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Neuromuskuläre Erkrankungen: Kann ein Muskelkater tödlich enden?

Ein Muskelkater gehört zum harten Training – und gilt als halb so schlimm. Denkst du! Für einige Menschen kann er sehr gefährlich werden. Gehörst du zur Risikogruppe?

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Noch einmal die schwere Hantel nach oben stemmen. Ein Sprint auf den letzten 200 Metern der Laufstrecke als Abschluss des Trainings. Noch einmal völlig verausgaben. Fühlt sich das gut an! Zumindest für den Moment.

Besonders am Tag nach intensiven Trainingseinheiten zeigt der Körper Symptome eines Muskelkaters. Ein leichtes Stechen in den Muskeln, noch dazu fühlen sie sich bleiig schwer an. Beim Treppensteigen schmerzen die Waden, beim Einräumen des Geschirrs die Oberarme.

Also alles halb so schlimm? Jein! Für einige Menschen kann ein Muskelkater tatsächlich lebensbedrohliche Folgen haben.

Was ist Muskelkater?

Ein Muskelkater ist allen sportlich Aktiven bekannt. Das charakteristische Stechen in den Muskeln nach einem intensiven Training am Vortag, welches sich bei Belastung noch verstärkt. Doch wie entstehen die Schmerzen überhaupt?

Ihr Ursprung liegt im Aufbau des Muskels. Dieser besteht aus vielen Muskelfasern, die sich aus sogenannten Muskelfibrillen zusammensetzen. Darin enthalten sind die dünnen und dicken Sarkomere. Diese Eiweißfäden sind das kleinste Bauteil eines Muskels und sorgen durch eine gegenläufige Bewegung für die Kontraktionen.

Bei zu starker Belastung während des Trainings oder durch ungewohnte Bewegungen reißt ein Teil der dünnen Sarkomere aus ihrer Verankerung, den sogenannten Z-Scheiben. Besonders häufig passiert das bei exzentrischen Belastungen, das sind Bewegungen bei denen die Muskeln die aufgebrachte Kraft abbremsen. Das geschieht beispielsweise, wenn du ein schweres Gewicht langsam absenkst, bei einem Klimmzug in die Ausgangslage zurücksinkst oder bergab läufst.

Verletzungen der Sarkomere spürst du nicht sofort, weil sie keine Schmerzrezeptoren haben. Leitet dein Körper aber den Heilungsprozess ein, entstehen an den betroffenen Stellen kleine Entzündungen und Wassereinlagerungen. Dein Muskel schwillt an. Das erhöht die Spannung und mindert die Durchblutung. Dadurch entstehen die typischen Beschwerden bei einem Muskelkater.

Wie wichtig ist Muskelkater für deinen Trainingsfortschritt?

Ein Training war nur gut, wenn du danach an einem Muskelkater leidest. Ein Satz, der vielen Sportlerinnen und Sportlern bereits begegnet ist. Doch stimmt er überhaupt?

Die deutsche Sportakademie widerspricht. So erklärt der Sportwissenschaftler David Klinkhammer, dass Muskelkater keinesfalls ein Indikator für ein erfolgreiches Training und das erhoffte Muskelwachstum ist. Denn die Schmerzen können auch durch eine Überdehnung des Muskels entstehen.

Vielmehr hindert dich Muskelkater durch den damit einhergehenden Kraftverlust an weiteren Einheiten und kann deinen Trainingsplan durcheinanderbringen. Besonders, wenn die Schmerzen sehr stark sind.

Möchtest du deine Kraft stärken, ist ein regelmäßiger Reiz für deine Muskeln ausreichend. Dieser muss aber nicht so intensiv sein, dass du dich danach kaum bewegen kannst. Schon ein leichter Muskelkater kann das Wachstum begünstigen, weil sich dein Körper im Heilungsprozess an die erhöhte Belastung anpasst und die Muskelfasern wachsen lässt.

Was hilft bei einem Muskelkater?

