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Nino Schurter im Interview: Was ist das Geheimnis des Mountainbike-Goat?

Olympia-Medaillen, Weltmeisterschaften, Weltcup-Siege: Nino Schurter ist einer der erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten. Das Erfolgsrezept des Schweizers? Vielleicht seine Abneigungen gegen Abkürzungen.

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Nino Schurter ist ein Ausnahmeathlet. Schon als Nachwuchsfahrer gewann Nino sämtliche Titel, die es zu gewinnen gab. Als 23-Jähriger holte er sich – als jüngster Mountainbiker der Geschichte – erstmals den Weltmeistertitel.

Inzwischen ist Nino zehnfacher Weltmeister, hat bei den Olympischen Spielen den kompletten Medaillensatz geholt und 35 Weltcup-Siege eingefahren.

Doch wie konnte ein Junge aus einem kleinen Bergdorf in der Schweiz der erfolgreichste Mountainbiker aller Zeiten werden? Und was können sich andere Sportlerinnen und Sportler von ihm abschauen? Das ausführliche Interview von Kai Tutschke (Geschäftsführer Garmin DACH) und Nino Schurter offenbart die Erfolgsgeheimnisse eines Weltsportlers.

Nino Schurter beim Interview mit Kai Tutschke
© Garmin

Kai Tutschke: Nino, du bist der erfolgreichste Mountainbiker aller Zeiten. Aber wie hat diese Erfolgsgeschichte überhaupt begonnen? Wie hast du die Liebe zum Rad und zum Mountainbike entwickelt?

Nino Schurter: Ich komme aus einem kleinen Bergdorf (nur etwa 50 Menschen leben dort), in dem man draußen aufwächst. Mein Bruder und ich waren immer in der Natur unterwegs und das irgendwann auch auf dem Rad. Wir haben uns gerne durchs Dorf gejagt und uns gemessen. Gerade in der Natur ist das Rad das perfekte Fortbewegungsmittel. Man kommt an Orte, die man sonst nur zu Fuß und dadurch viel langsamer erreicht. Bergab gibt es ordentlich Action. Wir sind dann ziemlich schnell Nachwuchsrennen gefahren und haben direkt gewonnen. Diese Erfolge waren sehr motivierend.

Kai: Seitdem du Mountainbike fährst, gewinnst du fast jedes Jahr neue Titel. Wie hältst du deine Motivation nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Training aufrecht?

Nino: Das Wichtigste ist, dass ich immer noch Spaß an meinem Sport habe. Mir gefällt der Lifestyle als Mountainbiker und als Spitzensportler. Auf ein Ziel hinzuarbeiten, sich zu fokussieren – das reizt mich jeden Tag. Zudem mag ich den Wettkampf, ich bin ein kompetitiver Mensch. Dass ich der Älteste im Feld bin, treibt mich noch zusätzlich an. Von der körperlichen Anstrengung über den Erfolg bis hin zum „Drumherum“ – ich liebe meinen Beruf.

Kai: Das „Drumherum“ ist häufig ein ganz schönes Spektakel. Damit können nicht alle Sportlerinnen und Sportler umgehen.

Nino: Bei einem Rennen wie in der Lenzerheide, wenn so viele Fans da sind und sehen wollen, wer gewinnt, ist das der Wahnsinn. Ich mag diese Bühne, dieses Rampenlicht in dem Moment.

Kai: 25.000 Menschen wollen in diesem Moment auch wissen, ob Nino es wieder schaffen kann. Durch den Gewinn deiner ganzen Titel hast du eine Erwartungshaltung geschaffen. Bei dir selbst, aber auch bei den Fans. Was macht das mit dir?

Nino: Ich mag diesen positiven Druck und brauche ihn auch. Ich bin immer am besten, wenn ich ihn spüre. Für mich ist es auch ein Privileg, das der Druck überhaupt da ist. Die Situation drückt ja aus, dass sich die Menschen etwas von mir erhoffen, dass ich zeigen darf, was ich kann.

Kai: Kann die Erwartungshaltung auch erdrückend sein?

Nino: Natürlich kann es mal zu viel Druck sein. Wichtig ist aber, dass man keine Angst hat. Erst wenn ich gut vorbereitet bin und weiß, dass ich alles Mögliche getan habe, kann ich diesen Druck in positive Energie umwandeln. Das nötige Selbstbewusstsein braucht viel Vorbereitung.

