Die Werbebotschaften erscheinen verlockend. Sie versprechen definierte Arme, Beine und Oberkörper in kürzester Zeit. Bodybuildende, deren aufgeplusterte Muskelberge scheinbar grenzenlos wachsen, preisen die Produkte an.
Anabole Steroide gehören für manche Kraftsporttreibende zum Alltag. Die synthetischen Abwandlungen von Testosteron wirken muskelaufbauend. Das macht sie im Sport so beliebt. Nicht aber für Joachim Schlebusch. Der 33-Jährige stählt in seiner Freizeit mit Natural Bodybuilding seinen Körper und nimmt an Wettkämpfen teil. Künstliche Mittelchen kamen für ihn nie infrage.
Zu gravierend sind die Nebenwirkungen der Präparate. Herz-Kreislauf-Probleme. Leberschäden. Ästhetische Makel. Viele Schicksale von Athletinnen und Athleten sind bekannt und gefürchtet. Joachim erreicht seine Muskelberge mit Disziplin, Ehrgeiz und hartem Training. Im Interview erklärt er, wie er seine Workouts aufbaut und wie auch du gesund Natural Bodybuilding betreibst.
Über Coach Joachim Schlebusch
Als Kind rang Joachim Schlebusch, 34, in einer Handballmannschaft um Siege. Dort war er allerdings immer der kleinste und schmächtigste Spieler des Teams. Um die körperlichen Defizite auf dem Feld auszugleichen, begann er mit dem Krafttraining. Aufgrund seiner Arbeitszeiten als Besitzer und Lehrer der Tanzschule Schlebusch in Schwerin musste er den Mannschaftssport aufgeben. Das Krafttraining blieb und wurde zu seiner titelgekrönten Leidenschaft.
#BeatYesterday.org: Du betreibst Natural Bodybuilding. Was genau ist das?
Joachim Schlebusch: Ich finde es schade, dass wir Bodybuilderinnen und Bodybuilder bei unserer Sportart das „Natural“ dazu sagen müssen. Eigentlich ist das der normale Weg des Muskelaufbaus. Mit meinem Training will ich ohne den Einsatz von muskelaufbauenden Substanzen Symmetrie und ein definiertes Körperbild erreichen. Wem das bei den Wettkämpfen am besten gelingt, der siegt. Wer betrügt, fliegt raus. Die verbotenen Mittel sind bei der World Anti Doping Agency auf (WADA, d. Red.) einer Liste vermerkt.
#BeatYesterday.org: Bodybuilding beschreibt ein weites Feld. Wie kann da eine Siegerin oder ein Sieger ermittelt werden?
Joachim: Bei den Meisterschaften existieren verschiedene Klassen. In der offenen Bodybuilding-Kategorie entscheiden beispielsweise eher die Muskelmasse, der Körperfettanteil und die Symmetrie. Die Men’s-Physique-Klassen hingegen stellen etwas geringere Anforderungen. Und je nachdem, für welche Klasse ich mich entscheide, muss ich mein Training planen.
#BeatYesterday.org: Wie gelingt dir das?
Joachim: Viel Muskelmasse erreiche ich nur durch hartes und diszipliniertes Training. Das dauert mehrere Jahre und ist – ohne zusätzliche Präparate – viel zeitaufwendiger. Ich muss in der wettkampffreien Zeit zunächst sehr viel Masse aufbauen, also sehr viel mit Gewichten arbeiten und gut essen. Mit Fokus auf den Wettkampf muss ich dann meinen Körperfettanteil senken. Ich habe erst mit der Zeit gemerkt, was bei mir gut funktioniert und was nicht. Alle Trainierenden müssen ihre eigenen Erfahrungen machen.
#BeatYesterday.org: Wieso hast du dich für den mühsamen Weg entschieden?
Joachim: Aus zwei Gründen. Ich schummle nicht und möchte auf faire Weise erfolgreich sein. Wenn ich verbotene Substanzen einnehme, überschreite ich eine Grenze. Und überhaupt: Wo und wann höre ich damit wieder auf? Erst ist es eine Sechs-Wochen-Kur, dann verdoppelt sich der Zeitraum. So beginnt eine Abhängigkeit. Ich vergleiche mich lieber mit den Athleten, die den gleichen Weg wählen.
#BeatYesterday.org: Welche Produkte und Substanzen sind eigentlich verboten?
Joachim: Alle Stoffe, die leistungssteigernd wirken. Das umfasst beispielsweise steroide oder anabole Hormone. Manche davon hat der Mensch bereits im Körper, ich darf sie aber nicht selbst zuführen. Dazu zählt unter anderem Insulin. Deshalb kommt es leider vor, dass manche Athletinnen und Athleten eine Zuckerkrankheit vorgaukeln. Auch Pseudoephedrin steht auf der Liste. Das ist ein Wirkstoff, der in Aspirin Tabletten steckt.
