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„The Ocean Race": Fliegen über das Wasser

Die Segelregatta „The Ocean Race“ plagt die Teilnehmer mit Hunger, Schmerzen und Übelkeit. Warum ein junger Segler aus Österreicher trotzdem von diesem Hochseeabenteuer träumt. Ein Gastbeitrag.

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Beim letzten Mal sind zwei auf See geblieben.

Ein Segler ging während eines Orkans über Bord. Die Rettungskräfte haben ihn nie gefunden. Und bei einer Kollision mit einer der Segelyachten starb ein Fischer im südchinesischen Meer. „The Ocean Race”, die härteste Segelregatta der Welt, ist ein gewaltiges und mitunter gefährliches Abenteuer.

Trotz der Risiken träumt vermutlich jeder professionelle Segler von so einer Weltreise – auch ich. Die Seefahrer streifen jeden der sechs bevölkerten Kontinente. Sie befahren die mächtigsten Meere des Planeten, Naturgewalten, die kein Mensch zähmen kann. Die vorangegangene Ausgabe des Rennens führte über 45.000 Seemeilen vom spanischen Alicante über Kapstadt, Melbourne, Hongkong, nach Newport, USA, zurück nach Den Haag, Niederlande. Monatelang waren die Athleten auf See, auf einigen Etappen über drei Wochen ohne Rast. Eine Wettfahrt getrieben von Mut und Ehrgeiz.

Oliver Kobale auf einem Segelboot
Oliver Kobale segelt seit Jahren auf hohem Niveau. © Miguel Montoya / TAORP

Die ersten Österreicher

Mit dem Austrian Ocean Race Project wollen wir als erstes österreichisches Team an der Regatta teilnehmen. Obwohl kein Meer an Österreich grenzt, gibt es fantastische Segler in unserem Land. Sie trainieren auf großen Seen oder auf den Meeren Europas, nicht wenige haben schon mächtige Ozeane wie den Pazifik oder Atlantik segelnd überquert. Was die anderen können, das können wir auch, haben sich ein paar Kollegen und ich nach einem erfolgreichen Törn in der Karibik geschworen.

Im Rausch des sportlichen Erfolgs gründeten wir unser eigenes Team. Aus ganz Österreich spüren wir Unterstützung, auch aus Deutschland wärmt Support. Segler aus Österreich bei einer der härtesten Regatten der Welt, das ist eine Story, die die Leute gerne weiter erzählen.

Was es für dieses Abenteuer braucht

Um an so einem Abenteuer teilzunehmen, verlangt es aber mehr als Mut und emotionale Unterstützung. Zunächst einmal Geld. Eine Profi-Segelyacht ist teuer. Sie ist aus Karbon geformt, einem gleichzeitig leichten und robusten Kunststoff aus Kohlefasern. Jahrzehntelanges Know-how und Hightech sind in so einem Schiff verbaut. Sieben Millionen Euro kostet ein gebrauchtes Modell. Um das Kaufrecht muss sich ein Segelprojekt bewerben. Fast eine Million Euro schluckt die Unterhaltung des Bootes jährlich. Dazu kommen Reisen, Materialien, Verpflegung, Gehälter für die Crew, die jeden Tag am Projekt arbeitet. Bevor die Weltmeere locken, müssen wir Gelder akquirieren. Unser Traum verlangt seinen Preis.

Doch was ist schon Geld, wenn Menschen verloren gehen in den Wasserwüsten dieser Welt? Damit das nicht passiert, muss jeder, der ein Hochseerennen bestreiten will, bestmöglich vorbereitet sein. Körperlich und noch wichtiger: mental. Jeder Charakter muss sich perfekt in ein Mosaik verschiedenster Menschen einfügen. Nur eine eingeschworene Crew hat eine Chance gegen das Meer. Aber selbst wenn alles vorhanden ist, Teamwork, individuelles Geschick und ein wacher Kopf, gibt es keine Garantie für das Zurückkommen.

