Das Video ist mittlerweile vier Jahre alt und hat bei YouTube 2,6 Millionen Klicks: MC Mertesacker feat. Vanilla Ice mit dem Hit „Eis, Eis, Tonne“. Was war geschehen? Nach dem schmeichelhaften Achtelfinalerfolg gegen Algerien bei der WM in Brasilien, begegneten sich DFB-Abwehrspieler und ZDF-Reporter Boris Büchler in der Mixed Zone. Interviews unmittelbar nach Spielende haben für Zuschauer meist den gleichen Erkenntnisgewinn, als würde man Farbe beim Trocknen zusehen. Doch Mertesacker, sichtlich erschöpft und erleichtert, dass man sich in der Verlängerung irgendwie durchgewurschtelt hat, war nicht mehr gewillt, das einstudierte Reporter-Fußballer-Geplänkel mitzumachen. Büchler forderte den DFB-Spieler zur Selbstkritik auf, doch der konterte, buchstäblich wunderbar erfrischend:
Was wollen Sie jetzt von mir? So unmittelbar nach dem Spiel? Ich leg mich jetzt erstmal drei Tage in die Eistonne, analysiere das Spiel und dann sehen wir weiter.
Per Mertesacker, 2014 nach dem WM-Achtefinalspiel Deutschland – Algerien
Eistonne – perfekter Reha-Ort mit Heilungsfunktion
Das mit den drei Tagen war natürlich leicht übertrieben. Auch die Begriffe „Eistonne“ oder „Eisbad“ klingen extremer, als sie in Wahrheit sind. Statt einer Wanne mit Eiswürfeln, steigen Fußballer nach einem Spiel in einen großen Behälter, in der die Wassertemperatur bei 10 bis 15 Grad liegt. Wer im Frühsommer (Mai/Juni) in der Ostsee baden geht, muss sich in der Regel mit den gleichen Temperaturen arrangieren, die Kälte in der Eistonne ist also gar nicht so extrem. Aber was passiert da eigentlich genau im Körper? Zum einen geht es um den psychologischen Aspekt. Nach einem hitzigen Match (etwa Deutschland – Algerien bei der WM 2014) beruhigt das Bad nicht nur die Glieder und Muskeln, sondern vor allem auch den Geist. Der Überwindungsakt ins kühle Nass zu steigen, fokussiert die Wahrnehmung, man steigt rein und der mentale Erholungseffekt setzt sofort ein – ähnlich wie bei einem heißen Bad, wenn sich die Anspannung im Kopf unmittelbar löst.
Zehn Minuten Abkühlung, maximale Regeneration
Nach dem Sport ist der Körper überhitzt und muss abkühlen, darf aber auch nicht auskühlen. Länger als maximal zehn Minuten bleiben Spieler daher nicht in der Eistonne. Der Schockeffekt (ähnlich wie bei der Wechseldusche oder der kalten Dusche morgens oder nach dem Sport) versetzt den Körper in ein positives Stresserlebnis. Das vegetative Nervensystem wird aktiviert und die Durchblutung gefördert. Die entstandene Säure in den Muskeln kann somit schneller abtransportiert werden, zudem werden Entzündungen abgekühlt und minimiert. Obwohl es bislang noch keine wissenschaftlichen Beweise für die positive Wirkung der Eistonne gibt, kommt sie überall im Profi- und Hobbysport vor, nicht nur im Fußball, sondern auch im Tennis, Handball oder in der Leichtathletik.
Eistonne in klein – probates Mittel für Hobbysportler und Einsteiger
Wer keine Badewanne oder saubere Mülltonne zuhause stehen hat, um Experimente mit der Eistonne auszuprobieren, kann sich der erfrischenden Rehamaßnahme auch im kleineren Stil nähern. Vor allem im Sommer tun Fußballer gut daran, die überhitzten Zehen und Gelenke abzukühlen. Einfach einen Eimer mit Wasser und Eiswürfeln füllen, Temperatur checken, sich davorsetzen und Füße für zehn Minuten reinstellen. Der Erholungseffekt ist wunderbar. Um Mini-Erfrierungen und Betäubungen vorzubeugen, sollte man aber darauf achten, dass man sich nicht zu kaltes Wasser anrührt. Ein kleines Thermometer sollte daher immer am Start sein.
Die Kältekammer: Regenerieren im Profi-Modus
Weil Fußballer zwischen den Spielen oft nur wenige Tage zur Erholung haben, ist die Zeit zwischen den Matches extrem wichtig. Regeneration bedeutet aber mehr, als nur die Beine hochzulegen. Viele Sportler machen den Fehler und lümmeln sich nur aufs Sofa. Wer es sich leisten kann, geht in die frostige Kältekammer. So wie Cristiano Ronaldo, der sich vor ein paar Jahren ein Exemplar für schlappe 45.000 Euro in sein Haus einbauen ließ. In Deutschland gibt es sechs Kältekammeranlagen, die auch für Selbstzahler frei zugänglich sind, eine davon steht etwa in der Praxis für Tiefstkälte-Therapie, „Physio -110 Celsius“ in Mannheim. Wie sich am Titel erahnen lässt, wird die Temperatur auf minus 110 Grad gesenkt, möglich gemacht durch flüssigen Stickstoff, der in den Raum gesprüht wird. Diese Kältebehandlung, auch Kryotherapie genannt, fühlt sich eher wie trockene Kälte an. DFB-Torwart Manuel Neuer, ebenfalls ein Fan der frostigen Reha-Maßnahme, nutzt die Kammer nach Spielen folgendermaßen: Erst 30 Sekunden bei minus 60 Grad, dann drei Minuten bei minus 110 Grad. Thomas Uhrig von „Physio -110 Celsius“: „Geht ein Patient mit Verspannungen im Nacken in die Kältekammer, sehen wir dort im Nachher-Bild eine stärkere Erwärmung. In der Kälte wird der Körper eigentlich weniger gut durchblutet. Doch beispielsweise in verspannten Arealen sorgt der Körper weiterhin für eine optimale Durchblutung. Tritt man aus der Kältekammer heraus, kommt es zu einem thermischen Ausgleich, bei dem die Durchblutung im gesamten Körper angeregt wird. Diese Wärme kommt im Problembereich hinzu, so dass sich dieser in der Wärmebildkamera als stark durchblutet zeigt.“
Sauna, Dampfbad, Massage: Klassiker der aktiven Entspannung
Wer keinen Platz oder kein Geld für eine Kältekammer im Keller hat, greift vorerst auf konventionelle Mittel zurück, die man auch für kleineres Budget bekommen kann. Sauna, Dampfbad und Massage entspannen die Muskeln und regen bekanntlich die Durchblutung an. Noch bessere Effekte erzielt man, wenn man bewusst auf Wärme-Kälte-Effekte setzt, etwa Kneipp-Fußbäder, Eishöhlen oder das Wechselbad nach dem Saunagang.
Wer seinem Körper die richtigen, proaktiven Entspannungsmomente gewährt, hat den Grundstein für neue Topleistungen gelegt. Per Mertesacker kann davon bestimmt noch mehrere Lieder singen.
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