#BeatYesterday.org: Es gibt klare Regeln. Aber werden die auch kontrolliert?
Joachim: Der German Natural Bodybuilding & Fitness-Verband, dem ich angehöre, kontrolliert mich regelmäßig. Auch wenn keine Wettkämpfe anstehen. Nur wenn ich diese Tests bestehe, kann ich den Sport betreiben. Es gibt andere Verbände, die das mit den Kontrollen nicht so genau nehmen. Der optische Unterschied der Athletinnen und Athleten ist ziemlich entlarvend. Er weckt Zweifel.
Wenn ich später Kinder habe, möchte ich nicht im Rollstuhl sitzen.
Joachim Schlebusch
#BeatYesterday.org: Wie unterscheiden sich die Trainingsabläufe beim Natural Bodybuilding von der anderen Möglichkeit?
Joachim: Das Trainingsprinzip bleibt ähnlich. Die meisten verbotenen Mittel verkürzen jedoch die Regenerationszeit. Nach einem starken Reiz müssen meine Muskeln zwischen 24 und 48 Stunden regenerieren. Durch die Einnahme von Steroiden verkleinert sich die notwendige Zeitspanne. Nach sechs oder sieben Stunden können die Athletinnen und Athleten wieder trainieren. Manche greifen sogar zu Krebsmedikamenten, damit ihr Körper schneller entwässert, oder zu Blutverdünnern, die die Leistungsfähigkeit verbessern. Viele haben eine Tablettenbox, aus der sie sich tagsüber bedienen. Darin sind befinden sich auch Gegenmittel, die unerwünschte Nebenwirkungen lindern. Nutze ich all das nicht, muss ich mehr trainieren und trotzdem auf die angemessenen Regenerationszeiten achten. Aber dafür bin ich gesund.
#BeatYesterday.org: Welche Vorteile siehst du im Natural Bodybuilding?
Joachim: Das Wichtigste ist meine Gesundheit. Die ist unbezahlbar. Ich zerstöre meinen Körper nicht durch schädliche Mittel für einen kurzfristigen Erfolg. Wenn ich später Kinder habe, möchte ich nicht im Rollstuhl sitzen. Das Training fördert meine körperliche Fitness, ich habe immer das richtige Maß an Bewegung, schlafe besser und schütze mich vor Krankheiten. Und bei Erfolgen weiß ich, dass ich sie fair errungen habe.
#BeatYesterday.org: Was ist beim Natural Bodybuilding neben dem Training noch wichtig?
Joachim: Ganz entscheidend ist die Ernährung. Ich muss darauf achten, wie viel Salz ich zu mir nehme. Ich achte auch auf das richtige Verhältnis von Kohlenhydraten und Eiweißen. Meine Fettzufuhr kontrolliere ich strikt. So einen Ernährungsplan aufzustellen und ihn einzuhalten, bedarf viel Zeit. Ich koche meine Gerichte vor und esse fünf Mahlzeiten am Tag. Damit ich rasch regeneriere, braucht mein Körper ausreichend Schlaf. Das alles gelingt nur mit Disziplin. Sie ist der herausforderndste Aspekt beim Natural Bodybuilding.
#BeatYesterday.org: Wieso ist das Essen anstrengender als das Gewichtestemmen?
Joachim: In der Vorbereitung auf einen Wettkampf reduziere ich meinen Körperfettanteil auf unter fünf Prozent. Das ist ein Bereich, den der Körper nicht mag. Ich reagiere mit Stimmungsschwankungen, bin hart gestresst. Spätestens an diesem Punkt brechen viele ab.
#BeatYesterday.org: 2021 nahmst du an deinem ersten Wettkampf teil. Wie war das für dich?
Joachim: Eine beeindruckende Erfahrung. Es ist erstaunlich, was der Körper leisten kann. Beim Warm-up war ich erstaunt von meinen Kontrahenten. Nach der ersten Runde zog ich ins Finale ein. Nur ich und vier weitere Sportler. Das war bereits ein Erfolg! Bei der Bekanntgabe der Platzierungen ging einer nach dem anderen von der Bühne. Plötzlich stand ich alleine da. Und war Internationaler Deutscher Meister 2021 im Natural Bodybuilding. Die ganze Last und Anspannung fiel von mir ab. Ich aß drei Wochen alles, worauf ich Lust hatte.
#BeatYesterday.org: Und hattest gar keine Lust auf Training.
Joachim: Doch, die kam schnell wieder. Ich trainiere gern. Deswegen fiel mir die Rückkehr an die Geräte leicht.
Im zweiten Interview mit Joachim Schlebusch erfährst du, wie du deinen Rumpf richtig austrainierst.
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