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Wärmemanagement: Wie du eine Unterkühlung im Ernstfall vermeidest

Bereits bei einem kleinen Abfall der Körpertemperatur, drohen gesundheitliche Folgen. Sportlerinnen und Sportler sind besonders im Winter gefährdet. So musst du im Notfall reagieren!

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Unterkühlung. Was harmlos klingt, so unbedenklich wie ein Schnupfen, kann in Notlagen tatsächlich zum Tod führen. Gerade Menschen, die Sport treiben, schwitzen und sich dann schwer verletzen, sind akut gefährdet. Ärztinnen und Ärzte sprechen von einer Hypothermie, was wiederum beängstigend erscheint.

Die gute Nachricht: Bereits kleinere Maßnahmen können eine Unterkühlung verhindern und den Abfall der Körpertemperatur bremsen. Welche Hilfsmittel immer in deinen Rucksack gehören? Warum du auch bei lauen Temperaturen schnell unterkühlen kannst? Und wie du eine Rettungsdecke richtig nutzt? Der Experte für Erste Hilfe Dr. Hermann Meyer beantwortet im Interview mit #BeatYesterday.org die wichtigsten Fragen.

Der Experte: Dr. Hermann Meyer

Der Sportwissenschaftler und Rettungssanitäter Dr. Hermann Meyer schult Menschen in Kursen, wie sie sich in einer Notlage verhalten müssen. Entweder als Ersthelferinnen und -helfer, oder selbst als verunglückte Person. Auf der Website können Interessierte Kurse beim Spezialisten für Alpine Erste Hilfe buchen.

#BeatYesterday.org: Herr Dr. Meyer, wer sich mit Bergrettung oder Notfallhilfe beschäftigt, wird oft den Begriff „Wärmemanagement“ lesen. Was ist damit gemeint?

Dr. Hermann Meyer: Es geht darum, dass eine verletzte Person in einem stabilen Körpertemperatur-Bereich bleibt. Und zwar so lange, bis die Rettungskräfte eintreffen.

#BeatYesterday.org: Betrifft das Wärmemanagement nur eine zu niedrige Körpertemperatur?

Dr. Hermann Meyer: Nein. Wenn wir im Sommer großer Hitze oder starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, müssen wir bei Verletzten Maßnahmen treffen, mit denen wir temperaturbedingte Beeinträchtigungen wie einen Sonnenstich oder einen Hitzschlag vermeiden. Im Winter ist die Gefahr einer Unterkühlung natürlich besonders groß.

#BeatYesterday.org: Der Herbst neigt sich langsam zum Winter. Vielerorts ist es nach Sonnenuntergang schneidend kalt. Ab welchen klimatischen Bedingungen droht eine Unterkühlung?

Dr. Hermann Meyer: Schon bei normalen Temperaturen. Im Falle einer Sportverletzung sackt der Kreislauf sofort ab. Der Körper produziert weniger Wärme, die Körpertemperatur sinkt. Das erleben wir bei Verkehrsunfällen immer wieder. Deshalb kann sogar an lauen Sommertagen eine Unterkühlung drohen. Generell gilt: Je größer der Unterschied zwischen Körper- und Außentemperatur, desto wahrscheinlicher ist eine schnelle Unterkühlung.

#BeatYesterday.org: Droht eine Unterkühlung, wenn Menschen bei frostigen Temperaturen etwas länger als geplant warten müssen?

Dr. Hermann Meyer: Frieren wir am Bahnsteig, können wir uns normalerweise bewegen. Selbst mit einem langsamen Hin- und Hergehen erzeugen wir Körperwärme. Sind wir verletzt und nicht mobil, gar bewusstlos, haben wir diese Chance nicht. Deshalb ist das Thema Wärmemanagement nach Verletzungen so essenziell. Wobei auch hier gilt: Wer sich versteigt oder verläuft, also zu lange Kälte ausgesetzt ist, kann auch in einen bedrohlichen Zustand der Unterkühlung geraten.

© Garmin

#BeatYesterday.org: Warum ist eine Unterkühlung überhaupt gefährlich?

Dr. Hermann Meyer: Es gibt verschiedene Gründe, nur ein Beispiel: Wenn die Körpertemperatur um ein Grad Celsius sinkt, verschlechtert sich die Blutgerinnung um etwa zehn Prozent. Im Falle eines Unfalls ist eine deutlich verschlechterte Blutgerinnung auf jeden Fall zu verhindern. Je dramatischer der Abfall der Temperatur, desto schwerer sind die gesundheitlichen Folgen.