Kai: Die Triathletin Anne Haug hat mir in einem anderen Gespräch gesagt, dass 50 % der Leistung, die sie erbringt, aus dem Kopf kommt. Wie ist das bei dir?

Nino: Ich will da keine Prozentzahlen nennen. Es muss alles zusammenkommen und dabei ist es egal, ob der Kopf 90 oder nur ein Prozent ausmacht. Wer auf höchstem Niveau mitfahren möchte, muss alles reinbringen. Natürlich ist auch der Kopf entscheidend. Wenn das Mindset nicht stimmt, muss man gar nicht erst antreten. Ich denke, viele Athletinnen und Athleten stehen sich selbst im Weg, weil sie zu sehr zweifeln. Am Tag X können sie dann nicht das Nötige abrufen. Ich musste jahrelang dafür arbeiten, dass ich meinen Fähigkeiten vertrauen kann. Das macht mich heute so stark.

Kai: Viele Profis trainieren mit speziellen Coaches und Mentalübungen. Du auch?

Nino: Ich habe zwei Jahre mit einem Mentalcoach zusammengearbeitet. Dabei merkte ich aber, dass ich gewisse Dinge schon von mir aus gemacht habe. Auch heute habe ich mentale Automatismen. Es gibt sicher einige hilfreiche Tools und Tipps, aber nicht jeder Athlet, nicht jede Athletin braucht die gleichen Hinweise.

Nino Schurter im Interview mit Kai Tutschke
© Garmin

Kai: Ein Sturz in der Lenzerheide brachte dich 2022 um den Weltcup-Titel und den damit verbundenen Rekord. Wie bist du mit dieser Niederlage umgegangen und was hast du aus ihr gelernt?

Nino: Im ersten Moment hat mich die Situation belastet. Ich war echt nah dran und dann passiert so ein Drama. Aber ich schaue schnell wieder nach vorne. Das hat viel mit meinem grundsätzlich positiven Denken zu tun. Ich glaube, es wird irgendwann zwangsläufig negativ, wenn man zu viel an negativen Dingen hängt. Ich bin fest davon überzeugt, dass optimistische Menschen das Glück ein bisschen anziehen. Aus diesem Denken kann man viel mehr Energie schöpfen. Daher will ich schlechte Situationen möglichst schnell hinter mir lassen.

Kai: Im Sport, gerade wenn es heißt, du oder ich, wer gewinnt, sind Konflikte nah. Manchmal auch unter langjährigen Teamkollegen. Wirkt sich das auf deine Leistung aus? Und generell: Wie trennst du Sport und Zwischenmenschliches?

Nino: Konflikte sind nie schön, ich versuche sie prinzipiell zu vermeiden. Doch im Leben funktioniert das nicht immer. Diese Probleme – egal ob es ein Konflikt ist oder was anderes – müssen wir im Wettkampf ignorieren, damit wir 100 Prozent fokussiert bleiben. Bisher ist mir das immer gut gelungen und ich konnte sämtliche Störfaktoren im Rennen ausblenden. Häufig denke ich mir auch: jetzt erst recht.

Kai: In den Medien wird der Schweizer Teamkollege Mathias Flückiger oft als dein ärgster Rivale bezeichnet. Pusht dich das?

Nino: Ohne Rivalität geht es gar nicht. Das jeder zuerst im Ziel sein will, macht den Wettkampf zum Wettkampf. Wichtig ist, dass es eine gesunde Rivalität ist.

Kai: Wir sprachen grundsätzlich darüber, wie du dich mental auf den Wettkampf vorbereitest. Mit welchen Abläufen tust du das vor dem Rennen?

Nino: Ich habe ein gewisses Protokoll, nach dem ich vorgehe. Das sieht beispielsweise vor, wann ich was esse oder irgendetwas am Renntag vorbereiten muss. Aber das Prozedere muss nicht immer in der gleichen Reihenfolge ablaufen. Es gibt bei mir keine festgesetzten Rituale, Routinen oder Ähnliches. Wenn mal was dazwischen kommt, werde ich nicht so leicht aus der Bahn geworfen.

Kai: Bist du noch aufgeregt vor Wettkämpfen?

