am Schlafittchen meiner Doppelmoral gepackt. Denn ich, bislang argumentierend, dass der Fleischverzehr nun mal zur Geschichte des Menschen gehöre, wurde gefragt, ob ich das Getier, dass ich zu essen gedenke, selber „abmurksen” könnte. So wie es eben unsere Vorfahren immer taten.

Könnte ich nicht. Wenn es Ente, Kaninchen und Co. auf dem Hof meiner Eltern „an den Kragen ging”, konnte ich nicht zusehen. Geschweige denn zuhören. Ertappt. Essen ist einfach. Das Ignorieren auch. Sich mit dem Tierleid respektvoll auseinandersetzen hingegen nicht.

Besonders der dritte Punkt hat Zweifel am weihnachtlichen Wohlbehagen zwischen Rotkohl und Knödeln genährt. Wird es Zeit, sich mit Alternativen zu beschäftigen? Würde ich zu Hause diese Frage stellen, drohen mir zwar noch nicht Missgunst und Enterbung, aber folgende Antworten:

„Wir haben auch Wild in der Gefriertruhe.“

„Wenn es so warm ist, wie im vergangenen Jahr, könnten wir den Grill anheizen.“

„Kalb oder Lamm wären doch auch eine Idee.“

Bei mir auf dem Dorf, was sage ich, in der Region, im Land, wird das nichts mit fleischfreien Weihnachten.

Gibt es irgendwo in der Welt wirkliche Alternativen für das Weihnachtsmahl? Ich habe mich – auch aus Fernweh – mit der weihnachtlichen Kulinarik in Kolumbien, Ghana und Russland beschäftigt.

 Empanadas fritas aus Kolumbien
Knusprig, würzig und auch veggie total gut: Empanadas fritas aus Südamerika. © iStock / Getty Images Plus / bhofack2

Die Vorspeise: Empanadas fritas aus Kolumbien

In Kolumbien gibt es noch „schneeweiße Weihnachten“. Was so absonderlich wie schön klingt, ist für das Land und seine Bevölkerung dramatisch: Noch immer gilt der Norden Südamerikas als Hochburg des cocaínas.

Das Weihnachtsfest ist bei den Kolumbianer*innen trotz der hohen Temperaturen und der ganzjährigen Drogenproblematik sehr beliebt. Das Land ist katholisch geprägt, den Weihnachtsmann gibt es nicht. Stattdessen bringt das Jesuskind den Sprösslingen die Geschenke. Die kolumbianische Großstadt Medellín gilt überdies als eine der Welthauptstädte der Weihnachtsbeleuchtung.

Kulinarisch sind neben diversen Süßspeisen besonders Empanadas fritas am Weihnachtsfest beliebt. Die südamerikanische Variante von Wan Tans setzt auf ein Rezept, das weltweit funktioniert: frittierter Teig mit einer verborgenen Überraschung.

Die sogenannte Farce, die Füllung, wird für die vegetarischen Empanadas fritas aus Mais, Kichererbsen und grünen Erbsen hergestellt. Chili, Knoblauch und Zwiebeln pimpen das proteinreiche Innenleben. Zu den Empanadas fritas reichen die Menschen in Kolumbien zum Stippen eine süß-scharfe Tunke mit Paprikastücken. Oft werden die ersten Empanadas fritas am Weihnachtstag bereits zum Kaffee serviert.

Jollof Reis
Heißer Reis: In Westafrika gibt es stark gewürzten Reis zum Abendessen. © iStock / Getty Images Plus / Photograph by Gerard Nartey (@photogerard)

Der Hauptgang: Fufu und Jollof Reis

In Ghana dampfen zu Weihnachten die Nationalgerichte Fufu und Jollof Reis auf den Esstischen. Die westafrikanischen Speisen machen besonders Kinder schon weit vor dem Essen glücklich. Denn bei der Zubereitung wird ordentlich rumgematscht – und später auch ohne Besteck diniert.