Das beste Mittel gegen einen schmerzenden Muskelkater ist Ruhe für die betroffenen Bereiche. Allerdings musst du nicht lethargisch auf der Couch verweilen. Leichte Lockerungsübungen, die deine Muskeln kaum beanspruchen, können den Heilungsprozess beschleunigen. Bei besonders starken Problemen können auch Schmerzmittel die Beschwerden lindern. Zu viele solltest du davon aber nicht zu dir nehmen, da sonst eine Abhängigkeit entstehen kann.

Auch heiße Duschen oder ein warmes Bad können deine Schmerzen lindern. Die Temperaturen fördern die Durchblutung deiner Muskeln, wodurch dein Körper die Stoffwechselprodukte der entstandenen Entzündungen besser abtransportieren kann. Deine Muskeln erholen sich schneller.

Hinweis: Auf Dehnübungen solltest du bei einem Muskelkater verzichten, weil sie die geschundenen Fasern noch weiter reizen und eine ernsthafte Verletzung begünstigen können.

Wie lange solltest du nach einem harten Training pausieren?

Muskelkater entsteht nicht immer durch eine einzelne Einheit. Gönnst du deinen Muskeln grundsätzlich zu wenig Pausen und startest schnell in dein nächstes Training, können die Sarkomere ebenfalls reißen. Achte deshalb immer auf ausreichende Regenerationsphasen. Wie lang die sein sollten, zeigt dir deine Smartwatch von Garmin nach jeder Einheit. Der Erholungsratgeber errechnet anhand verschiedenster Daten wie deiner Trainingsintensität oder den Trainingseffekten, wie viel Zeit dein Organismus benötigt, bis er vollständig erholt ist.

Wann wird ein Muskelkater gefährlich?

Tod und Muskelkater – darüber sinnierte bereits der bekannte Wissenschaftsautor Holm Friebe im Januar 2002. Und tatsächlich: Was spaßig klingt, hat in sehr seltenen Fällen einen ernsten Hintergrund.

Meist klingt ein Muskelkater nach drei Tagen allmählich ab und du bist wieder bereit für ein Training. Du solltest deine Muskeln aber nicht grenzenlos beanspruchen. Bei dauerhaft extremer Belastung kann das sonst ernsthafte Folgen haben.

Denn eine extreme Überbelastung kann zu einer sogenannten Rhabdomyolyse führen. Das ist eine Erkrankung, bei der die Verletzungen der Muskeln so stark sind, dass deine Muskelfasern zerfallen. Dabei geben sie Zellbestandteile und Eiweiße frei, die in deine Blutbahn gelangen.

Bei einer leichten Form der Erkrankung spürst du zunächst nichts. Es können aber Muskelschmerzen und eine Muskelschwäche auftreten. Unter Umständen färbt sich dein Urin rötlich-braun. Denn durch den Zerfall der Muskelfasern gelangt das rötliche Eiweiß Myoglobin in dein Blut und du scheidest es über die Nieren aus. Nach Absprache mit einer Ärztin oder einem Arzt genügen bei einer leichten Form der Erkrankung etwas Ruhe und ausreichend Flüssigkeit.

Leidest du aber unter einer starken Rhabdomyolyse, können die Folgen gravierender sein. Es gelangen mehr Eiweiße in deine Blutbahn, die deine Nieren schädigen können. Expertinnen und Experten nehmen an, dass das Myoglobin die Kanäle deiner Organe verstopft und dadurch die Nierenzellen beschädigt. Gleichzeitig hemmt das Eiweiß die Durchblutung und kann die Harnproduktion zum Erliegen bringen. Das kann zu einem akuten und damit lebensgefährlichen Nierenversagen führen.

Bei besonders extremen Fällen können die eingeschwemmten Substanzen aus den Muskelfasern sogar die Blutgerinnung im gesamten Gefäßsystem auslösen. Im schlimmsten Fall führt das zu Organversagen und zum Tod.

Solltest du unter Symptomen wie starken und anhaltenden Muskelschmerzen, Muskelschwäche, einer Verfärbung des Urins oder anderen ungewöhnlichen Beschwerden leiden, solltest du umgehend medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.

