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Nino Schurter: „Ich brauche heute mehr Training”

Nino Schurter ist der beste Mountainbiker der Welt. Im Interview verrät er seine Trainingsgeheimnisse und was ihm zweite Plätze bedeuten.

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#BeatYesterday: Nino, du hast alles gewonnen, was man in deinem Sport gewinnen kann. Bist du wirklich immer voll motiviert?

Nino Schurter: Bei großen Wettkämpfen bin ich immer sehr angespornt. Ich will unbedingt gewinnen, und alles rausholen und zeigen, was ich kann.

#BeatYesterday: Und bei den kleinen Rennen?

Nino: Wenn der Wettkampf sehr klein ist und dazu die Witterung noch unangenehm, muss ich mich schon etwas mehr quälen, um richtig motiviert zu sein. Das fällt mir nicht immer leicht.

Wer ist Nino Schurter?

Der Schweizer Nino Schurter, geboren 1986, gilt als der beste Mountainbiker der Welt. Sechsmal gewann er den Weltcup, siebenmal wurde er Weltmeister. Dazu kommt der komplette Medaillensatz bei Olympischen Spielen. Bronze, Silber und Gold, in genau dieser Reihenfolge. Bei seinem Sieg in Rio im Sommer 2016, dem wohl wichtigsten seiner Karriere, erfüllte er sich vor drei Jahren seinen letzten großen Titeltraum.

Mehr Training als früher

#BeatYesterday: Nun bist du 33 Jahre alt. Das ist nicht mehr das allerjüngste Mountainbike-Alter. Musst du mehr trainieren als mit 20?

Nino: Das Trainingspensum verändert sich. Ich trainiere mittlerweile mehr als früher. Weil mein Körper diese Belastung heute besser verträgt. Aber auch, weil ich heute mehr Training brauche. Die Spritzigkeit lässt mit der Zeit nach, ich muss also mehr über die Kondition kommen. Das heißt: Ich muss meine maximale Geschwindigkeit länger halten. Und dafür braucht es eben mehr Training.

#BeatYesterday: In welchem Bereich musst du besonders fleißig sein?

Nino: Wenn es um die Explosivität geht, also die Antrittsschnelligkeit. Als junger Athlet hatte ich kein Problem mit Startphasen. Aber nun muss ich aufpassen, dass hier keine Defizite entstehen und die Konkurrenz mich abhängt.

#BeatYesterday: Wie viele Stunden trainierst du eigentlich pro Woche?

Nino: Das hängt immer davon ab, in welcher Saisonphase ich mich befinde. Pro Jahr sind es ungefähr 1.000 Trainingsstunden. Also im Schnitt etwa 18 Stunden pro Woche. In einer lockeren Woche vor Wettkämpfen mache ich maximal zehn Stunden Training, es geht eher um die letzten Details. In den harten Phasen der Saisonvorbereitung sind es gut 30 Stunden pro Woche, in denen ich mich voll fordere. Da merkt man schon, dass am Ende die Kraft nachlässt, es richtig zäh wird. Die Müdigkeit ist manchmal extrem. Aber trotzdem geht es meist schon am nächsten Tag wieder weiter.

Das Gefühl zu ersticken

#BeatYesterday: Ob Biker, Läufer oder Schwimmer: Es gibt sie immer, die besonders anstrengenden Übungen. Welches Trainingsprogramm ist für dich am anstrengendsten?

Nino: Das härteste Training sind bei mir die einminütigen Intervalle. Egal, ob auf der Rolle oder im Gelände. Du kannst in einer Minute alles geben, aber sie vergeht trotzdem nicht schneller. In einem Programm fahre ich zehnmal hintereinander jeweils eine Minute mit maximaler Leistung. Da gerate ich zum Ende hin auch mal in Atemnot. Man hat wirklich das Gefühl, zu ersticken. Keine Luft zu bekommen – das ist immer ein harter Moment.

#BeatYesterday: Wie kämpfst du dich durch dieses Training?

Nino: Ich beginne, zu zählen und zu rechnen. Wie viel Prozent habe ich schon geschafft, wie lange muss ich noch? An meinem Lenker habe ich mit dem Garmin Edge einen modernen Radcomputer montiert. Da sehe ich ganz genau die Sekunden runterlaufen. Doch oft überrascht mich der Bildschirm negativ. Ich denke: „So, jetzt sind es noch fünf Sekunden.“ Dann schaue ich auf den Monitor. Aber der zeigt mir, dass es noch zwanzig oder dreißig Sekunden sind. Ganz schön deprimierend.

#BeatYesterday: Du sprichst Garmin-Technik an. Wie nutzt du technische Tools wie den Edge oder deine Sportuhr im Training?