Warum überhaupt Ghana? Das westafrikanische Land ist überwiegend christlich geprägt. Etwa 70 Prozent der Einwohner*innen feiern Weihnachten. Dementsprechend wird zum Fest gesellig gekocht.

Eines der beliebtesten Gerichte klingt ein bisschen nach Salamisnack aus der Knisterverpackung: Fufu. Das ist ein veganer Brei, der aus zwei Dritteln Maniok (oder Yams oder Süßkartoffeln) und zu einem Drittel aus Kochbananen besteht. In einem Mörser werden die Hauptzutaten gestampft und vermengt.

Diese klebrige, dafür geschmacksintensive Masse wird – typisch weihnachtlich – zu Klößen geformt. Beim Dinieren lösen die Speisenden mit ihren Fingern kleine Stückchen aus dem Klumpen. In der rechten Hand formen sie diese rasch zu kaubaren Bällchen, die sie vor dem Verzehr in Chili- oder Erdnusssoße tunken.

Jollof Reis, eine häufige Beilage, ist ein süßlich-pikantes Reisgericht. Neben Reis, Tomatenmark sowie reichlich Chili verarbeiten afrikanische Köch*innen frische Tomaten, Möhren, Zwiebeln und Koriander.

Schoko-Vodka-Kuchen aus Russland
Russischer Schokokuchen hat manchmal eine sehr traditionelle Note. © iStock / Getty Images Plus / izhairguns

Der Nachtisch: Wodka-Schoko-Kuchen aus Russland

Lange galt das beliebte wie wenig schmeichelhafte Klischee des wodkasaufenden Russen. Doch das ist längst überholt, wie spätestens eine Studie der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2017 verdeutlichte: Was den Alkoholkonsum pro Kopf angeht, ist Deutschland mittlerweile an Russland vorbeigezogen.

Diese Entwicklung ist beachtlich. Noch in den 90ern grassierte in der ehemaligen Sowjetunion eine Suffepidemie. Hunderttausende tranken den Schnaps beinahe kanisterweise und starben an den den Folgen ihrer Sucht. Der Jahreskonsum bei Männern lag damals bei 34 Liter reinem Alkohol. Das sind umgerechnet rund 340 Flaschen Wodka, wie der Tagesspiegel schreibt. Im Jahr 2017 lag der Verbrauch dagegen nur noch bei 11,7 Litern (Deutschland: 13,4). Kein Weihnachtswunder ist dafür verantwortlich, sondern sukzessive Preiserhöhungen für Spirituosen.

Es wird also in Russland dosierter getrunken und gekocht. Wodka ist – ähnlich wie in Mitteleuropa Rot- und Weißweine – eine beliebte Ablöschhilfe bei vielen Gerichten. Auch wird der Schnaps beim Backen eingesetzt.

Ein beliebtes weihnachtliches Gebäck ist der russische Wodka-Schokoladen-Kuchen. Masse und später die Zuckerglasur werden mit geringen Mengen Wodka versetzt. Dadurch, dass Ethanol bei 78 Grad Celsius verdampft, der Kuchen aber bei etwa 190 Grad Celsius mindestens 40 Minuten im Ofen verbringt, verflüchtigt sich der Alkohol aus der Backware. Was jedoch bleibt: ein russisches Weihnachtsaroma am Gaumen – und damit eine Erinnerung an die ersten weihnachtlichen Absacker mit den Großeltern.

Und jetzt?

Probiere ich das Weihnachtsessen am 23. Dezember mit der Familie aus. Empanadas Fritas und veganen Schokokuchen, statt Wodka werde ich aber einen Kräuterlikör aus meiner speziellen Zapfmaschine verwenden. Irgendwann muss ich die sogenannte Shot Machine ja ausprobieren. Zwinkersmiley.

Noch ist Weihnachten für fleischfreie Experimente tabu. Doch wie sagte Opa, ehe er mit achtzig skeptisch in seinen ersten Döner biss: Probieren geht über Studieren. Der Weg zu einem kulinarischen Wandel gelingt am besten über Begeisterung. Wohl bekommts!

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