Gischt sprenkelt das Deck des Segeljacht
Die Gischt sprenkelt das Deck des Segelyacht. Für die Segler ist das Wellenbad körperlich herausfordernd, oft aber auch eine Freude. © Michael Muck Kremtz / TAORP

Lebenswichtiger Hunger

Risiken drohen nicht nur draußen, wo die Wellen wüten, die uns Segler vom Bord waschen wollen; wo der Wind in die Segel und die Körper stößt; wo das Boot taumelnd durch die Gischt wippt. So manche andere Gefahr kommt urplötzlich, und sie hat nur unterschwellig mit den Muskelspielen der Natur zu tun. Selbst die verwegensten und erfahrensten Seemänner und Seefrauen werden seekrank. Einem wird urplötzlich schlecht. Der Magen rumort, Schwindel überfällt, das Gesicht verkriecht sich im nächsten Kübel. Appetitlosigkeit macht sich breit. Das ist das Schlimmste. Wer kotzt, der isst nicht, und wer nicht isst, dem fehlt die notwendige Energie. Der Kopf ermattet. Die Konzentration sinkt, die Fehler häufen sich. Ein fataler Kreislauf.

Regelmäßiges Essen ist immer lebenswichtig, an Bord einer Segelyacht auf einer langen Regatta aber besonders bedeutend. Wir löffeln meist hochkalorische Trockennahrung. Ein Wasserkocher macht uns satt. 5.000 bis 6.000 Kalorien benötigen wir am Tag. Das Astronautenfutter schmeckt nicht. Der Hunger treibts rein. Oder unser Wille. Alternativen zu den Fertiggerichten gibt es kaum. Wir brauchen Kalorien, nur dürfen die Lebensmittel nicht viel wiegen. Jedes Extrakilo bremst das Boot. Je leichter wir sind, desto schneller rauscht die Yacht. Manchmal haben wir Popcorn als Stimmungsaufheller dabei. Das wiegt fast nichts.

Sportler packen ein Segel auf dem Boot aus
Tonnen werden an Deck bewegt. Für die Sportler ein Kraftakt. © Michael Muck Kremtz / TAORP

Jede Hand und jeder Kopf

Essen ist anstrengend auf See, genauso der Gang zur Toilette, sogar das Schlafen kann beschwerlich sein. Jede noch so kleine Tätigkeit verkompliziert sich, wenn das Boot im Wellenbad zittert. Vier Stunden dauert eine Wache. Davor und danach wird gegessen. Fünf dürfen sich ausruhen, die anderen fünf müssen auf Deck placken. Das Boot steuern, die Segel richten, uns auf Kurs halten, und das schnell. Wenn der Wind dreht, müssen alle raus aus den Kojen, es braucht jede Hand, jeden Kopf für die komplizierten Manöver.

Wir stapeln alles, was nicht fest verschraubt ist, Technik, Segel, Seile auf Luv. Das ist die dem Wind zugewandte Seite des Bootes. Wir wirken der Krängung, der Schräglage des Schiffs, entgegen und machen das Schiff schneller.

Erst wenn das Manöver beendet ist, dürfen die Ruhenden zurück in die Koje. Zwölf Stunden Pause, zwölf Stunden Arbeit, jeden Tag – das macht mürbe. Nachts, wenn wir über das Meer fahren, dann leuchten uns nur Mond und Sterne den Weg. Unsere Augen versuchen, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, Hindernisse wie Bojen oder andere Schiffe müssen wir im fahlen Licht erspähen. Meistens jagen wir blind durch die Nacht. Das Meer brüllt, wenn wir durch die Wellen brechen. Das ist aufregend, manchmal beängstigend. Wer Wache hat, ist nervlich zum Zerbersten angespannt.

Segler liegt zusammengekauert in einer Ecke auf dem Boot
Übelkeit, Hunger, Schlafmangel, soziale Isolation: Die Segler kämpfen gegen die Elemente und gegen sich selbst. © Miguel Montoya / TAORP

Kraftausdauer und Resilienz

Der große Unterschied zwischen dem „The Ocean Race“ und der anderen populären Hochseeregatta, dem Americas Cup, ist die Dauer des Rennens. Beim Americas Cup werden kurze Etappen gefahren. Die Zeit auf See ist überschaubar, es wird um Sekunden gesegelt, es braucht Kraft und davon viel in wenigen Stunden. Die Hydrauliksysteme werden allein mit Muskelkraft angetrieben. Vor ein paar Jahren überraschten die Neuseeländer ihre Konkurrenz, als sie Rennräder auf dem Deck der Segelyacht verschraubten. Während die Amerikaner mit den Armen kurbelten, strampelten Profi-Radfahrer die Wattzahlen fürs neuseeländische Boot. Ein klarer Vorteil.