Nino: Ich zeichne jedes Training auf. Egal, ob ich jogge, auf dem Fahrrad sitze oder im Kraftraum schwitze. Die Livedaten sind extrem wichtig für mich. Das ist das direkte Feedback zu meinem Training. Wie fahre ich gerade das Intervall, wie hoch ist mein Puls, meine Geschwindigkeit? An meinem Bike habe ich auch einen Leistungsmesser an den Pedalen angebracht, das mir zeigt, wie viel Leistung ich gerade trete. Diese Daten sind für mein Training essenziell. Ich nutze sie auch für meine gesamte Wettkampfvorbereitung.

„Zu viel Leistung ist nicht immer gut”

#BeatYesterday: Für viele Fans sind Profi-Sportler wie Maschinen. Sie bringen immer Leistung. Du hast jeden Trainingstag in der App vor dir und weißt es besser. Wie sehr schwanken deine Trainingsleistungen?

Nino: Die schwanken manchmal extrem. Gerade in einer harten Trainingswoche kann man am Ende vielleicht nicht mehr so viel leisten, wie man eigentlich möchte. Aber auch zu sehen, wie die Leistung mit der Belastung nachlässt, kann ein Trainingseffekt sein. Und gerade an formschwachen Tagen, wenn ich doch etwas kränkele oder nicht ganz erholt bin, sind die Daten meines Leistungsmessers am Pedal und des Fahrradcomputers wichtig. So kann ich genau nachvollziehen, was die Probleme waren, woran ich wieder arbeiten muss. Oder eben, ob eine Trainingspause mal wieder wichtig wäre.

#BeatYesterday: Was kannst du aus den Daten noch lernen?

Nino: Zum Beispiel kann ich sehen, in welchen Streckenbereichen ich vielleicht mit einer zu hohen Intensität gefahren bin, also übertrieben habe. Zu viel Leistung ist nicht immer gut. Unter zu hoher Intensität kann meine Durchschnittsperformance über das gesamte Rennen leiden.

#BeatYesterday: Nun bist du Markenbotschafter der MARQ-Kollektion von Garmin. Sie verbindet die Features einer klassischen Sportuhr von Garmin mit dem Feeling einer noblen Armbanduhr. Wie nutzt du deine MARQ im Alltag?

Nino: Ich trage sie gerade am Handgelenk und besonders wichtig: auch nachts. Die Daten der Schlafanalyse helfen mir nämlich beim Training. Meine Schlafphasen und besonders der Ruhepuls über Nacht zeigen mir, wie gut ich mein Trainingspensum aktuell vertrage. Und diese Erholungsphasen sind gerade vor Wettkämpfen essenziell. Die MARQ gibt mir da an jedem Morgen ein wichtiges Feedback. Und auch optisch gefällt sie mir sehr gut. Sie ist ein sehr funktionales, modisches Accessoire, das mein Sportler- und Privatleben sehr gut miteinander verbindet.

#BeatYesterday: Nun bist du bei den wichtigsten Wettkämpfen fast immer in Topform. Wie machst du das?

Nino: Das ist eine meiner Stärken: Mich sehr fokussiert auf einen Anlass vorzubereiten, um am richtigen Tag in der bestmöglichen Form zu sein. Mittlerweile habe ich die Erfahrung und weiß genau, was ich vor einem Event brauche. Wie ich bis zum Tag X trainieren muss.

Nino Schurter auf dem Mountainbike beim Training in felsigem Gelände.
Hitze und schweres Gelände: Für Nino ist nur ein hartes Training eine gute Einheit. © Scott Sram

#BeatYesterday: Im Radsport brauchen die besten Athleten oft einige Jahre, ehe sie richtig, richtig gut sind. Du bist einer der jüngsten Weltmeister der Mountainbike-Geschichte. Damals warst Du 23 Jahre alt. Warum warst du schon so früh so gut?

Nino: Seitdem ich sieben bin, bestreite ich Mountainbike-Rennen. Ich habe also sehr früh angefangen. Und ich war von Anfang sehr erfolgreich bei den Junioren und später im U23-Bereich. Das gibt sehr viel Selbstvertrauen und Sicherheit. Und bei meiner ersten Weltmeisterschaft im Erwachsenenbereich war ich plötzlich ganz vorne dabei. Ich konnte mit Julien Absalon, dem besten Fahrer im Feld, mithalten. Das hat damals sehr viele Glückshormone in mir ausgeschüttet und mir vielleicht den entscheidenden Vorteil gebracht. Denn während ich happy war und frei fahren konnte, spürte Julien Absalon den Druck des Favoriten, und der kann lähmen. Er musste gewinnen, ich durfte es. Auch deshalb habe ich ihn im Zielsprint überholt. Das war mein erster großer Durchbruch.