#BeatYesterday.org: Stimmt eigentlich der Mythos, dass Menschen über den Kopf besonders viel Wärme verlieren?

Dr. Hermann Meyer: Jein. Der Kopf gibt prinzipiell nicht mehr Wärme ab als jedes andere Körperteil. Der Unterschied ist: Er ist das größte Körperteil, das oft unbedeckt ist. Eine Mütze oder eine Kapuze sind daher bei kühlen Temperaturen wichtig.

#BeatYesterday.org: Angenommen, eine Joggerin stürzt im Wald, bricht sich den Knöchel, ist aber allein unterwegs. Wie kann sie selbst die Körpertemperatur managen?

Dr. Hermann Meyer: Ganz wichtig ist ein windgeschützter Bereich, den sie schnellstmöglich aufsuchen sollte. Wenn sie ein Erste-Hilfe-Set dabei hat, sollte sie sich die Rettungsdecke um den Oberkörper und Kopf legen. Diese sorgt dafür, dass die Körperwärme, die ein Mensch immer abgibt, reflektiert wird und länger in Körpernähe bleibt. Ein Erste-Hilfe-Set sollte im Winter deshalb in jeden Lauf- oder Wanderrucksack gehören. Wenn möglich, sollte sich die Verunglückte auch vor der Bodenkälte schützen. Es hilft, wenn sie sich auf den eigenen Trailrunning-Rucksack setzt.

#BeatYesterday.org: Sie sprechen den Wind an. Warum ist der berühmte Windchill-Effekt so ein gravierendes Problem beim Wärmemanagement?

Dr. Hermann Meyer: Wenn es eher windstill ist, umgibt eine von uns selbst aufgewärmte Luftschicht die Haut. Deshalb ist es im Sommer so heiß, wenn die „Luft steht”. Weht ein ordentlicher Wind, wird diese wärmeisolierende Luftschicht weggeweht und wir verlieren schneller unsere Körperwärme. Je stärker der Wind, desto schneller tritt der Wärmeverlust ein.

#BeatYesterday.org: Man kennt es aus der Kindheit: Die eigenen schneekalten Hände unter heißem Wasser gewärmt. Sehr schmerzhaft.

Dr. Hermann Meyer: Warmes Wasser ist normalerweise in der Natur nicht verfügbar. Auch wenn folgende Fälle eher im alpinen Sport auftreten: Erfrierungen sollten Ersthelferinnen und Ersthelfer niemals warm reiben. Genauso sollte niemand seine eiskalten Füße sofort vor dem Kaminfeuer auf der Berghütte ausbreiten.

#BeatYesterday.org: Zurück zum Szenario, zur Sportverletzung. Sind Sportlerinnen und Sportler eher für eine Unterkühlung gefährdet?

Dr. Hermann Meyer: Wenn eine Person geschwitzt hat, dazu ein starker Wind geht, kühlt sie schnell aus. Ähnlich ist der Effekt bei nasser Sportkleidung. Auch ist bedeutsam, welches Energielevel die Betroffenen haben. Zum Ende einer sportlichen Ausdauereinheit ist eine aktive Person deutlich geschwächter. Das führt dazu, dass sie noch zügiger Körperwärme verliert. Hat eine Person gut gegessen und sind die Energiespeicher voll, wird sie ohne fremde Hilfe länger warm bleiben. Das kennen sicher einige vom Schlafen unter freiem Himmel. Macht man es sich gut genährt im Schlafsack bequem, ist es deutlich angenehmer als mit knurrendem Magen.

#BeatYesterday.org: Ein anderes Szenario: Potenzielle Ersthelferinnen und Ersthelfer begegnen im Wald einer verletzten Person. Was können sie im ersten Moment falsch machen?

Dr. Hermann Meyer: Das Schlimmste? Nicht helfen. Handeln ist fast immer besser als nicht handeln. Als erstes sollte man die verletzte Person ansprechen. Danach müssen die Ersthelferinnen und -helfer rasch entscheiden, ob die Person professionelle Hilfe benötigt. Wenn ja, sollten sie so schnell wie möglich den Notruf absetzen.

© Philipp Guelland

#BeatYesterday.org: Was können Ersthelferinnen und Ersthelfer in der freien Natur noch tun?