Nino: Ja, die Aufregung ist noch da. Aber das ist gut so, denn es geht ja immer ziemlich schnell und ziemlich heftig los. Da brauch ich das Adrenalin.

Kai: Wenn wir schon von Starts sprechen: Bei der WM in Schottland hat der Weltverband UCI kurzfristig eine Regeländerung vorgenommen, sodass Straßen-Profis wie Tom Pidcock oder Mathieu van der Poel auf einmal deutlich weiter vorne starten durften. Verständlicherweise hat das zu viel Unmut im Fahrerfeld geführt. Wie hat dich Wirbel beeinflusst?

Nino: Die UCI-Regeländerung hat mich nicht so stark betroffen. Wenn man in anderen Disziplinen in den Top Ten ist, finde ich es generell gerechtfertigt, dass Fahrer weiter vorne starten dürfen. Nur der Zeitpunkt der Änderung, einen Tag vor dem WM-Rennen, war nicht fair gewählt.

Kai: Warum?

Nino: Es gibt Nationen, die hart um Startplätze für Olympia kämpfen. Diese schicken Fahrer um die Welt, um Punkte zu sammeln. Es wird viel Geld ausgegeben. Im konkreten Fall haben die Holländer – auch durch die Regeländerung – einen Olympia-Startplatz ergattert. Dadurch sind Nationen nach hinten gerutscht, die prinzipiell viel mehr in den Mountainbikesport investieren. Das empfinde ich als unfair. Ich habe mich deshalb dazu geäußert. Und bin nach wie vor der Meinung, dass so etwas klarer geregelt sein muss.

Kai: Hilft dir deine Erfahrung in diesen emotional hitzigen Momenten?

Nino: Sicher hilft sie. Mit der Zeit lernt man diese Situationen kennen und lernt aus ihnen. Ich kann mich noch gut erinnern, als Peter Sagan bei Olympia in Rio mitgefahren ist. Da haben alle viel von ihm erwartet und über ihn gesprochen. Wenn du dich in diesem Moment zu stark auf die Konkurrenz konzentrierst, kostet es Kraft und Fokus. So etwas darf einen nicht zu stark ablenken.

Kai: Dein Motto neben „Beat Yesterday“ lautet „No Shortcuts”. Warum siehst du Abkürzungen kritisch?

Nino: Es ist ganz als Athlet oder Athletin wichtig, dass man alles langsam aufbaut. Besonders wenn man über mehrere Jahre erfolgreich sein möchte, muss man einen guten Plan entwickeln und sich an diesen halten. Es gibt da keine Abkürzung, es muss immer weitergehen und aus jedem Tag das Beste herausgeholt werden. Auch wenn das nicht immer leicht ist.

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Kai: Apropos Training: Du nutzt Produkte von Garmin. Welche sind zurzeit deine Favoriten?

Nino: Im Wettkampf fahre ich den Edge 130, weil er dafür einfach die perfekte Größe hat. Trainieren tue ich allerdings mit dem Edge 840. Besonders angetan hat es mir auch die epix Pro. Ich trage sie wirklich jeden Tag, sogar nachts. Der Morning Report ist für mich extrem interessant und wichtig für das Training. Wenn ich mal nicht so fit bin, weil ich schlecht geschlafen habe, zeigt mir die Uhr das zuverlässig an. Meine Einheiten kann ich dann auf meine Tagesform abstimmen.

Kai: Wir haben in unserem Garmin-Team viele leidenschaftliche Biker – unter den Leserinnen und Lesern des Magazins sowieso. Hast du noch einen Tipp für uns, unser Training zu verbessern?

Nino: Mein Tipp? Viel hilft viel! Man muss einfach immer dranbleiben und sein Bestes geben – und wie gesagt: manchmal den längeren Weg nehmen.

Kai: Zum Abschluss: Obwohl du so viel reist, ständig trainierst, eigentlich komplett ausgebucht bist, nimmst du Interviews wie dieses wahr. Warum?

Nino: Mich persönlich spornt es sehr an, wenn ich merke, dass ich Leute erreichen und berühren kann. Dass ich sie inspiriere, nach draußen zu gehen, Sport zu machen, Spaß zu haben und so einen gesünderen Lifestyle zu leben.

Kai: Das ist auch unsere Mission. Nino vielen lieben Dank für den spannenden Austausch.

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