#BeatYesterday: Für Absalon, der damals dominierte, war das eine Niederlage. Ist für dich mittlerweile ein zweiter Platz auch eine Niederlage?

Nino: Manchmal schon, ja. Wenn die Erwartungen sehr hoch sind, macht das vieles schwieriger. Nicht nur ich erwarte ja Siege, sondern auch das Umfeld. Ob ich mit dem zweiten Platz zufrieden bin oder eben nicht, hängt am Ende aber von meinem Gefühl ab. Konnte ich alles heraus drücken, habe ich mein Bestes gegeben? Dann kann ich mit einem zweiten Platz eher leben. Wenn ich das Gefühl habe, dass es nicht meine bestmögliche Leistung war, bin ich hingegen sehr unzufrieden.

#BeatYesterday: Du hast viel gewonnen, aber es gab auch Niederlagen. Was war deine größte Enttäuschung?

Nino: Sicher das olympische Rennen 2012 in London. Ich wollte unbedingt gewinnen. Die Vorbereitung vor dem Wettkampf war die bis dato größte in meiner Karriere, doch sie war nicht gut genug. Ich wurde nur Zweiter. Vielleicht war das damals in London die größte Niederlage in meiner Laufbahn. Sie fühlte sich jedenfalls besonders schlimm an. Sehr viele, auch ich, hatten von mir diesen Sieg nicht nur erhofft, sondern auch erwartet.

#BeatYesterday: Champions lernen aus großen Niederlagen. Was hast du daraus gelernt?

Nino: Rückblickend war diese Enttäuschung für meine Karriere vielleicht sogar sehr positiv. Sie spornte mich an, noch mehr zu investieren. Ich trainiere noch viel härter, mehr, ausdauernder. 2016 in Rio gab es dann die Goldmedaille, das war der beste Moment in meiner Laufbahn. Weil ich wusste, wie hart und anstrengend der Weg dorthin war.

Jeden Tag ein besserer Mountainbiker

#BeatYesterday: Was heißt für dich #BeatYesterday?

Nino: Fortschritt. Nie stehen bleiben, jeden Tag besser werden. Und genau dafür hart trainieren. So habe ich meine Karriere immer definiert. Ich wollte mit jedem Tag ein besserer Mountainbiker werden.

#BeatYesterday: Der Slogan bedeutet für viele Sportler aber auch: Gesund werden. Sich Zeit geben. Verletzungen sind manchmal die härtesten Gegner. Wie ist deine Haut durch eine mittlerweile sehr lange Mountainbike-Karriere gekommen?

Nino: Ich habe Glück gehabt und mir nie groß etwas getan. Die schlimmsten Blessuren waren etwas tiefere Schürfwunden auf der Haut. Die Atemwegsprobleme, häufig mal ein Infekt, waren für mich immer problematischer. Aber darauf kann man sich einstellen und vorbeugen.

Nino Schurter bergab beim Rennen im Regenbogentrikot.
Als Weltmeister darf Nino im berühmten Regenbogentrikot fahren. © Scott Sram

#BeatYesterday: Welchen Tipp hast du an die Jugend, die dir einmal nacheifern will, egal in welchem Sport?

Nino: Der ist simpel: Macht das, was ihr gerne macht mit Leidenschaft. Und natürlich auch mit viel Freude. Wenn Leidenschaft und Freude da sind, wird es im Training immer Fortschritte geben.

#BeatYesterday: Nun bist du gewohnt, nur Vollgas zu geben. Fast jeden Tag. Macht es dir überhaupt noch Spaß, gemächlich zu radeln?

Nino: Es macht mir immer noch sehr viel Spaß. Und erholsames Fahren gehört sogar zu einem ausgewogenen Trainingsplan, wenn ich Regeneration brauche. Leider fehlt mir oft die Zeit, mit guten Freunden oder der Familie Touren zu unternehmen. Das klappt manchmal, aber eben viel zu selten.

#BeatYesterday: Wie bekommst du nach deinen Wettkämpfen deinen Adrenalinpegel gesenkt und wie findest du Entspannung?

Nino: Mit einem guten Film oder einem Buch. Und seitdem meine Tochter geboren wurde, sie ist jetzt drei, vor allem mit ihr und meiner Frau. Familie ist das Wichtigste. Sie steht ganz vorne.

#BeatYesterday: Zum Abschluss: Was hast du nach deiner Karriere vor?

Nino: Es gibt da noch keine Pläne. Ich will erfolgreich weiterfahren, Spaß auf dem Mountainbike haben. Was für mich sicher ist: Ich möchte dem Sport auch nach der aktiven Zeit treu bleiben. Als Botschafter oder vielleicht auch als Trainer. Aber einen genauen Plan gibt es noch nicht.

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