Dr. Hermann Meyer: So rasch wie möglich die Körperwärme der verletzten Person schützen. Bei kalten Bedingungen bekommt man die Körpertemperatur sonst kaum zurückgeholt. Immer die Person aus dem Wind bringen, vom Boden wegholen. Wenn vorhanden, unbedingt eine Rettungsdecke einsetzen.

#BeatYesterday.org: Wann wirkt eine Rettungsdecke besonders effektiv?

Dr. Hermann Meyer: Mit der sogenannten Windelpackung. Dabei wird die Rettungsdecke unter die Kleidung der auskühlenden Person geschoben. Auf gar keinen Fall dafür die Jacke ganz öffnen oder ausziehen. Dann geht sofort Wärme verloren. Auch kann man einer in der Bewegung eingeschränkten Person nur schwer die Jacke aus- und anziehen, wodurch diese länger Kälte und Wind ausgesetzt wird.

#BeatYesterday.org: Betroffene können mithilfe der Rettungsdecke die Zeit überbrücken, bis professionelle Hilfe da ist. Wie lange müssen sie durchschnittlich warten?

Dr. Hermann Meyer: In Deutschland ist die sogenannte Hilfsfrist von den Bundesländern geregelt. Sie liegt meist zwischen acht bis zwölf Minuten. In der freien Natur, im Wald oder den Bergen kann es sich dagegen deutlich ziehen. Von 30 Minuten bis zu mehreren Stunden. In jedem Fall ist das schnelle Absetzen des Notrufs von entscheidender Bedeutung für eine schnelle Rettung.

© Philipp Guelland

#BeatYesterday.org: Wie können Betroffene die Rettung beschleunigen – und das Risiko einer Unterkühlung senken?

Dr. Hermann Meyer: Entscheidend ist die genaue Lokalisation des Unfallorts via GPS-Koordinaten. Dies ist heutzutage mit dem Handy und noch einfacher mit GPS-Sportuhren von Garmin möglich. Am besten ist es jedoch, wenn alle Outdoor-Sportlerinnen und -Sportler wissen, wo sie sich befinden.

Das Problem: Ohne Empfang reicht die genaue Kenntnis der Position nicht für eine schnelle Rettung. Leider ist die Netzabdeckung nicht überall flächendeckend gegeben, es gibt noch zu viele Funklöcher. Unfälle in diesen Regionen stellen alle Beteiligten vor eine große Herausforderung. Habe ich keinen Empfang am Unfallort, wird es schnell sehr stressig. Bin ich alleine mit der verletzten Person, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich lautstark oder gut sichtbar bemerkbar zu machen. Ich muss darauf hoffen, dass andere die Notlage erkennen. Oder ich muss die Verletzte Person alleine lassen, um die Rettung zu organisieren. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass sich das in dieser Situation niemand wünschen wird.

#BeatYesterday.org: Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Dr. Hermann Meyer: Ich vertraue in den Bergen auf mein Garmin inReach Mini 2. Dank weltweiter Abdeckung kann ich überall den Notruf via Satellit absetzen. Und das inklusive aller Positionsdaten. Das Garmin Response Center organisiert die Rettung mit den lokalen Rettungskräften. Nicht nur, weil man selbst betroffen sein könnte, sollte ein inReach in abgelegenen Gebieten immer dabei sein. Auch wenn man „nur“ anderen helfen kann, bringt die Technik viel. Weniges ist psychisch belastender als eine Situation, in der man helfen möchte, das aber nur unzureichend kann.

#BeatYesterday.org: Zum Abschluss: In manchem Buch oder Film wurde bereits geschildert, dass man sich in einer existenziellen Not gegenseitig mit Körperkontakt wärmen kann. Sich zum Beispiel nackt zu einer unterkühlten Person in den Schlafsack legt. Wie hilfreich ist das wirklich?

Dr. Hermann Meyer: Bei einem normalen Waldlauf oder einer Skitour haben Verunglückte selten einen Schlafsack dabei. Das ist ein Szenario, das für die meisten Menschen niemals relevant wird. Aber ja: Der beschriebene Vorgang kann in Extremsituationen im Bergsport tatsächlich überlebenswichtig sein. Bei den Fällen, über die wir in diesem Interview sprechen, geht es aber eher um alltagsnahe Situationen. Ist die eigene Hand kalt, kann man sie in den Schritt oder in die eigenen Achseln legen. Dort gibt der Körper besonders viel Wärme ab. Die Hände einer fremden Person lassen sich notfalls auch unter den eigenen Achseln wärmen. Oft genügt es aber, die Hilfesuchenden zu umarmen.

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