Hinweis: Vor einem intensiven Training musst du dich nun aber nicht fürchten. An einer Rhabdomyolyse erkranken eher Menschen, die sich beispielsweise völlig unvorbereitet durch einen Marathon quälen.

Wer sollte einen Muskelkater zwingend vermeiden?

Eine Rhabdomyolyse kann bei jedem Menschen auftreten. Kinder unter zehn Jahren oder Erwachsene über 60 Jahren sind aber deutlich anfälliger für die seltene Erkrankung. Auch erkranken Männer häufiger als Frauen, besonders wenn sie unter Übergewicht leiden. Rund 80 Prozent der Erkrankungen sind gut behandelbar.

Deutlich vorsichtiger sollten Menschen sein, die unter einer neuromuskulären Erkrankung leiden. Denn häufig geht damit ein Muskelabbau, eine sogenannte Muskelatrophie einher. Die Erkrankung ist sehr komplex, deshalb maximal einfach zusammengefasst: Aufgrund fehlender Spezial-Proteine können die Nervenzellen die Signale des Gehirns nur schlecht an die Muskeln weiterleiten. Sie kontrahieren deutlich seltener und langsamer, wodurch schon Bewegungen des Alltags schwerfallen. Diese fehlende Aktivierung der Muskeln schwächt sie fortschreitend. Etwaige Verletzungen der Muskulatur heilen nur langsam.

Eine Überlastung der Muskeln kann deshalb gefährliche Folgen haben. Denn ausgerechnet durch das übermäßige Training werden die Muskeln noch schneller abgebaut. Menschen mit einer neuromuskulären Erkrankung sollten permanent ihre Mobilität trainieren – das jedoch ohne starke exzentrische Bewegungen.

Was dich sonst noch vorwärts bringt
Quellen
  1. https://taz.de/tod-durch-muskelkater-von-HOLM-FRIEBE/!113213
  2. https://gesund.bund.de/rhabdomyolyse#behandlung
  3. https://gelenk-klinik.de/gelenke/muskelkater.html
  4. https://www.aerzteblatt.de/archiv/30395/Muskelkater
  5. https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Muskelkater-Was-hilft-gegen-die-Schmerzen,muskelkater101.html
  6. https://www.tk.de/techniker/magazin/sport/sportverletzungen/muskelkater-2006138?tkcm=aaus
  7. https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/nieren-und-harnwegserkrankungen/niereninsuffizienz/rhabdomyolyse
  8. https://flexikon.doccheck.com/de/Rhabdomyolyse
  9. https://www.klinikum.uni-muenchen.de/Friedrich-Baur-Institut/de/krankheitsbilder/rhabdomyolysen/index.html
  10. https://www.esn.com/blogs/news/muskelkater-gut-oder-schlecht
  11. https://www.spektrum.de/kolumne/kraftsport-optimales-training-fuer-den-muskelaufbau/1900561
  12. https://fitvolution.de/ist-muskelkater-gut-fuer-dein-training/#gut
  13. https://www.sportnahrung-engel.de/training-tipps/muskelkater-gleich-muskelaufbau
  14. https://science-fitness.de/training/muskelkater
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  16. https://www.aerzteblatt.de/archiv/30395/Muskelkater
  17. https://support.garmin.com/de-DE/?faq=8ImmxVkZMh4EYYq5Zp2bR8
  18. https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/erkrankungen/weitere_solide_tumoren/wilms_tumor_nephroblastom/nierenaufbau_und__funktion_/index_ger.html
  19. https://www.roche.de/patienten-betroffene/informationen-zu-krankheiten/spinale-muskelatrophie
  20. https://www.biocarn.de/muskelschwaeche/
  21. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5560066/
  22. https://www.leading-medicine-guide.com/de/erkrankungen/nerven/spinale-muskelatrophie
  23. https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/spinale-muskelatrophie-sma/
  24. https://www.dgm.org/sites/default/files/2023-11/Wissenswertes%20Spinale%20Muskelatrophie_10_2023.pdf
  25. https://flexikon.doccheck.com/de/Muskelatrophie
  26. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7498395/
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