Beim „The Oceans Race“ ist diese Trickserei nicht möglich. Auch wir müssten mit Händen und Armen für die Hydraulik kurbeln. Motoren sind verboten, für Rennräder und Profi-Radfahrer ist kein Platz. Zwar verteilen sich die Aufwände über den ganzen Tag, aber anstrengend ist das auch. Beim Hochseesegeln brauchen wir nicht nur eine hohe Maximalkraft, sondern müssen ausdauernd kräftig sein. Jeden Tag bewegen wir Tonnen, verrenken uns in der Takelage, hängen uns an Seile. Wenn wir erproben, welche Frauen und Männer stark genug für eine lange Ausfahrt sind, testen wir vor allem die Kraftausdauer der Segler.

Zwei Sportler ziehen ein Segel auf dem Boot hoch
Oliver Kobale beim Richten des Segels – wie Fliegen über dem Meer. © Michael Muck Kremtz / TAORP

Teamwork ist das Wichtigste

Dieser Kraft bedarf es auch im Kopf. Jeder an Bord ist ein guter Rennsegler. Doch in einer ausgewogenen Crew sind nicht nur Segler gefragt, sondern auch Ingenieure, Navigatoren, Wetterexperten, Medizintalente und Mutmacher. Mitten auf dem Atlantik könnte unser Stromgenerator ausfallen. Die Energie ist notwendig, damit die Anlage, die Salzwasser in Süßwasser verwandelt, funktioniert. Wir haben kaum Wasservorräte, weil diese zu schwer wären. Wenn der Generator muckt, droht Durst mitten auf dem Wasser. Der nächste Elektriker kann Tausende Kilometer weit weg sein. Dann müssen wir auf Hilfe warten oder selbst reparieren.

Am allerwichtigsten ist das Teamwork. Die besten zehn Individualisten und Individualistinnen nützen wenig, wenn Handgriffe nicht ineinander übergehen, wenn in Stress- und Notsituationen der Zusammenhalt schwindet, Konflikte zu Problemen anschwellen. Die Männer und Frauen an Bord müssen zusammenwachsen. Genau das ist nicht immer leicht. Neben den körperlichen und seelischen Strapazen trüben die beengte Privatsphäre und der Mangel an Freiraum den eigenen Geist. Ob ein Sportler, ein Mensch, auf hoher See funktioniert, Teil eines Teams sein kann, Verantwortung übernimmt für sich und andere, das verrät kein psychologischer Test. Das lernen wir nur auf wilder Fahrt.

Das Meer schenkt Glück

All die Anstrengungen, die Unwägbarkeiten, die Übelkeit und den Schmerz vergessen wir auf See sehr oft. Weil es nichts Schöneres gibt, als auf dem Meer zu sein. Es zu hören, zu riechen, zu fühlen, wenn es unter dem Boot vibriert. Beim „The Ocean Race” würden wir viele Tage auf dem Meer verbringen.

Dort auf den Wellen überwiegen die Freuden über geglückte Manöver oder den Teamgeist, der uns durch jede Tiefe zu neuen Höhen trägt. Das Auftauchen und Eintauchen der Sonne beglückt uns häufig mit einem bernsteinfarbenen Horizont. Uns faszinieren die Wale und Delfine, die ihre Blas, die Fontäne aus Wasser und Luft in den Meeresdunst schnauben. Und die Winde, die uns mancher Sturm beschert, peitschen die Segelyacht mit bis zu 80 Kilometer pro Stunde über den Ozean. Fast wie fliegen fühlt sich das an.

Am beeindruckendsten sind für mich die klaren Nächte auf dem Meer. Da auf dem offenen Ozean keine Lichtverschmutzung das Firmament verfärbt, sehen wir unglaublich viele Sterne und Planeten. Der Nachthimmel ist klar, der Nachthimmel ist rein. Manchmal dürfen wir fluoreszierendes Plankton im Wasser bestaunen, das zu leuchten beginnt, wenn es durch Bewegungen angeregt wird. Wenn wir in die Nacht brausen, funkelt es um das Boot herum.

Das Meer nimmt und gibt. Sehr oft die schönsten Momente im Leben.

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